a) Kartelle und Monopole.
Rn 25
Bei Kartellen oder Monopolen ist das aus § 826 abgeleitete Diskriminierungsverbot von Bedeutung, das zu einem Kontrahierungszwang führen kann (grundl RGZ 115, 253, 258: Klage unmittelbar auf Leistung möglich; s.a. – sehr weitgehend – Kainer NJW 21, 816, 819 zu Impfstofflieferungen in der COVID-19-Pandemie). Vorrangig sind jedoch die Regeln des Wettbewerbsrechts, insb §§ 19 ff GWB, Art 102 AEUV. Bei ihrer Verletzung kommen Schadensersatzansprüche aus § 33a GWB in Betracht, die sich auch auf Naturalrestitution in Form eines Vertragsschlusses richten können; weiterhin können spezialgesetzliche Regelungen eines Kontrahierungszwangs eingreifen. Daneben besteht heute – auch mit Blick auf die Reduzierung der kartellrechtlichen Ausnahmebereiche – nur noch wenig Anlass für eine ergänzende Anwendung des § 826 (vgl auch BeckOGK/Spindler § 826 Rz 111f). Entsprechendes gilt für den Missbrauch einer Ausschließlichkeitsposition, die sich aus einem Immaterialgüterrecht ergibt (s nur § 19 I GWB, Art 102 AEUV).
b) Boykott.
Rn 26
Ein Boykott kann außer durch §§ 3 I, 4 Nr 4 iVm § 9 UWG und das Recht am Unternehmen (§ 823 Rn 81) auch durch § 826 erfasst werden. Im Verhältnis zwischen Unternehmen dürften die Vorschriften des UWG idR vorrangig sein; mit Blick auf das Recht am Unternehmen kann im Rahmen der Anspruchskonkurrenz ein Boykott nur unter von § 823 I abweichenden Voraussetzungen zum Schadensersatz nach § 826 führen. Da auch in den Fällen des § 823 I idR Vorsatz gegeben ist, muss in dieser Unter-Fallgruppe des § 826 dem Merkmal der Sittenwidrigkeit besondere Bedeutung beigemessen werden, was insb bei der Abwägung mit der Meinungsfreiheit des Äußernden zu berücksichtigen ist. Boykottvereinbarungen oder Aufforderungen zum Boykott werden folglich nur unter besonderen Umständen von § 826 erfasst, zB beim Einsatz wirtschaftlicher Macht oder sozialer Abhängigkeit (BVerfG NJW 69, 1161; 83, 1181) oder bei Hinzutreten eines Täuschungselements (BGHZ 90, 113).
c) Missbrauch von Vereins- oder Verbandsmacht.
Rn 27
Bei missbräuchlicher (insb ohne sachlichen Grund diskriminierender) Verweigerung der Aufnahme in einen Verein oder Verband kann über § 826 iVm § 249 I ein Aufnahmeanspruch begründet werden, wenn der Verein oder Verband eine Machtposition innehat, der Bewerber zur Wahrung wesentlicher Interessen auf die Mitgliedschaft angewiesen ist und kein sachlicher Grund gegen die Aufnahme spricht (s zB BGHZ 29, 344; 140, 74, 77; für Verbände BGH NJW 80, 186; Frankf WuW/E DE-R 2648 Rz 18 ff; München WuW/E DE-R 2695 Rz 14 f; abgelehnt im konkreten Fall von LG Memmingen NJW-RR 21, 1560 [LG Memmingen 28.07.2021 - 13 S 1372/20]). Der Ausschluss eines Mitglieds kann unter denselben Voraussetzungen gegen § 826 verstoßen (RGZ 140, 23, 24; BGH WM 80, 869, 870); str ist, ob das bereits für das Vorenthalten einer Begünstigung gilt (dagegen Kobl MDR 08, 267; dafür Frankf BeckRS 07, 15433 Rz 7 ff; München NJW-RR 10, 769 [BGH 19.11.2009 - I ZR 186/07] – iE verneint). Da bei derartigem Verhalten marktbeherrschender Unternehmen §§ 19 ff GWB bzw Art 102 AEUV einschlägig sind, dürfte der Hauptanwendungsbereich des § 826 in dieser Unter-Fallgruppe heute regelmäßig bei Idealvereinen liegen (s.a. BeckOGK/Spindler § 826 Rz 117; zu anderen Anspruchsgrundlagen insb Bartodziej ZGR 91, 517 ff; Steinbeck WuW 96, 91 ff).
d) Missbräuchliche Ausübung von Mehrheitsmacht in Gesellschaften.
Rn 28
Die missbräuchliche Ausübung von Mehrheitsmacht in Gesellschaften ist heute vielfach bereits durch gesellschaftsrechtliche Spezialvorschriften (zB §§ 117, 309, 317 AktG) sowie die von der Rspr entwickelten gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten erfasst (s nur BGHZ 65, 15, 18; 103, 184, 194); trotzdem wendet die Rspr teilweise zusätzlich § 826 an (zB RGZ 107, 72, 74; BGHZ 31, 258, 278 f; 129, 136, 164). Hier wird jedoch zu Recht vor einer Ausdehnung des Tatbestands auf Fälle grob fahrlässiger Pflichtverletzungen gewarnt (BeckOGK/Spindler § 826 Rz 70 mwN).
e) Missbrauch einer Machtposition in einem ›Schneeballsystem‹.
Rn 29
Fraglich ist, ob der Missbrauch einer Machtposition in einem ›Schneeballsystem‹ (zB in einem ›Schenkkreis‹) von § 826 erfasst werden kann (abgelehnt zB von Köln NJW 05, 3290, 3292; 06, 3288, 3290; BeckRS 08, 7132; München BeckRS 09, 9839; bejaht von Ddorf DB 12, 2275, 2276 ff; Frankf BeckRS 20, 13072). Mag die Sittenwidrigkeit des Systems als solchem noch zu bejahen sein (dazu insb BGH NJW 08, 1942; WM 09, 566, 567; ZIP 15, 2169 Rz 24 ff; NJW 21, 1759 Rz 16), dürfte doch der Nachweis einer entsprechenden Gesinnung jedenfalls von Beteiligten idR problematisch sein (so auch iE München BeckRS 09, 9839), anders evtl für den Initiator (so jetzt auch BGH NJW 21, 1759 Rz 16), insoweit sind zugunsten des Geschädigten auch Beweiserleichterungen denkbar (BGH NJW 21, 1759 [BGH 04.02.2021 - III ZR 7/20] Rz 19 f, dazu insb Henning jurisPR-BKR 7/21 Anm 2).