1. Sittenverstoß.
Rn 5
Sittenwidrigkeit liegt vor beim Verstoß gegen das ›Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden‹ (RGZ 48, 114, 124; BGH NJW 91, 913, 914 mwN; VersR 13, 200 Rz 25 mwN; WM 14, 71 Rz 23). § 826 gewährleistet ein rechtsethisches Minimum (s nur Larenz/Canaris § 78 II 1b; Soergel/Hönn § 826 Rz 27); zu seiner Konkretisierung (die in vollem Umfang revisibel ist, RGZ 155, 257, 277; BVerwG NVwZ 90, 668; BGH VersR 14, 210 Rz 8 mwN; WM 16, 1975 Rz 15; BeckRS 16, 17389 Rz 16; NJW 19, 2164 Rz 8; 20, 2798 Rz 28) sind stärker objektivierbare Kriterien erforderlich, zudem sind verfassungsrechtliche Wertungen in die Beurteilung einzubeziehen. Maßstab ist die Vorstellung derjenigen Kreise, die von der fraglichen Handlung betroffen sind (zB BGHZ 10, 228, 232; 67, 119, 124 f; NJW-RR 89, 1255, 1257), ggf auch der Allgemeinheit (RGZ 145, 396, 399f). Der Sittenverstoß kann sich aus Sittenwidrigkeit des verfolgten Zwecks (zB Vereitelung von Rechten), der verwendeten Mittel (zB außerordentlicher Eigennutz) oder der Zweck-Mittel-Relation ergeben (zB RGZ 130, 89, 91; BGHZ 129, 136, 172 mwN; VersR 14, 210 Rz 9 mwN; NJW 20, 2798 Rz 29; ZIP 20, 1024 Rz 24; nicht sittenwidrig dürfte die Zweck-Mittel-Relation idR bei Klimaprotestaktionen sein, s.a. Patros/Pollithy NJOZ 23, 1, 4 f; weitergehend Behme NJW 23, 327, 330, 331). Er kann durch Tun oder Unterlassen erfolgen; ein Unterlassen ist aber nur tatbestandsrelevant, wenn die unterlassene Handlung sittlich geboten war, also nicht bei jeder Nichterfüllung einer rechtlichen Pflicht (BGH NJW 63, 148, 149; 01, 3702, 3703 mwN; BeckRS 10, 29739 Rz 13; VersR 13, 200 Rz 25 mwN; WM 14, 71 Rz 24; 16, 1975 Rz 16; BeckRS 16, 17389 Rz 17; GRUR 21, 714 Rz 69). Das sittenwidrige Verhalten muss sich gerade auf den geltend gemachten Schaden beziehen (BGH NJW 19, 2164 [BGH 07.05.2019 - VI ZR 512/17] Rz 8 mwN; BGHZ 225, 316 Rz 15; NJW 20, 2798 Rz 29); dies prüft der BGH (aaO) im Rahmen der Sittenwidrigkeit, obwohl es genau genommen eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität ist. Auf welchen Zeitpunkt abzustellen ist, ist fraglich. Wegen des großen Gewichts des Verdikts der Sittenwidrigkeit sollte bei ›gestreckten‹ Delikten eine Sittenwidrigkeit sowohl im Zeitpunkt des schädigenden Verhaltens als auch des Schadenseintritts verlangt werden (so iErg, wenn auch mit tw anderer Begründung auch BGH NJW 20, 2798 [BGH 30.07.2020 - VI ZR 5/20] Rz 31).
Rn 6
Subjektive Elemente: Der Schädiger muss die Tatsachen kennen, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt (zB RGZ 136, 293, 298; BGHZ 8, 83, 87 f; 101, 380, 388 mwN). Hingegen ist ein Bewusstsein der Sittenwidrigkeit nicht erforderlich, damit nicht besonders Gewissen- und Rücksichtslose begünstigt werden (RGZ 72, 175, 176; 79, 17, 23; BGHZ 8, 83, 87; 101, 380, 388). Umgekehrt können aber gegen die guten Sitten verstoßende Beweggründe (zB Rachsucht, Neid) berücksichtigt werden, wenn sie nach außen in Erscheinung treten und sich in einem bestimmten Verhalten manifestieren (s insb RGZ 74, 224, 230; BGH WM 84, 906). Kein Sittenverstoß liegt vor bei einem Irrtum des Schädigers über die Sittenwidrigkeit seines Verhaltens (Verbotsirrtum in Bezug auf die der Sittenwidrigkeit zugrundeliegenden Tatsachen, s insb RGZ 71, 108, 112 f; BGHZ 101, 380, 387; NJW-RR 09, 1207 Rz 22 mwN, str).
2. Vorsatz.
Rn 7
Ist beim Täter ein Bewusstsein der Sittenwidrigkeit nicht erforderlich (s.o. Rn 6), muss er doch in Bezug auf den zugefügten Schaden vorsätzlich gehandelt haben. Bedingter Vorsatz genügt (zB BGHZ 8, 387, 393; NJW 04, 3706, 3710; NJW-RR 09, 1207 Rz 24 mwN; VersR 14, 210 Rz 33; zur Abgrenzung zu nicht vorsätzlichem Handeln BGH NJW 51, 596, 597; BGHZ 147, 269, 278; VersR 13, 200 Rz 32 mwN; zur Aufweichung des Vorsatzerfordernisses etwa Schulteß Originäre außervertragliche Fahrlässigkeitshaftung für reine Vermögensschäden 24, 298 ff), auch für den Teilnehmer (Ddorf BeckRS 09, 6379). Da die Ermittlung des Vorsatzes als innere Tatsache praktisch schwierig sein kann, wird häufig – trotz der grds Trennung von Vorsatz und Bewusstsein der Sittenwidrigkeit – von der Sittenwidrigkeit auf den Vorsatz geschlossen (zB RGZ 90, 106, 109; BGHZ 10, 228, 233; 129, 136, 177 mwN; NJW 00, 2669, 2670; WM 19, 1356 Rz 35 ff). Auch aus leichtfertigem Handeln, das als solches für den Schädiger erkennbar war, kann bedingter Vorsatz abgeleitet werden (zB BGH VersR 79, 283, 284 mwN; NJW-RR 86, 1158, 1159; NJW 91, 3282, 3283; BGHZ 176, 281 Rz 46 – iE abgelehnt; 184, 365 Rz 39; WM 10, 2025 Rz 52; NJW-RR 12, 404 Rz 11; NZG 13, 992 Rz 22 f – iE abgelehnt; 15, 559 Rz 17; 19, 437 Rz 19; vgl aber auch BGH NJW 91, 32, 33; VersR 13, 200 Rz 33 mwN; krit zB Hopt AcP 1983, 608, 633; Grunewald AcP 1987, 285, 306 f; Canaris ZHR 99, 206, 214 f; BeckOGK/Spindler § 826 Rz 20 mwN), auch wenn das leichtfertige Handeln in einem bewussten Sichverschließen vor der Kenntnis von Tatumständen bestand (zB BGHZ 129, 136, 176; 176, 281 Rz 46; 184, 365 Rz 39 mwN; WM 12, 2195 Rz 31).
Rn 8
Bezugspunkte des Vorsatzes sind sowohl das schädigende...