Rn 36
Zur Gläubigergefährdung und -benachteiligung gehören nicht nur die regelmäßig unter diesen Stichworten diskutierten Fallgruppen der Aushöhlung der Haftungsmasse, Insolvenzverschleppung und andere Handlungen im Vorfeld der Insolvenz, sondern auch bestimmte Verhaltensweisen im Bankverkehr sowie ggf die Nichtanpassung einer Betriebsrente bei konzerninterner Umstrukturierung.
a) Aushöhlung der Haftungsmasse.
Rn 37
Die Möglichkeiten einer Aushöhlung der Haftungsmasse werden mit einer Reihe rechtlicher Mittel begrenzt, zB durch das – va im Immobiliarsachenrecht bedeutsame – Publizitätsprinzip, die Überprüfung dinglicher Globalsicherheiten iRd AGB-Kontrolle (§ 305c Rn 19) sowie dinglicher und persönlicher Sicherheiten anhand von § 138 (§ 138 Rn 144 ff) und durch §§ 129 ff InsO, 850h ZPO. Soweit nach Anwendung dieser Regeln Schäden verbleiben sowie bei zusätzlichen, eine Sittenwidrigkeit begründenden Handlungsweisen kann auch § 826 eingreifen, der – anders als die meisten der genannten rechtlichen Mittel – das Verhältnis zwischen Sicherungsnehmer und Dritten betrifft. Die Haftung steht dann selbstständig neben §§ 129 ff InsO; es gelten separate Voraussetzungen und Rechtsfolgen, insb eine abweichende Verjährungsfrist (BGH NJW-RR 86, 579 [BGH 14.10.1985 - II ZR 276/84]).
Rn 38
Typische Fälle einer Anwendung des § 826 sind das kollusive Zusammenwirken von Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer zur Schädigung Dritter, insb um diese davon abzuhalten, sich selbst hinreichend zu schützen (RGZ 162, 202, 205 ff; BGH NJW 96, 2231, 2232 [BGH 09.05.1996 - IX ZR 50/95]) – auch wenn das Zusammenwirken erst auf Druck des Sicherungsgebers erfolgt (BGH WM 85, 866, 868 f [BGH 07.03.1985 - III ZR 90/83]; NJW 01, 2632, 2633 [BGH 29.05.2001 - VI ZR 114/00]), die Vollstreckungsvereitelung durch Privatpersonen (zB RGZ 74, 224, 229 ff; BGH WM 64, 613 f; NJW 73, 513 [BGH 26.01.1973 - V ZR 53/71]; München BeckRS 19, 14016: Vollstreckungsvereitelung durch Abschluss eines Untermietvertrags) oder Kapitalgesellschaften (zB RGZ 114, 68, 71 ff; BGH NJW-RR 86, 579 f [BGH 14.10.1985 - II ZR 276/84]; NJW 96, 1283 f [BGH 12.02.1996 - II ZR 279/94]; Dresd NJW-RR 01, 1690 ff [OLG Dresden 17.01.2001 - 12 U 2267/00]) sowie die planmäßige Entziehung und Verlagerung von Vermögen (BGH NJW 05, 145; s.a. BGH DStR 05, 340, 342; BGHZ 213, 328 Rz 7), nicht aber bereits die Vermittlung von Schuldscheindarlehensgeschäften (München OLGR 06, 585f).
b) Insolvenzverschleppung und andere Handlungen im Vorfeld der Insolvenz.
Rn 39
Die Insolvenzverschleppung durch vertretungsberechtigte Organe von Gesellschaften oder Vereinen ist spezialgesetzlich geregelt, zB in §§ 42 II BGB, 15a InsO, ggf iVm § 823 II (§ 823 Rn 241). Daneben spielt § 826 praktisch kaum eine Rolle (s nur BGHZ 75, 96, 114; 96, 231, 235 ff; Rostock NJOZ 06, 2767, 2777 f; Gehrlein WM 21, 1, 6; Ausn: BGHZ 108, 134, 141 ff, krit dazu zB MüKo/Wagner § 826 Rz 172; BGHZ 175, 58 Rz 14; NJW-RR 10, 351 Rz 7; jetzt auch BGH ZIP 21, 1856 Rz 20 ff, dazu Beck DZWiR 22, 85 ff; zu Lücken des spezialgesetzlichen Gläubigerschutzes Haas ZIP 09, 1257, 1258 f, auch zu einer Übertragbarkeit der Grundsätze der Existenzvernichtungshaftung aaO 1259 ff; für eine stärkere Berücksichtigung des Zusammenspiels zwischen Insolvenzanfechtung und § 826 Thole WM 10, 685 ff; s auch BGHZ 217, 300 Rz 51 f – auch für das Verhältnis zur Insolvenzanfechtung nach ausländischem Recht); vielfach wird die Frage im Ergebnis offengelassen (BGHZ 164, 50, 63) oder ein Anspruch abgelehnt (zB BGHZ 175, 58 Rz 8 ff; NJW-RR 10, 351 Rz 8 ff). Relevant wird § 826 va dann, wenn das Gesamtverhalten über das von den Spezialvorschriften Erfasste hinausgeht (s BGHZ 217, 300 Rz 55 ff zur ›Firmenbestattung‹), wobei ggf auch § 2 I Nr 3 COVInsAG zu beachten ist (dazu insb Gehrlein WM 21, 1, 7). Von § 826 erfasst werden kann auch das bewusste Verschweigen eines Anspruchs, um die Restschuldbefreiung zu erreichen (s.u. Rn 56). Ein wichtiger Anwendungsbereich des § 826 bei der Insolvenzverschleppung betrifft das Verhalten von Gläubigern des insolvenzgefährdeten Unternehmens, in erster Linie Banken, an die relativ hohe Verhaltensanforderungen gestellt werden. Sie sind zwar nicht generell verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen (s nur BGH WM 64, 671, 673; Koller JZ 85, 1013, 1021), wohl aber unter folgenden Voraussetzungen: tatsächlich bestehende Insolvenzreife des Schuldners (BGH NJW 65, 475, 476; 70, 657, 659), Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers hiervon (BGHZ 10, 228, 233 f – zu § 138; Frankf VersR 91, 80, 81) sowie ein Dritte schädigendes Verhalten zur Verminderung des eigenen Risikos, zB durch Hinauszögern des Insolvenzantrags (BGH LM § 826 [Ge] Nr 9) oder Bereitstellen von Überbrückungskrediten, die zur echten Sanierung nicht ausreichen (zB BGHZ 90, 381, 399; 96, 231, 235 ff; NJW 92, 3167, 3174 f; Grenzen: BGH NJW 01, 2632, 2633; Rostock OLGR 07, 416, 417f). Zudem spielt § 826 eine Rolle für die Haftung von GmbH-Geschäftsführern (s nur BGHZ 175, 58; NJW-RR 10, 351; ZIP 21, 1856). Problematisch sind häufig der Nachweis des (zumindest bedingten) Vors...