Prof. Dr. Martin Schöpflin
Gesetzestext
(1) Die Vorschrift des § 31 findet auf den Fiskus sowie auf die Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts entsprechende Anwendung.
(2) Das Gleiche gilt, soweit bei Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts das Insolvenzverfahren zulässig ist, von der Vorschrift des § 42 Absatz 2.
A. Anwendungsbereich.
Rn 1
Fiskus ist der privatrechtlich handelnde Staat (Bund und Länder). Öffentlich-rechtliche Körperschaften sind mitgliedschaftlich strukturierte rechtsfähige Verbände, va die Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Landkreise, Gemeinden), die Kirchen, Hochschulen, Kammern (IHK, Handwerks-, Rechtsanwalts- und Ärztekammern) und Sozialversicherungsträger (Krankenkassen, Berufsgenossenschaften, Rentenversicherung). Anstalt ist ein rechtsfähiger Bestand von persönlichen und sachlichen Mitteln, die einem besonderen Zweck gewidmet sind. Sie hat keine Mitglieder, sondern Benutzer. Bsp: kommunale Sparkassen, Rundfunkanstalten. Stiftungen sind vom Staat oder anderen Verwaltungsträgern einem bestimmten öffentlichen Zweck gewidmete rechtsfähige Vermögensmassen, zB die Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
B. Haftungssystem.
Rn 2
Bei hoheitlichem Handeln (§ 839 Rn 19) haftet die juristische Person nach § 839 iVm Art 34 GG, der Handelnde haftet idR nicht, weil Art 34 GG seine Haftung ausschließt. Bei privatrechtlichem Handeln gilt § 89, so dass die juristische Person für Vertragsverletzungen und unerlaubte Handlungen verfassungsmäßig berufener Vertreter nach §§ 89, 31 iVm mit der jeweiligen Anspruchsgrundlage haftet. Für andere Personen gelten §§ 278, 831. Die Handelnden selbst haften nicht für Vertragsverletzungen. Bei unerlaubten Handlungen haften Beamte (§ 839 Rn 11) nach § 839, Nichtbeamte nach §§ 823 ff. Für die Abgrenzung zwischen hoheitlichem und privatrechtlichem Handeln kommt es darauf an, ob die Körperschaft in privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Form handelt (§ 839 Rn 11, 19; BeckOK/Backert Rz 18)
C. Verfassungsmäßig berufene Vertreter.
Rn 3
Der Begriff ist wie bei § 31 weit auszulegen (§ 31 Rn 3) und erfasst jede Person, der durch Organisationsnormen der juristischen Person bestimmte eigenverantwortlich zu erledigende Aufgaben übertragen sind (RGZ 157, 228, 237). Fehlt es an einer satzungsmäßigen Grundlage, kann der Bedienstete aber gleichwohl unter §§ 30, 31 fallen, wenn die Repräsentantenhaftung (§ 31 Rn 3) eingreift. Ob ein Amtsträger die Behörde repräsentiert, entscheidet die Verkehrsanschauung (BeckOK/Backert Rz 20). Zur Organleihe s. BGH VersR 06, 803. Die Lehre vom Organisationsmangel (§ 31 Rn 6) gilt ebenfalls.
Rn 4
Beispiele (BeckOK/Backert Rz 23; Soergel/Hadding Rz 55 ff): Bund, Länder und Gemeinden: Bürgermeister, Stadtdirektor, Intendant des Stadttheaters, Liegenschaftsbeamter mit allg Vertragsabschlussvollmacht, Landrat, Oberförster, LG- und OLG-Präsident, Schulleiter; Kirche: Pfarrer, Gemeinderats- und Kirchenvorstandsmitglieder; Krankenhaus: Chefarzt (BGH NJW 87, 2925 [BGH 30.06.1987 - VI ZR 257/86]); Belegarzt ausnahmsweise, wenn er zugleich Geschäftsführer ist (Frankf MedR 06, 294 [OLG München 08.10.2004 - 1 W 1961/04]); Sparkassen: Vorstände, Zweigstellenleiter.
Rn 5
Handeln außerhalb des Zuständigkeitsbereichs führt bei juristischen Personen des Öffentlichen Rechts zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts und schließt damit eine Anwendung des § 89 aus (BeckOK/Backert Rz 21). Bei bloßen Überschreitungen der Vertretungsmacht kommt § 89 dagegen in Betracht, so haftet eine Gemeinde für Betrugshandlungen des Bürgermeisters, die gerade darin bestanden, dass er die nach der Gemeindeordnung fehlende rechtliche Verbindlichkeit der allein von ihm abgegebenen Erklärungen vorspiegelt (BGH NJW 86, 2939 [BGH 08.07.1986 - VI ZR 18/85]; näher BeckOK/Backert Rz 22).
D. Insolvenz.
Rn 6
Für Bund und Länder ist das Insolvenzverfahren ausgeschlossen (§ 12 I Nr 1 InsO), für andere juristische Personen des öffentlichen Rechts dann, wenn das Landesrecht es vorsieht (§ 12 I Nr 2 InsO), was meistens der Fall ist. Nur für die übrigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts hat daher die Verweisung auf die Insolvenzantragspflicht des § 42 II Bedeutung.