Prof. Dr. Martin Schöpflin
Gesetzestext
(1) Das Grundstockvermögen ist ungeschmälert zu erhalten. Der Stiftungszweck ist mit den Nutzungen des Grundstockvermögens zu erfüllen. Zuwächse aus der Umschichtung des Grundstockvermögens können für die Erfüllung des Stiftungszwecks verwendet werden, soweit dies durch die Satzung nicht ausgeschlossen wurde und die Erhaltung des Grundstockvermögens gewährleistet ist.
(2) Durch die Satzung kann bestimmt werden, dass die Stiftung einen Teil des Grundstockvermögens verbrauchen darf. In einer solchen Satzungsbestimmung muss die Stiftung verpflichtet werden, das Grundstockvermögen in absehbarer Zeit wieder um den verbrauchten Teil aufzustocken.
(3) Durch Landesrecht kann vorgesehen werden, dass die nach Landesrecht zuständigen Behörden auf Antrag einer Stiftung für einen bestimmten Teil des Grundstockvermögens eine zeitlich begrenzte Ausnahme von Absatz 1 Satz 1 zulassen können, wenn dadurch die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks nicht beeinträchtigt wird.
Rn 1
Abs I regelt erstmals bundesgesetzlich die Erhaltungspflicht für das Grundstockvermögen, die sich auf das Vermögen als Ganzes, nicht aber auf die einzelnen Vermögensgegenstände bezieht (RegE BTDrs 19/28173, 56). Daher kann die Zusammensetzung des Grundstockvermögens von den zuständigen Stiftungsorganen geändert werden (RegE BTDrs 19/28173, 56). Es ist von einer Pflicht zum realen, nicht nur zum nominalen Werterhalt auszugehen (Schauhoff/Mehren/Mehren Kap 7 Rz 68 ff). Das ist bei einer Anstaltsstiftung, die zB ein Grundstück oder Gebäude für bestimmte Zwecke zur Verfügung stellt, unproblematisch, weil bloße Schwankungen des Marktwerts des Grundstücks den Gebrauchswert für die Stiftung nicht beeinträchtigen und diese nur verpflichtet ist, den Gebrauchswert zu erhalten (RegE BTDrs 19/28173, 57; BoKoStiftR/Fritz/Werner Rz 2). Bei der Kapitalstiftung, die den Zweck mit den Erträgen verfolgt, sieht der Gesetzgeber ein Spannungsverhältnis zwischen dem Ziel, möglichst hohe Erträge zu erzielen, und dem Kapitalerhalt (kein Verlust von Grundstockvermögen) (RegE BTDrs 19/28173, 57; eingehend zu den Anlagezielen Ertrag, Sicherheit, Nachhaltigkeit BoKoStiftR/Fritz/Werner Rz 14 ff). Dieses entspricht dem Zielkonflikt beim ›magischen Dreieck‹ der Vermögensanlage (Liquidität/Sicherheit/Rendite). Konkrete Verwaltungsmaßnahmen sind stiftungsindividuell mit Blick auf den Stiftungszweck und die bestehenden Anlagemöglichkeiten zu treffen, wobei die Anforderungen in der Satzung insb durch ein Vermögenserhaltungskonzept festgeschrieben werden können (RegE BTDrs 19/28173, 57).
Rn 2
Nach I 2 ist der Stiftungszweck mit den Nutzungen (§ 100) des Grundstockvermögens zu erfüllen, also mit den Früchten (Erträgen) und Gebrauchsvorteilen. Folglich muss sich das Stiftungsvermögen aus Gegenständen zusammensetzen, die unmittelbar zur Erfüllung des Stiftungszwecks gebraucht werden können oder Erträge zur Erfüllung des Stiftungszwecks erbringen (RegE BTDrs 19/28173, 57). Ggf muss die Stiftung Erträge zu Grundstockvermögen bestimmen (§ 83b II Nr 3), um den Gebrauchswert des Grundstockvermögens zu erhalten oder zu erhöhen (RegE BTDrs 19/28173, 57).
Rn 3
Aus I 3 folgt die Zulässigkeit von Vermögensumschichtungen, da die Verwendung der Umschichtungsgewinne geregelt wird. Diese dürfen zur Erfüllung des Stiftungszwecks verwendet werden und müssen nicht in das Grundstockvermögen eingestellt werden, wenn dessen Erhalt gesichert ist und die Satzung nicht entgegensteht.
Rn 4
Nach Abs 2 muss das Grundstockvermögen in absehbarer Zeit wieder entspr aufgestockt werden, wenn satzungsgemäß ein Teil des Grundstockvermögens verbraucht werden darf und verbraucht wurde (Abweichung vom Erhaltungsgrundsatz bei temporärem Verbrauch von Grundstockvermögen [BoKoStiftR/Fritz/Werner Rz 41]). Die Ermächtigung kann durch Satzungsänderung nachträglich eingefügt werden; die dauerhafte und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks muss weiter gewährleistet sein (RegE BTDrs 19/28173, 58).
Rn 5
Abs 3 erlaubt, entspr landesrechtliche Vorschriften über zeitlich begrenzte Ausnahmen von der Erhaltung des Grundstockvermögens beizubehalten (RegE BTDrs 19/28173, 58).