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Anders als die zuvor geschilderten Fallgruppen setzt die Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter einer GmbH nicht im Außenverhältnis zu den Gläubigern, sondern im Innenverhältnis zur GmbH an: Die persönliche Haftung der Gesellschafter für Eingriffe in das Gesellschaftsvermögen, die zur Insolvenz der GmbH führen, wird vom BGH heute bei § 826 verortet (BGHZ 173, 246 Rz 17; NJW-RR 08, 629 Rz 11; 918 Rz 10; BGHZ 176, 204 Rz 10 ff; 179, 344 Rz 15 ff; 193, 96 Rz 13 ff; NZI 13, 500 Rz 20 ff; BGHZ 220, 179 Rz 26; ausf Röck Die Rechtsfolgen der Existenzvernichtungshaftung 11; Kroh Der existenzvernichtende Eingriff 13, 45 ff; teilw krit und präzisierend im Verhältnis zum GmbH-Recht Fastrich FS K Schmidt 291, 292 ff; Lieder ZGR 19, 760, 772 ff mwN; Neuberger ZIP 20, 153, 158 ff). Zur Haftung des Gesellschafters nach §§ 30 f GmbHG besteht Anspruchskonkurrenz (BGHZ 173, 246 Rz 39f); § 826 deckt insb diejenigen Fälle ab, in denen bei §§ 30 f GmbHG Schutzlücken verbleiben (BGH GmbHR 15, 644 Rz 9, teilw krit Ulrich/Schlichting GmbHR 15, 646, 647 f; weiterhin zB Paefgen DB 07, 1907 f; Goette DStR 07, 1593), andererseits erfordert er – insoweit enger als §§ 30 f GmbHG – zumindest bedingten Vorsatz (krit zum Vorsatzerfordernis zB Schwab ZIP 08, 341, 344 ff); zudem ist die Beweislast bei § 826 für den Anspruchsteller ungünstiger. Auch im Verhältnis zu § 823 II iVm § 266 StGB (dazu Altmeppen NJW 07, 2657, 2659) sowie zu § 15b VI InsO dürfte Anspruchskonkurrenz in Betracht kommen. Ein eigenständiger Anwendungsbereich dürfte § 826 bei Verhaltensweisen zukommen, die nicht von den genannten Regelungen erfasst sind, also besonders ›irregulär‹ sind. Der Sittenverstoß besteht in der planmäßigen Entziehung von – der Zweckbindung zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger unterliegendem – Vermögen der Gesellschaft mit der Folge der Verursachung oder Vertiefung einer Insolvenz, wenn dies zum unmittelbaren oder mittelbaren Vorteil des Gesellschafters oder eines Dritten geschieht (BGHZ 173, 246 Rz 30; NJW-RR 08, 629 Rz 12; 1417 Rz 9 f; NZG 12, 1069 Rz 21, 25; NZI 13, 500 Rz 20; präzisierend Schanze NZG 07, 681, 683 f; Fastrich FS K Schmidt 291, 298 f; für eine Anwendung der ›business judgment rule‹ Schröder GmbHR 07, 934, 935; zur Problematik des Cash Pooling in diesem Zusammenhang Theiselmann GmbHR 07, 904, 905 ff; Schröder aaO; zu notwendigen Differenzierungen bei Verpachtung des Unternehmens Sauer/Stoll BB 11, 1091 ff; krit zum Eintritt der Insolvenz als Haftungsvoraussetzung Röck Die Rechtsfolgen der Existenzvernichtungshaftung 11, 89 ff; zur Einordnung von ›Aschenputtel-Konstellationen‹ in die Existenzvernichtungshaftung Grabmann Differenz- und Existenzvernichtungshaftung in der Aschenputtel-GmbH 19, 170 ff). Fraglich war zunächst, ob auch die Verlagerung von Vermögenswerten auf eine abhängige Gesellschaft einen solchen Sittenverstoß darstellt (iE offengelassen in BGH NZG 12, 667 [BGH 23.04.2012 - II ZR 252/10] Rz 18; abl Beck DStR 12, 2135f). Wenn nunmehr ein realer Vermögensabfluss nicht für erforderlich gehalten und bereits die Vermehrung von Verbindlichkeiten als hinreichend angesehen wird (BGHZ 220, 179 Rz 29 ff m umfangreichen Nachw aus der Lit), dürfte auch die Verlagerung von Vermögenswerten erfasst werden. Sie muss allerdings zum Vorteil eines Gesellschafters erfolgen (BGHZ 220, 179 Rz 38 f, wiederum mit umfangreichen Nachw zum Meinungsstand aus der Lit; zu Konsequenzen für weitere Fallgestaltungen Primozic/Handrup NZI 19, 266, 267 ff; s.a. Wittgens DB 19, 829, 832 f; Heckschen NZG 19, 561, 565; Lieder ZGR 19, 760, 772 ff). Auch im Liquidationsstadium kann die Haftung greifen (BGHZ 179, 344 Rz 35 ff; 193, 96 Rz 13); zusätzlich soll ein Anspruch aus § 826 wegen Verletzung der Liquidationsvorschriften in Betracht kommen (BGHZ 179, 344 Rz 35 ff; Celle GmbHR 10, 87, 88 ff; krit zu Recht Rubner DStR 09, 1538, 1543f). Offen lässt der BGH bisher, ob die Bildung einer besonderen Fallgruppe der ›Unterkapitalisierung einer GmbH‹ bei Unterlassen hinreichender Kapitalausstattung jenseits des Stammkapitals – für die er eine gesellschaftsrechtliche Durchgriffshaftung ablehnt – iRd § 826 in Betracht kommt (BGHZ 176, 204 Rz 25; abl zB Kleindiek NZG 08, 686, 689; tendenziell auch Strohm ZInsO 08, 706, 711; Heeg/Kehbel DB 08, 1787, 1790; befürwortend zB Altmeppen ZIP 08, 1201, 1203 ff). Allenfalls bei einer Präzisierung der Haftungsvoraussetzungen wäre eine solche Erweiterung denkbar. Auf der Ebene des Vorsatzes ist ein Bewusstsein des handelnden Gesellschafters erforderlich, dass durch die Maßnahme das Gesellschaftsvermögen sittenwidrig geschädigt wird (BGHZ 173, 246 Rz 30; NZG 12, 667 Rz 13; NZI 13, 500 Rz 21; stärker diff Gloger/Goette/van Huet DStR 08, 1141, 1145 f; krit zur Handhabung des Vorsatzerfordernisses durch den BGH insb Hönn WM 08, 769, 773 f; Lieder ZGR 19, 760, 774f). Als Haftpflichtiger kommt jeder Beteiligte iSd § 830 in Betracht (BGHZ 173, 246 Rz 46; 193, 96 Rz 14; NZI 13, 500 Rz 20), auch lediglich mitt...