Rn 48
Nach III entfällt eine Ersatzpflicht, wenn der Geschädigte schuldhaft ein Rechtsmittel unterlassen hat. Es sind darunter alle Rechtsbehelfe zu begreifen, die sich unmittelbar gegen eine als Amtspflichtverletzung darstellende Handlung oder Unterlassung richten und das Ziel haben, diese zu beseitigen oder zu berichtigen und damit den Schaden abzuwenden (BGHZ 197, 375). Darunter fallen: schuldhaftes Unterlassen, einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu stellen oder sich gesondert gegen die Vollziehung eines Steuer- oder Haftungsbescheides zu wehren (BGHZ 156, 294); Gegenvorstellungen; Erinnerungen an die Erledigung eines Antrags; Beschwerden und Dienstaufsichtsbeschwerden (BGH VersR 04, 751; NJW 02, 1655; NJW 97, 2327). Nicht: Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch (BGHZ 197, 375, s.a. Rn 39), die Nichteinholung eines Privatgutachtens (BGH VersR 17, 1285) oder die Verfassungsbeschwerde.
Bei der Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO kommt es darauf an, ob eine zeitgerechte Entscheidung zu erwarten ist (BGH VersR 06, 117). Zu den Wirkungen eines Planfeststellungsverfahrens: BGHZ 161, 323).
Rn 49
Die Rechtsmittelversäumung muss kausal für den Schaden geworden sein. Daran fehlt es, solange eine Amtspflichtverletzung überhaupt noch nicht begangen ist, dagegen kann nämlich kein ›Rechtsmittel‹ eingelegt werden (BGH VersR 04, 751). Die Ersatzpflicht kann nach § 839 III nur verneint werden, wenn die Einlegung eines gebotenen Rechtsmittels den Eintritt des Schadens verhindert hätte. Bei der Frage, welchen Verlauf die Sache genommen hätte, wenn der Rechtsbehelf eingelegt worden wäre, kann nicht ohne weiteres – wie bei der Prüfung der Ursächlichkeit einer Amtspflichtverletzung (Rn 58) – zugrunde gelegt werden, wie über den Rechtsbehelf richtigerweise hätte entschieden werden müssen, sondern wie vermutlich die tatsächliche Entscheidung ausgefallen wäre (BGHZ 154, 54). Es muss auch die Rechtspraxis in der in Rede stehenden Frage zu dem Zeitpunkt in Betracht gezogen werden, in dem der Rechtsbehelf hätte angebracht werden müssen, wenn er den Eintritt des Schadens hätte verhindern sollen. War damals eine Rechtsfrage noch ungeklärt, ist dem bei der jetzigen Entscheidung Rechnung zu tragen (BGHZ 156, 294; VersR 10, 811). Desgleichen ist bei formlosen Rechtsbehelfen wie Gegenvorstellungen und Dienstaufsichtsbeschwerden zu prüfen, ob sie angesichts des Verhaltens der Behörde tatsächlich Erfolg gehabt hätten (BGH NJW 86, 1924 [BGH 16.01.1986 - III ZR 77/84]). Hätte das Rechtsmittel nur teilweise Erfolg gehabt, entfällt in dieser Höhe der Anspruch nach § 839 III (BGH aaO).
Rn 50
Der Anspruch entfällt nur bei einer schuldhaften Versäumung eines Rechtsmittels. Es ist zu prüfen, ob der Betroffene die nach den gegebenen Umständen sowie nach seinem Bildungsstand und seiner Geschäftsgewandtheit gebotene Sorgfalt beachtet hat (BGH VersR 97, 1239; Urt v 24.10.19 – III ZR 141/18). Auf Belehrungen und Erklärungen eines Beamten ihm ggü darf der Staatsbürger grds vertrauen, und es kann ihm idR nicht zum Verschulden gereichen, wenn er nicht klüger ist als der Beamte (BGHZ 113, 17). Andererseits wird der Schadensersatzanspruch aber nicht bereits durch den Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes ausgeschlossen; sonst würde § 839 III insoweit gegenstandslos werden. Vielmehr muss diese Bestandskraft zusätzlich auf einem vorwerfbaren Versäumnis des Verletzten iS eines ›Verschuldens gegen sich selbst‹ beruhen (BGH aaO). Es kommt darauf an, was einem Geschädigten zur Wahrung eigener Belange zuzumuten ist. Wie bei dem Einwand der anderweitigen Ersatzmöglichkeit (Rn 41 und BGH VersR 95, 1247) braucht sich der Geschädigte auf zweifelhafte Prozesse mit unsicherem Ausgang nicht einzulassen. Soweit er die Sach- und Rechtslage nicht versteht, hat er Rechtsrat einzuholen (vgl BGH VersR 02, 495).