I. Besitzverhältnis.
Rn 5
Das Gesetz erklärt im Falle der Besitzdienerschaft nur den Besitzherren zum unmittelbaren Besitzer, während der Besitzdiener in rechtlicher Hinsicht keinerlei Besitz hat. Ihm stehen daher auch nicht die Rechte aus dem Besitz zu (Ausn § 860).
II. Besitzerwerb.
Rn 6
Mit der tatsächlichen Annahme der Sache durch den Besitzdiener erwirbt der Besitzer den unmittelbaren Besitz. Dieser Besitzerwerb ist keine Stellvertretung, sondern eine eigenständige Wirkung des § 855. Ein entgegenstehender Wille des Besitzdieners bei der Ansichnahme der Sache ist ohne Bedeutung, solange der Besitzdiener sich iRd Weisungen des Besitzherren hält (s.o. Rn 4). Soweit der Besitzherr durch den Besitzdiener auch das Eigentum gem § 929 erlangen will, bedarf es zusätzlich zur Übergabe der Sache an den Besitzdiener auch noch einer Vertretungsmacht des Besitzdieners für die dingliche Einigung.
III. Besitzverlust.
Rn 7
Gibt der Besitzdiener die Ausübung der tatsächlichen Gewalt dauerhaft auf oder verliert er diese in anderer Weise (§ 856) oder wird das Abhängigkeits- und Weisungsverhältnis zum Besitzherrn beendet, so verliert der Besitzherr den Besitz an der Sache. Ebenfalls zum Besitzverlust führt es, wenn der Besitzdiener nach außen erkennbar den Willen hat, die tatsächliche Gewalt über die Sache nicht mehr für den Besitzherrn auszuüben. Eine erkennbare und auf Dauer gerichtete Willensänderung ist also für den Besitzherrn relevant. Ein Besitzverlust des Besitzherrn ist allerdings insoweit nicht gegeben, als die Sache selbst noch in einer vom allgemeinen Besitzwillen des Besitzherrn beherrschten Gewahrsamssphäre verbleibt. In einem solchen Falle würde erst das Fortschaffen der Sache zum Besitzverlust führen.
IV. Besitzschutz und Vermutung.
Rn 8
Dem Besitzdiener stehen keinerlei Ansprüche aus dem Besitz zu. Er ist also auch nicht zur Geltendmachung der Besitzschutzansprüche (§§ 861, 862) legitimiert. Will ein Dritter auf Herausgabe der Sache klagen, so ist diese Klage ausschl gegen den Besitzherrn zu richten. Einzige Ausnahme für den Besitzdiener ist § 860 (Selbsthilferecht). Schließlich gilt auch die Vermutungswirkung des § 1006 nur für den Besitzherrn, nicht für den Besitzdiener.
V. Kenntnis und guter Glaube.
Rn 9
Soweit es im Rechtssinne auf Kenntnis oder Kennenmüssen sowie auf den guten oder den bösen Glauben einer Person ankommt, ist jeweils grds auf den Besitzherrn abzustellen. Ein bösgläubiger Besitzherr kann sich also nicht auf die Gutgläubigkeit seines Besitzdieners berufen. Umgekehrt muss sich der gutgläubige Besitzherr den bösen Glauben des Besitzdieners nicht generell zurechnen lassen. Beruht allerdings das Verhalten des Besitzdieners auf der Befolgung von Weisungen des Besitzherrn, so muss eine Zurechnung bejaht werden (BGHZ 32, 53; abw noch BGHZ 16, 259, wo der Gedankengang aus § 831 angewendet wird).
VI. Abhandenkommen.
Rn 10
Auch für die Frage des Abhandenkommens iSd § 935 ist allein der Wille des Besitzherrn entscheidend, wenn der Besitzdiener die Sache weggibt (Köln VersR 94, 1248; München NJW 87, 1830; RGZ 71, 248, 253; 106, 4, 6). Die Auffassung der Rspr und hM, wonach der Schutz Dritter hier nicht bedeutsam sei, ist berechtigt, weil es einen guten Glauben an das Bestehen des Besitzes nicht gibt (abw im Erg MüKo/Schäfer § 855 Rz 23).