I. Mittäterschaft und Teilnahme, § 830 I 1, II.
Rn 4
Die Begriffe Mittäterschaft und Teilnahme sind grds wie im Strafrecht (§§ 25–27 StGB) zu bestimmen (zB BGHZ 8, 288, 292; 137, 89, 102; NJW 04, 3423, 3425; ZIP 10, 786 Rz 34; 2505 Rz 47; WM 10, 1590 Rz 43; 2214 Rz 44; ZIP 11, 666 Rz 24; WM 11, 1028 Rz 24; 1465 Rz 49; VersR 12, 1038 Rz 17; WM 12, 2195 Rz 24; 13, 2322 Rz 15; WRP 14, 1050 Rz 13; 15, 577 Rz 35; 18, 480 Rz 25; NJW 18, 1751 Rz 12; BGHZ 217, 300 Rz 67; WM 19, 1356 Rz 46; NZKart 20, 535 Rz 31; GRUR 21, 730 Rz 26; ZIP 21, 1753 Rz 11; zu Differenzierungen BeckOGK/Förster § 830 Rz 4 ff; krit zur strafrechtlichen Betrachtungsweise zB F Bydlinski AcP 1959/60, 410, 414; Deutsch JZ 72, 105, 106 f; Larenz/Canaris § 82 I 1d; v Hein AcP 2004, 761, 766 ff; H-J Ahrens FS Canaris 3). Mittäterschaft iSd § 830 I 1 setzt bewusstes und gewolltes Zusammenwirken zur Herbeiführung des Verletzungserfolgs voraus (BGHZ 17, 327, 333; 30, 203, 206; NJW-RR 90, 604 f; WRP 14, 1050 Rz 13; 18, 480 Rz 25 mwN). Das zufällige Zusammentreffen lediglich fahrlässiger Handlungen reicht nicht aus (BGHZ 30, 203, 206; NJW 74, 360 f; LG Oldenburg MMR 16, 479, 480: aber gesamtschuldnerische Haftung nach § 840; teilw aA Deutsch/Ahrens Deliktsrecht 6. Aufl 14 Rz 188). Erforderlich sind Kenntnis des Kausalzusammenhangs in groben Zügen und Wille zur gemeinschaftlichen Tatbestandsverwirklichung (BGHZ 89, 383, 389; NZKart 20, 535 Rz 34 zum Kartrellrecht – recht weitgehend in Bezug auf die Umsetzung einer Grundabsprache; AG 22, 443 Rz 15 ff). Nicht erforderlich ist Kenntnis aller anderen Tatbeiträge oder aller Einzelheiten des Kausalverlaufs; für den Exzess eines Mittäters, der über das gemeinschaftlich Gewollte hinausgeht, wird jedoch nicht gehaftet (BGHZ 59, 30, 42; 63, 124, 128; 89, 383, 396; NZKart 20, 535 Rz 35 mwN; BeckRS 06, 210 Rz 4). Das Verhältnis des eigenen Tatbeitrags zum Gesamtgeschehen ist nach der Rspr unerheblich, er muss nicht einmal ursächlich für den Verletzungserfolg sein (zB BGH NJW-RR 99, 843 f; str, s MüKo/Wagner § 830 Rz 18 iVm 25 mwN, auch zu abw Ansichten). Auch müssen sich die Mittäter nicht untereinander persönlich kennen, sofern sie bewusst und gewollt zusammenwirken, wie etwa bei Peer-to-Peer-Tauschbörsen im Internet (BGH WRP 18, 480 [BGH 06.12.2017 - I ZR 186/16] Rz 27). Nach dem subjektiven Täterschaftsbegriff der Rspr reicht intellektuelle oder psychische Mitwirkung aus (zB BGHZ 8, 288, 294; 63, 124, 126). Heute wird teilweise einschränkend verlangt, dass der einzelne Beitrag die Begehung der Tat fördern und für diese relevant sein muss (BGHZ 137, 89, 102; Oldbg NJW-RR 04, 1671, 1672; nicht eindeutig BGH NJW-RR 05, 556, 557; vgl auch BeckOK/Spindler § 830 Rz 7 mwN); für noch stärkere Einschränkungen bei Kartellabreden (Möglichkeit, die Vermutung der Schadensverursachung zu widerlegen) Müller-Graff FS W-H Roth 399, 405 ff.
Rn 5
Mittätern gleichgestellt sind nach § 830 II Anstifter und Gehilfen, so dass eine genaue Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme nicht erforderlich ist. Der Anstifter bestimmt einen anderen vorsätzlich zu einer vorsätzlich begangenen Haupttat (nach hM ist also doppelter Vorsatz erforderlich, zB BGH VersR 67, 471, 473; BGHZ 70, 277, 285 f; s aber auch Staud/Eberl-Borges § 830 Rz 31 ff zu abw Ansichten). Nach hM muss der Haupttäter nicht deliktsfähig sein (s zB Staud/Eberl-Borges § 830 Rz 36; NK-BGB/Katzenmeier § 830 Rz 8; BeckOK/Spindler § 830 Rz 10; aA Jauernig/Kern § 830 Rz 6). Der Gehilfe leistet einem anderen vorsätzlich zu einer vorsätzlich begangenen Haupttat Hilfe (BGHZ 42, 118, 122 f; 70, 277, 285 f; NJW-RR 05, 556, 557; NJW 05, 3137, 3139; WRP 11, 223 Rz 30; NJW 18, 1751 Rz 12; ZIP 21, 1753 Rz 11 mwN; BeckRS 21, 31395 Rz 11; 30717 Rz 11; 30734 Rz 11); das ist auch bei Sonderdelikten möglich, bei denen der Gehilfe nicht Täter sein kann (BGH NJW-RR 05, 556, 557 [BGH 26.10.2004 - XI ZR 279/03]; BGH NJW 23, 3580 [BGH 10.07.2023 - VIa ZR 1119/22] Rz 21 mit erneuter Betonung des Erfordernisses eines doppelten Vorsatzes in Bezug auf die Haftung von Motorherstellern in Abgasfällen, allerdings mit Modifikation der Beweislast im Vergleich zur Täterhaftung Rz 23, die zwar praktisch verständlich ist, die Teilnehmerhaftung letztlich aber tw von der Täterhaftung abkoppelt; BeckRS 23, 37216 Rz 17), und kann auch im Vorfeld der Haupttat erfolgen (BGH ZIP 21, 1753 Rz 11, 18, krit zur Begründung Hellgardt AG 21, 784, 785 f; BeckRS 21, 31395 Rz 11, 18; 30717 Rz 11, 18; 30734 Rz 11, 18, alle mwN, jew iE aber abgelehnt). Bisher wurde auch hier stark auf die subjektive Komponente abgestellt (psychische Unterstützung genügt, BGHZ 63, 124, 130), aber wie bei der Mittäterschaft (s.o. Rn 4) zeichnet sich teilw eine Tendenz zur stärkeren Objektivierung ab (zB BGH NJW 04, 3423, 3425 [BGH 13.07.2004 - VI ZR 136/03]; s.a. u Rn 6). Fraglich ist, ob hier die strafrechtlichen Grundsätze zu neutralen Handlungen berücksichtigt werden sollten (so wohl BGH WM 10, 1590 Rz 47; 2214 Rz 48; 11, 1465 Rz 53; BeckRS 11, 19296 Rz 53; VersR 12, 1038 Rz 27; WM 14, 71 Rz 31;...