1. Grundlagen.
Rn 79
Das Recht am Unternehmen (so die nach der Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten heute zutreffende Bezeichnung, s.u. Rn 82) wurde – als Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb – vom RG entwickelt (RGZ 58, 24, 29 ff; 64, 52, 55 f; 94, 248, 249 ff; 141, 336, 338 ff) und vom BGH übernommen (s nur BGHZ 29, 65, 67 ff; 45, 296, 307). In der Rspr (aaO) ist es als ›sonstiges Recht‹ anerkannt, wenn auch mit besonderen, einschränkenden Tatbestandsvoraussetzungen; in der Lit sind Berechtigung (s insb Larenz/Canaris § 81 II 1; Kübler AcP 1972, 177, 188 ff) und dogmatische Einordnung (s insb Erman/Wilhelmi § 823 Rz 50 ff: Analogie zu § 823 I) dieses Rechts teilw umstr (umfassend: Sack Das Recht am Gewerbebetrieb 07). Wegen dieser Kritik begegnet auch eine Qualifizierung als Gewohnheitsrecht Bedenken (s insb Erman/Wilhelmi § 823 Rz 50).
Rn 80
Da Eigentum oder Besitz (als ›sonstiges Recht‹) an Produktionsmitteln ohnehin durch § 823 I geschützt sein können (s.o. Rn 33 ff, 63 f), geht es beim Recht am Unternehmen va um die unternehmerische Betätigung als solche und um Vermögensschäden (s insb BGHZ 193, 227 Rz 19; NJW 13, 2760 [BGH 28.02.2013 - I ZR 237/11] Rz 16). Dies zeigt, wie wichtig die Eingrenzung des Haftungstatbestands ist, um nicht zu einem allg Schutz des Unternehmensvermögens (im Unterschied zum Vermögen Privater) oder des gerade nicht vom Schutz als ›sonstiges Recht‹ erfassten unternehmerischen Know-hows (s.o. Rn 65) gegen jegliche Beeinträchtigung zu gelangen. Folgt man den in der Rspr vorgezeichneten und im Folgenden darzustellenden Eingrenzungen und orientiert sich in erster Linie an den anerkannten Fallgruppen (iSv Verletzungstypen), erscheint eine praktikable Handhabung möglich. Der Kritik in der Lit ist zuzugeben, dass sich die Haftung gerade mit diesen Einschränkungen und Konkretisierungen dogmatisch nicht mehr ohne Weiteres in § 823 I einfügen lässt. Andererseits hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass in bestimmten Fallgruppen offensichtlich ein praktisches Bedürfnis zur Ergänzung des – ansonsten insb über §§ 823 II, 824, 826 und §§ 8 ff UWG gewährleisteten – Vermögensschutzes besteht. Da ähnl restriktive Voraussetzungen wie bei anderen vermögensschützenden Haftungstatbeständen entwickelt wurden, ist das Recht am Unternehmen als Rechtsfortbildung iS einer deliktsrechtlichen ›kleinen‹ Generalklausel (BeckOGK/Spindler § 823 Rz 206; s bereits v Caemmerer FS DJT II 49, 89 ff) anzuerkennen.
2. Tatbestandsvoraussetzungen.
a) Anwendbarkeit.
Rn 81
Das Recht am Unternehmen ist als subsidiärer Auffangtatbestand nur bei Vorliegen einer ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke anwendbar (BGHZ 36, 252, 256 f; NJW 03, 1040, 1041 mwN; WRP 14, 1067 Rz 12; NZBau 20, 609 Rz 22). Vorrangig sind insb: Eigentums- oder Besitzverletzungen gem § 823 I (BGHZ 55, 153, 158 f; 105, 346, 350; 137, 89, 97 f; krit MüKo/Wagner § 823 Rz 326), § 823 II (BGH NJW 92, 1312), § 824 (BGHZ 65, 325, 328 mwN; 138, 311, 315; München OLGR 08, 650; Dresd NJW-RR 09, 833, 834; s aber auch BGHZ 90, 113, 122 f; 166, 84 Rz 94), § 9 UWG (insb BGHZ 36, 252, 257; BGH GRUR 21, 497 Rz 64; vgl auch Schricker AcP 1972, 203, 209 f; Wilhelm FS Canaris 1293 ff, alle zu § 9 I UWG), vertragliche Beziehungen (BeckOGK/Spindler § 823 Rz 218; Schlechtriem FS Deutsch [99] 317, 322f), nicht aber § 826 (s zB BGHZ 59, 30, 34 f; 69, 128, 139; 80, 25, 27 f; krit Erman/Wilhelmi § 823 Rz 62, § 826 Rz 23), der durch das Recht am Unternehmen ergänzt wird (MüKo/Wagner § 823 Rz 372). Die Subsidiarität gilt auch, wenn eine Anwendung der genannten Vorschriften am Fehlen einzelner Tatbestandsvoraussetzungen scheitert (zB § 9 UWG bei Verjährung), denn sie sind innerhalb ihres jeweiligen Anwendungsbereichs als abschließend gedacht (s zB BGHZ 8, 387, 394 f; 138, 349, 351f).
b) Schutzobjekt.
Rn 82
Schutzobjekt war ursprünglich der Betrieb bzw das Unternehmen, für das eine Unternehmenssubstanz (insb RGZ 58, 24, 30) sowie nach der Rspr eine verfestigte Organisation (BGH NJW 92, 41, 42 [BGH 24.04.1990 - VI ZR 358/89]: GbR reicht aus; weitergehend zB BeckOGK/Spindler § 823 Rz 207) charakteristisch war. Heute ist anerkannt, dass die gesamte unternehmerische Tätigkeit geschützt ist, insb Betätigung, Funktionieren, Know-how, Kunden- und sonstige Beziehungen (Staud/J Hager § 823 Rz D 9 mwN; BGH NJW 19, 781 [BGH 15.01.2019 - VI ZR 506/17] Rz 16 mwN). Zu Recht wurde der Schutzbereich auf freiberufliche Tätigkeiten erweitert (BGH GRUR 65, 690, 694; BGHZ 193, 227 Rz 19), daher ist nunmehr die Bezeichnung ›Recht am Unternehmen‹ treffender als ›Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb‹. Das Recht gilt auch für Unternehmen der öffentlichen Hand, soweit sie sich privatwirtschaftlich betätigen (BAG NZA 16, 1543 Rz 2). Nicht erfasst sind nach der Rspr Organisationen ohne gewerblichen Charakter, insb ohne Gewinnerzielungsabsicht, zB Idealvereine (BGHZ 41, 314, 316 f; s aber auch BGHZ 90, 113, 121 ff sowie BGHZ 42, 210, 217 – ggf Schutz über Art 9 I GG als sonstiges Recht; für einen weitergehenden Schutz BeckOGK/Spindl...