1. Formen staatlichen Handelns.
Rn 19
Der Staat kann hoheitlich handeln. Das geschieht obrigkeitlich, wenn der Staat dem Bürger mit Zwangsgewalt gegenübertritt. Werden Aufgaben zwar in den Formen des Öffentlichen Rechts, aber ohne Zwangsmittel wahrgenommen, liegt schlicht-hoheitliches Handeln vor. Beispiele hierfür sind die Einrichtungen der Daseinsfürsorge. Bei obrigkeitlichem und schlicht-hoheitlichem Handeln in öffentlich-rechtlichen Formen wird nach Amtshaftungsmaßstäben gehaftet. Nutzt der Staat bei schlicht-hoheitlichen Maßnahmen allerdings privatrechtliche Formen (zB kommunale GmbHs), ist abzugrenzen, ob eine Amtshaftung eingreift oder ob es sich wie bei der fiskalischen Verwaltung oder der Teilnahme am wirtschaftlichen Wettbewerb durch Staatsunternehmen um reines Privatrecht ohne Amtshaftpflichtansprüche handelt. Ob das Handeln einer Person in Ausübung eines öffentlichen Amtes erfolgt, bestimmt sich danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der Betreffende tätig wird, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss (BGH VersR 11, 1140). Die Amtshaftung greift bei schlicht-hoheitlichem Handeln in privaten Formen ein, wenn der hoheitliche Charakter der Aufgabe im Vordergrund steht (Rn 11, Rn 17); zur Abgrenzung bei Teilnahme im Straßenverkehr: BGH NJW 92, 1227; bei Dienstfahrten: BGH VersR 01, 578). Wird hoheitliches Handeln bejaht, darf die Frage nicht aus den Augen gelassen werden, ob eine Drittwirkung gegeben ist (Rn 27).
2. Einzelne Amtspflichten und deren Verletzungstatbestände.
a) Pflicht zur gesetzmäßigen Verwaltung.
Rn 20
Der Beamte hat sich recht- und gesetzesmäßig zu verhalten. Dazu gehört es, die Grenzen der eigenen Zuständigkeit einzuhalten. Das ist nicht nur eine Formalie. Die Zuständigkeitsregeln haben auch den Sinn, dass der jeweilige Entscheidungsträger die erforderliche Fachkompetenz aufweist (BGHZ 117, 240). In derartigen Fällen ist jedoch besonders die Kausalität einschl des Einwandes des rechtmäßigen Alternativverhaltens zu prüfen (BGH NJW 71, 239 [BGH 02.11.1970 - III ZR 173/67], Rn 61). Weiter gehört zur Gesetzmäßigkeit die Pflicht zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung (BGH VersR 88, 963, Rn 95), die sich auch an die Behörden der Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten richtet (BGH NJW 94, 3162 [BGH 24.02.1994 - III ZR 76/92]).
b) Pflicht zur zügigen Bearbeitung.
Rn 21
Jedem Amtsträger obliegt die Amtspflicht, Anträge mit der gebotenen Beschleunigung zu bearbeiten und, sobald die Prüfung abgeschlossen ist, unverzüglich zu entscheiden (BGHZ 170, 260). Die zuständigen Stellen haben ferner die Amtspflicht, die zur Sachentscheidung berufene Behörde in den Stand zu setzen, ihre Sachentscheidung in angemessener Frist zu treffen (BGHZ 170, 260). Dabei können besondere Umstände insb in der Person des Antragstellers auch eine besondere Beschleunigung erfordern (BGH NJW 77, 557). In den meisten Fällen ist die Bearbeitungsdauer eines Antrages gesetzlich nicht geregelt. Soweit in einigen Gesetzen behördliche Bearbeitungsfristen von einem Monat (zB § 6 GrdstVG; § 69a IV Nds BauO) oder von drei Wochen (§ 12 BJagdG) oder von drei Monaten (§ 75 VwGO – Untätigkeitsklage) genannt werden, so kann das nur beispielhaft für die Vorstellungen des Gesetzgebers für angemessene Bearbeitungsfristen sein. Deutlich kürzere Fristen haben nach der Rspr Notare einzuhalten (Rn 118). Dasselbe gilt ganz allg, wenn für den Amtsträger die Eilbedürftigkeit erkennbar ist (BGH WM 83, 1157). Ansonsten ist Rspr zu Bearbeitungszeiten von Behörden, mit Ausnahme von Baubehörden, so gut wie nicht veröffentlicht. Unter diesen Voraussetzungen hat das LG Oldenburg eine Antragsbearbeitung von 14 Arbeitstagen bis zur Absendung nicht beanstandet (26.11.03 – 5 O 873/03 – Berufungsrücknahme nach Hinweisbeschluss des OLG gem § 522 ZPO), da eine Eilbedürftigkeit weder erkennbar noch mitgeteilt worden war.
c) Pflicht tätig zu werden; Amtspflicht zu konsequentem Handeln.
Rn 22
Ändern sich die Umstände, kann es amtspflichtwidrig sein, wenn die Behörde darauf nicht reagiert. So ergibt sich bspw nach BGH (NJW 92, 2218 [BGH 21.05.1992 - III ZR 158/90]) eine Verpflichtung, ein zunächst verweigertes gemeindliches Einvernehmen nach Veränderung der Sachlage erteilen zu müssen.
Rn 23
Eine Pflicht tätig zu werden, ergibt sich auch dann, wenn ein rechtswidriger Zustand, dessen Entstehung der Behörde zuzurechnen ist, durch Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes wieder zu beseitigen ist, wobei es auf die Rechtswidrigkeit der Folgen, nicht des Verwaltungshandelns, ankommt (Verletzung des Folgenbeseitigungsanspruchs, BGHZ 130, 332). Die Pflicht, notwendige Amtshandlungen vorzunehmen, schließt es ein, sich rechtzeitig und nachhaltig darum zu kümmern, dass Schäden vermieden werden. So sind Pflichten des Jugendamtes: Sicherstellung des Unterhalts bei Volljährigen (BGH NVwZ 90, 499) oder iRd Beistandschaft (BGH FamRZ 14, 290); Kontrolle der Betreuung von Pflegekindern (BGHZ 166, 268). Die Behörde muss konsequent handeln und eine in bestimmter W...