1. Aufsichtsbedürftiger.
Rn 3
Minderjährige sind stets aufsichtsbedürftig (s insb BGH NJW 76, 1145, 1146 [BGH 02.12.1975 - VI ZR 79/74]; aA Rauscher JuS 85, 757, 761), unabhängig von den Umständen des Einzelfalls (die lediglich bei der Konkretisierung des Umfangs der Aufsichtspflicht zu berücksichtigen sind, dazu zB BGH NJW 80, 1044, 1045 [BGH 27.11.1979 - VI ZR 98/78]). Bei Volljährigen muss aufgrund ihres geistigen oder körperlichen Zustands eine konkrete Aufsichtsbedürftigkeit im Einzelfall bestehen (vgl BGH NJW 58, 1775 [BGH 15.04.1958 - VI ZR 87/57]), zB wegen fehlender Möglichkeit zur Selbstkontrolle bei Kranken, geistig oder körperlich Behinderten oder Epileptikern. Indiz für die Aufsichtsbedürftigkeit ist va der Aufgabenbereich eines Betreuers (vgl Staud/Bernau § 832 Rz 10; MüKo/Wagner § 832 Rz 16; NK-BGB/Katzenmeier § 832 Rz 4; teilw abw Soergel/Krause § 832 Rz 6; aA Bernau/Rau/Zschieschack NJW 08, 3756 ff).
2. Aufsichtspflichtiger.
a) Kraft Gesetzes, § 832 I.
Rn 4
Zur Aufsicht über Minderjährige ist der Personensorgeberechtigte verpflichtet, also Eltern, §§ 1626 I, 1626a I (bei dauerndem Getrenntleben § 1671; zur Ausgestaltung im Einzelfall und zum Verhältnis zum Umgangsrecht BeckOGK/Wellenhofer § 832 Rz 15 ff), überlebender Elternteil, § 1680, nichteheliche Mutter, § 1626a II, Adoptiveltern, § 1754 III, Vormund, §§ 1789, 1795, 1798, Pfleger, §§ 1809, 1813, str für Ausbildende iSd § 14 BBiG (hM: nicht aufsichtspflichtig, zB NK-BGB/Katzenmeier § 832 Rz 6 mwN; BeckOK/Spindler § 832 Rz 9; Grüneberg/Sprau § 832 Rz 5, aA: in begrenztem Umfang, zB Erman/Wilhelmi § 832 Rz 3), fraglich auch für Umgangsbegleiter iSd § 1684 IV (in Erwägung gezogen von Karlsr FamRZ 14, 1476; abl Bernau DAR 18, 429, 431). Bei Kindern in Fürsorgeerziehung haften die Eltern weiter, soweit sie die tatsächliche Aufsicht ausüben können (insb während sich die Kinder bei ihnen aufhalten, RGZ 98, 246, 247f). Nicht aufsichtspflichtig sind insb Lehrer an öffentlichen Schulen (ggf Haftung nach § 839 iVm Art 34 GG, s.o. Rn 2), Beistand, §§ 1712, 1716, Erziehungsbeistand, §§ 27, 30 SGB VIII, Gegenvormund, §§ 1792, 1799 aF, Erziehungshelfer, § 12 JGG. Die Aufsicht über sonstige Aufsichtsbedürftige obliegt idR einem Betreuer, §§ 1814 ff (Staud/Bernau § 832 Rz 26 ff; Erman/Wilhelmi § 832 Rz 3; BeckOK/Spindler § 832 Rz 7 mwN, auch zur aA); die Reichweite seiner Aufsichtspflicht entspricht derjenigen der Betreuungstätigkeit. Nicht aufsichtspflichtig sind bei diesem Personenkreis Pfleger (str, wie hier Erman/Wilhelmi § 832 Rz 3; aA Staud/Bernau § 832 Rz 26), Gegenvormund, §§ 1792, 1799 aF, Ehegatte (RGZ 70, 48, 49f). Eine Ausdehnung der Betreuungspflicht durch Landesrecht, zB auf Leiter von Altenheimen, Pflegestätten oder Heilanstalten, ist möglich (Celle NJW 61, 223 [OLG Celle 13.10.1960 - 1 U 185/59]).
b) Durch vertragliche Übernahme, § 832 II.
Rn 5
Die vertragliche Übernahme einer Aufsichtspflicht kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Der Vertrag kann mit dem Aufsichtsbedürftigen oder einem Dritten geschlossen werden (Köln OLGE 34, 120, 121); er muss wirksam sein (hM, BeckOK/Spindler § 832 Rz 12 mwN; aA Soergel/Krause § 832 Rz 14; Staud/Bernau § 832 Rz 47 f mwN; näher § 831 Rn 23), Anfechtbarkeit schadet nicht (BeckOK/Spindler § 832 Rz 12). An eine konkludente Übernahme stellt die Rspr relativ geringe Anforderungen (zB BGH NJW 68, 1874 [BGH 02.07.1968 - VI ZR 135/67]; 76, 1145, 1146 [BGH 02.12.1975 - VI ZR 79/74]; 85, 677, 678 [BGH 19.01.1984 - III ZR 172/82]), was wegen der fehlenden Analogieeignung des § 832 (s.o. Rn 1) nicht unbedenklich erscheint (vgl auch BeckOK/Spindler § 832 Rz 13). Die konkludente Übernahme sollte klar von der – für § 832 II nach hM nicht ausreichenden – tatsächlichen Übernahme ohne Rechtsbindungswillen abgegrenzt werden. Wenn zB Eltern fremde Kinder – auch wiederholt – mit ihren eigenen Kindern spielen lassen, haften sie für die fremden Kinder idR nicht nach § 832, sondern allenfalls nach § 823 (BGH NJW 68, 1874 f; aA Hamm VersR 00, 457). Häufige Fälle einer vertraglichen Übernahme: Pflege- oder Stiefeltern (LG Frankfurt aM NJW 19, 920, 920 f [BGH 19.12.2018 - IV ZR 255/17] mwN), Verwandte (bei nicht nur vorübergehender Aufnahme; einschr für Großvater, bei dem der Enkel das Wochenende verbringt, LG Frankfurt aM GRUR-RS 20, 30501), Träger von offenen psychiatrischen Kliniken (BGH NJW 85, 677, 678 f [BGH 19.01.1984 - III ZR 172/82]; Saarbr OLGR 07, 572, 573f) oder Krankenhäusern (BGH FamRZ 76, 210, 211 [BGH 02.12.1975 - VI ZR 79/74]), Heil- und Erziehungsanstalten (zB BGH VersR 65, 48 [BGH 27.10.1964 - VI ZR 146/63]; Kobl NJW-RR 97, 345 [OLG Koblenz 12.10.1995 - 5 U 1662/94]), betreuenden Behindertenwerkstätten (Hamm NJW-RR 94, 863, 864 [OLG Hamm 07.10.1993 - 6 U 73/93]), Privatschulen, Schülerpensionen oder -heimen (nicht aber zB einzelne Lehrer, BGH WRP 19, 1013 [BGH 10.01.2019 - I ZR 267/15] Rz 90), Fachkräfte in Kindergärten und -krippen (vgl BGH FamRZ 56, 340), Kinderfrauen, Tagesmütter, Betreuer in Pfadfinderlagern (LG Landau NJW 00, 2904 [LG Landau 16.06.2000 - 1 S 105/00]) oder bei sonstigen organisierten Jugendfreizeiten (Fr...