I. § 827 1.
Rn 3
Nach § 827 1 führt Unzurechnungsfähigkeit (vgl auch §§ 104f) zum Ausschluss der Verantwortlichkeit bei der Verschuldenshaftung. Sie ist anzunehmen bei Bewusstlosigkeit, insb Schlaf oder Ohnmacht (BGHZ 23, 90, 98; Saarbr NJW-RR 03, 605), sofern eine Handlung im Rechtssinne vorliegt, und bei Ausschluss der freien Willensbestimmung, zB durch Schock (s insb BGH VersR 66, 458; zu Einschränkungen beim Unfallschock insb BGH VersR 66, 579 f; 77, 430, 431), äußerste Erregung (BGH NJW 58, 266, 267 – zum Strafrecht), panische Schreckreaktionen (Nürnbg VersR 65, 93, 94; s aber auch BGH VersR 66, 579f), Psychosen (Karlsr VersR 95, 217, 218; KG BeckRS 22, 6008 – zum Strafrecht), eine krankhaft manische Phase (Brandbg MDR 23, 1450), Alkohol-, Drogen- oder Medikamenteneinwirkungen (keine feste Promillegrenze, BGH VersR 65, 656 [BGH 17.05.1965 - II ZR 48/63]; 67, 125, 126 f; sehr weitgehende Annahme der Verschuldensfähigkeit eines Alkoholkranken bei 3,44 Promille: Schlesw r+s 21, 355, 355 f; anders Schlesw 7 U 20/21; BeckOK/Spindler § 827 Rz 6; Erman/Wilhelmi § 827 Rz 2), bei Letzteren ist stets § 827 2 im Blick zu behalten (s zB Schlesw 7 U 20/21). Durch die genannten Zustände muss die freie Willensbestimmung in Bezug auf die fragliche Handlung vollständig ausgeschlossen sein; nicht ausreichend ist eine bloße Minderung der Verstandes- und Willenskraft (zB RGZ 108, 86, 90; BGH VersR 65, 949, 950 [BGH 05.07.1965 - II ZR 192/63]; NJW 89, 1612 [BGH 22.02.1989 - IVa ZR 274/87]; Hamm BeckRS 16, 7501 und 11511 zu Pyromanie bei Aufrechterhaltung der kognitiven Voraussetzungen der Intentionsbildung und Intentionsinitiierung; Hamm BeckRS 17, 104328). Die zu § 20 StGB entwickelten Fallgruppen werden häufig entsprechend herangezogen (zB NK-BGB/Katzenmeier § 827 Rz 2; BeckOK/Spindler § 827 Rz 2), dagegen werden jedoch gewichtige Gegenargumente geltend gemacht (Spilgies HRRS 15, 177, 184 ff).
II. § 827 2.
Rn 4
Bei schuldhaftem Versetzen in den Zustand der Unzurechnungsfähigkeit durch Alkohol (oder vergleichbar wirkende Medikamente, Drogen, BeckOK/Spindler § 827 Rz 6; zum Absetzen einer psychopharmakologischen Medikation Brandbg MDR 23, 1450 mwN) haftet der Handelnde gem § 827 2 für Fahrlässigkeit (diese wird vermutet), also nicht bei Taten, die Vorsatz erfordern (BGH NJW 68, 1132, 1133 [BGH 22.03.1968 - V ZR 3/67]). Bei grober Fahrlässigkeit als Haftungsvoraussetzung muss auch der Zustand grob fahrlässig herbeigeführt worden sein (BGH VersR 67, 944). Unberührt bleibt eine Haftung nach den Grundsätzen der actio libera in causa (insb BGH NJW 89, 1612, 1613 [BGH 22.02.1989 - IVa ZR 274/87]): Hier führt vorsätzliche Herbeiführung der Verschuldensunfähigkeit zur Verantwortlichkeit für in diesem Zustand vorsätzlich oder fahrlässig begangene Taten. Auch § 827 2 ist auf die Beurteilung eines Mitverschuldens iSd § 254 entsprechend anzuwenden (Karlsr NJW 09, 2608, 2609 [OLG Karlsruhe 30.01.2009 - 1 U 192/08]; Schlesw 7 U 20/21).
III. Beweislast.
Rn 5
Für das Vorliegen einer Handlung überhaupt trägt grds der Geschädigte die Beweislast (BGHZ 39, 103, 108; Hamm BeckRS 19, 16123; Ausn: BGHZ 98, 135, 137 ff). Unzurechnungsfähigkeit iSd § 827 1 hat der Handelnde zu beweisen (BGHZ 39, 103, 108; 111, 372, 374 mwN; KG VersR 22, 1021, 1021 ff; Schlesw 7 U 20/21). Das gilt auch bei § 2339 I Nr 1 (BGHZ 102, 227, 229 ff) sowie im Adhäsionsverfahren (LG Berlin NZV 06, 389, 390). Das Vorliegen eines Betreuungsverhältnisses hat lediglich Indizwirkung (vgl RGZ 108, 86, 90). Für den Anscheinsbeweis dürfte Alkoholisierung allein nicht ausreichen (Berger VersR 92, 168, 169). Für die Ausnahme des § 827 2 ist der Geschädigte beweispflichtig, aber der Handelnde kann sich gem § 827 2 letzter Hs entlasten (BGH NJW 68, 1132, 1133 [BGH 22.03.1968 - V ZR 3/67]; Schlesw 7 U 20/21).