1. Voraussetzungen.
a) Haustier, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist.
Rn 13
Haustiere sind zahme Tiere, die von einer natürlichen oder juristischen Person zur Nutzung gezogen und gehalten werden (Kobl NJW-RR 92, 476; Ddorf VersR 95, 232, 233; Staud/Eberl-Borges § 833 Rz 118 ff; BeckOK/Spindler § 833 Rz 27 mwN). Keine Haustiere sind lediglich gezähmte Tiere (RGZ 158, 388, 391; Nürnbg NJW-RR 91, 1500, 1501; krit BeckOK/Spindler § 833 Rz 27), Tiere, die im Ausland als Haustiere gelten (Lorz NuR 89, 337, 338), oder Versuchstiere der wissenschaftlichen Forschung (Lorz aaO).
Rn 14
Die Haftung nach § 833 2 erfasst ausschließlich Nutztiere, also sog Berufstiere oder Tiere, die der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters dienen, nicht hingegen wilde Tiere (Werner NJW 12, 1048, 1049). Berufstier ist ein Tier, dessen Haltung spezifisch mit der Berufstätigkeit des Halters zusammenhängt (Köln VersR 99, 1293), zB Polizei-, Jagd- oder Hütehunde (zB BGH NJW 65, 2397; VersR 72, 1047, 1048; Bambg NJW-RR 90, 735; Brandbg DAR 08, 647; MDR 09, 633); eine Nutzung für gelegentliche Erwerbstätigkeit reicht nicht aus (Hamm BeckRS 09, 29385: ›hobbymäßige‹ Tätigkeit als Reitlehrer). Tiere, die der Erwerbstätigkeit dienen, sind in erster Linie Tiere in land- oder forstwirtschaftlichen oder gewerblichen Betrieben, sofern es sich nicht um bloße Nebenerwerbsbetriebe handelt (BGHZ 55, 96; Ddorf VersR 95, 186; Celle NJW 00, 1194) und die Tiere nicht lediglich zu Liebhaberzwecken gehalten werden (BGH VersR 55, 116; NJW 82, 763, 764; 1589; NJW-RR 17, 725 Rz 11 mwN). Die wirtschaftliche Nutzung des Tieres muss im Vordergrund stehen (BGH NJW-RR 05, 1183; Hamm NZV 07, 143, 145), auch wenn sie nicht die wesentliche Grundlage des Erwerbs oder gar Lebensunterhalts des Tierhalters bilden muss (BGH NJW-RR 17, 725 Rz 13 mwN). Vor allem aber muss die Tätigkeit des Tierhalters objektiv und subjektiv auf Gewinnerzielung ausgerichtet sein (BGH NJW-RR 17, 725 [BGH 14.02.2017 - VI ZR 434/15] Rz 13 mwN). Bsp: Zuchttiere, zur Veräußerung bestimmte Tiere eines Tierhändlers (RGZ 79, 246, 247), Rennpferde (Ddorf NJW-RR 01, 890 [OLG Düsseldorf 05.05.2000 - 22 U 148/99]), Wachhunde zum Schutz eines der genannten Betriebe (BGH VersR 65, 719, 720 [BGH 25.05.1965 - VI ZR 15/64]; NJW-RR 05, 1183 – iE abgelehnt), Katzen zum Schutz vor Mäusen oder Ratten (Oldbg VersR 60, 840), Reitpferde, die gewerbsmäßig vermietet werden (BGH NJW 86, 2501 [BGH 27.05.1986 - VI ZR 275/85]), abgel vom BGH zB für Pferde eines gemeinnützigen Vereins für therapeutisches Reiten oder Kinderreitunterricht (NJW 11, 1961 Rz 7 ff; vgl auch BGH NJW 82, 763, 764; Saarbr VersR 18, 1143f); gerade bei Idealvereinen erschiene jedoch eine Analogie zu § 833 2 vertretbar. Dem Unterhalt dienende Tiere sind insb landwirtschaftliche Nutztiere, wie zB Rinder (BGH NJW 09, 3233 [BGH 30.06.2009 - VI ZR 266/08] Rz 5), Hühner, Schweine (RGZ 79, 246, 247f), aber auch zB Blindenhunde (Staud/Eberl-Borges § 833 Rz 140 mwN; aA MüKo/Wagner § 833 Rz 49). Bei ›potentiell doppelfunktionalen‹ Tieren kommt es darauf an, welchem Zweck sie objektiv dienstbar gemacht werden und konkludent gewidmet sind (BGH VersR 55, 116; NJW-RR 05, 1183 [BGH 03.05.2005 - VI ZR 238/04] mwN; Nürnbg NJW-RR 10, 1248 stellt zu Recht auf die überwiegende Nutzung ab, nicht auf diejenige im konkreten Fall).
b) Weitere Haftungsvoraussetzungen.
Rn 15
Die übrigen Haftungsvoraussetzungen (Rechtsgutsverletzung, haftungsbegründende Kausalität, Tierhalter) entsprechen weitgehend denjenigen bei § 833 1; die Rechtswidrigkeit dürfte hier nach allgemeinen Kriterien zu prüfen sein. Die Verursachung der Rechtsgutsverletzung durch das Haustier wird – ebenso wie das bei § 833 2 zusätzlich erforderliche Verschulden des Tierhalters – vermutet. Das ist insb von Bedeutung, wenn nicht aufzuklären ist, ob sich eine spezifische Tiergefahr verwirklicht hat.
2. Entlastung des Tierhalters.
Rn 16
Eine Widerlegung der Kausalitätsvermutung (§ 833 2 Var 2) dürfte va in Betracht kommen, wenn der Tierhalter nachweisen kann, dass sich in der Rechtsgutsverletzung keine spezifische Tiergefahr verwirklicht hat. Entscheidend für die Widerlegung der Verschuldensvermutung (§ 833 2 Var 1) ist der Nachweis des Tierhalters, dass er bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet, dh keine diesbezügliche Verkehrspflicht verletzt hat; die Rspr stellt an die Entlastung relativ hohe Anforderungen (Staud/Eberl-Borges § 833 Rz 147 mN).
Rn 17
Die Verkehrspflichten des Tierhalters sind – wie stets (§ 823 Rn 113 ff) – unter Abwägung der Interessen aller Beteiligten zu ermitteln. Auf Seiten des Tierhalters sind insb die allg Gefährlichkeit der Tierart, die ihm bekannten individuellen Eigenschaften des Tieres sowie seine Verwendung und die damit verbundenen Risiken zu berücksichtigen (zB auch konkrete Einzelheiten der Weidetierhaltung, BGH NJW 09, 3233 [BGH 30.06.2009 - VI ZR 266/08] Rz 10 ff; Schlesw NJW-RR 11, 1398, 1399 [OLG Schleswig 20.04.2011 - 7 U 13/08; 7 U 25/09]). Auf Seiten des Geschädigten sind insb die bedrohten Rechtsgüter in Ansatz zu bringen (zB erhöhter Sicherheitsstandard bei...