Rn 32
Beim Verschulden gilt ein objektiver Maßstab, es genügt bereits ein objektiver Sorgfaltsverstoß (BGH NJW 03, 1308 [BGH 20.02.2003 - III ZR 224/01]). Jeder Amtsträger muss die Kenntnisse und Einsichten besitzen oder sich verschaffen, die für die Führung des übernommenen Amtes erforderlich sind (BGH NJW 05, 748 [BGH 09.12.2004 - III ZR 263/04]). Er hat bei der Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung die Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und danach auf Grund vernünftiger Überlegungen seine Entscheidungen zu treffen (BGH aaO).
Rn 33
Der Geschädigte muss den einzelnen Amtsträger, der ihm ggü die Pflichtverletzung begangen hat, nicht konkret bezeichnen, solange feststeht, dass der gesamte Haftungstatbestand in der Person irgend eines Amtsträgers der in Anspruch genommenen Körperschaft erfüllt ist (BGHZ 188, 302; NVwZ 96, 512).
Rn 34
Steht dem Beamten ein Ermessen zu, handelt er amtspflichtwidrig, wenn er sein Ermessen überhaupt nicht ausübt, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschreitet, von dem Ermessen in einer dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung nicht entspr Weise Gebrauch macht oder wenn er verkennt, dass sein Ermessen reduziert oder sogar auf eine bestimmte Verhaltensweise festgelegt ist, wie zB bei der ›Ermessensschrumpfung auf Null‹ oder bei (zulässiger) Selbstbindung der Verwaltung, von der er ohne zureichenden rechtlichen Grund nicht abw darf (BGHZ 118, 271; Verschulden bei Gefahrenabwehr: BGH VersR 18, 1445). Der Beamte handelt hiernach amtspflichtgemäß, solange er sich innerhalb dieser ›Bandbreite‹ pflichtgemäßen Ermessens hält, mag auch ein anderes pflichtgemäßes Verhalten denkbar sein.
Rn 35
Hat ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht das Verhalten als nicht schuldhaft gebilligt, kann dem Beamten im Amtshaftungsprozess regelmäßig kein Schuldvorwurf gemacht werden (BGHZ 187, 286). Ausnahmen: Es geht nicht um eine zweifelhafte und nicht einfach zu lösende Rechtsfrage; Entscheidungen im summarischen Verfahren; die Annahme des Kollegialgerichts, die Amtshandlung sei rechtmäßig gewesen, beruht auf einer unzureichenden tatsächlichen oder rechtlichen Beurteilungsgrundlage; der Sachverhalt ist verfahrensfehlerhaft nicht richtig und vollständig erfasst oder der festgestellte Sachverhalt nicht sorgfältig und erschöpfend gewürdigt; das Kollegialgericht hat die für die Beurteilung des Falles maßgebliche höchstrichterliche Rspr nicht erkannt oder zwar gesehen, ist ihr aber, ohne sich damit auseinanderzusetzen, gleichwohl nicht gefolgt (BGHZ 187, 286; NVwZ 02, 124; NVwZ-RR 00, 746). Überhaupt ist Voraussetzung, dass die konkret dem Streit zugrunde liegende Amtspflichtverletzung Gegenstand einer kollegialgerichtlichen Billigung gewesen ist, die Beurteilung eines Parallelfalles durch ein Kollegialgericht reicht nicht aus (BGH VersR 03, 1274). So wie die Rspr die Kollegialgerichtsrichtlinie begründet – ein Beamter braucht keine bessere Rechtskenntnis zu besitzen als ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht (BGH NVwZ 98, 878), fällt eine Einzelrichterentscheidung nicht darunter (BGH VersR 13, 1191). Voll überzeugend ist das nicht, denn es können nicht an jeden Amtsträger Anforderungen gestellt werden, wie an eine Person mit der Befähigung zum Richteramt.
Rn 36
Umgekehrt ergibt sich allerdings noch nicht zwingend ein Verschuldensvorwurf, wenn später ein Gericht die Entscheidung des Amtsträgers nicht teilt (BGH NJW 13, 3176). Ist die nach sorgfältiger Prüfung gewonnene Rechtsansicht des Amtsträgers vertretbar, so kann er bis zu einer anderweitigen Entscheidung der Gerichte an seiner Ansicht festhalten. Das gilt insb in den Fällen, in denen die objektiv unrichtige Rechtsanwendung eine Vorschrift betrifft, deren Inhalt zweifelhaft sein kann und noch nicht durch eine höchstrichterliche Rspr klargestellt ist (BGHZ 198, 1). Die Verneinung des Schuldvorwurfs setzt allerdings voraus, dass die letztlich als unzutreffend erkannte Rechtsmeinung nicht nur vertretbar, sondern auch aufgrund sorgfältiger rechtlicher und tatsächlicher Prüfung gewonnen worden war. Fehlt es an dieser weiteren Voraussetzung, kann ein Schuldvorwurf bereits unter diesem Gesichtspunkt begründet sein (BGH NJW 03, 1308). Hat sich zu einer Rechtsfrage in der Lit eine zutreffende und offenkundig allein sinnvolle hM gebildet, dann handelt ein Beamter, der von dieser Auffassung abweicht, auch dann schuldhaft, wenn es noch keine einschlägige höchstrichterliche Entscheidung gibt (BGHR BGB § 839 I 1 Verschulden 15). Der Verschuldensvorwurf bezieht sich iRd § 839 I nur auf die Erfüllung des haftungsbegründenden Tatbestandes durch die Amtspflichtverletzung, nicht dagegen braucht er sich auf den daraus entstandenen Schaden zu erstrecken (BGH NJW 03, 1308 [BGH 20.02.2003 - III ZR 224/01]). Wird eine behördliche Entscheidung auf mehrere selbstständig nebeneinander stehende Begründungen gestützt, fehlt ein Verschulden, wenn sich auch nur eine der tragen...