Rn 5
§ 892 setzt einen wirksamen rechtsgeschäftlichen Erwerb aufgrund eines Verkehrsgeschäfts vom voreingetragenen Nichtberechtigten voraus.
I. Rechtsgeschäft.
Rn 6
Das Rechtsgeschäft muss auf dingliche Rechtsänderung gerichtet sein (BGH DNotZ 97, 385). Der bloße Übergang der Verfügungsbefugnis genügt nicht (vgl RGZ 61, 43f). Ebensowenig genügt ein schuldrechtliches Rechtsgeschäft, selbst wenn es – wie Miete und Pacht – verfügungsähnlich wirkt (RGZ 106, 112; aA wohl MüKo/Lettmaier Rz 25, § 893 Rz 12). § 893 gilt nicht für den Erwerb kraft Gesetzes, aufgrund Hoheitsaktes und durch Enteignung (s.a. § 883 Rn 14).
1. Erwerb kraft Gesetzes.
Rn 7
§ 892 gilt nicht bei der Universalsukzession (zB § 738 – beachte nF zum 1.1.24 = § 712, §§ 1416, 1922 UmwG), Erbteilsübertragung (BayObLG Rpfleger 60, 157), Erwerb von Anteilen an Gesamthandsgemeinschaften (BGH NJW 97, 861), Aneignung nach § 928 und der Legalzession einer Grundschuld nach §§ 1192, 1150, 268 III (BGH NJW 86, 1487 [BGH 12.12.1985 - IX ZR 15/85]). § 892 gilt wegen des Spezialitätsgrundsatzes jedoch bei der Einbringung eines Handelsgeschäfts in ein anderes (BayObLG NJW-RR 89, 907 [BayObLG 10.05.1989 - BReg. 2 Z 118/88]). Bei der Ablösung einer Hypothekenforderung geht die Hypothek auch auf den Ablösenden über, wobei dieser jedoch nach §§ 1147, 1138, 892 f geschützt ist. Auch die Vormerkung kann durch Abtretung des gesicherten Anspruchs gutgläubig erworben werden, obwohl der Rechtsübergang nach § 401 formal kraft Gesetzes erfolgt (s § 885 Rn 12).
2. Zwangsvollstreckung.
Rn 8
Bei dem Erwerb kraft Zuschlags in der Zwangsversteigerung gilt § 892 nicht (BayObLG DNotZ 94, 246f) und selbst der bösgläubige Ersteher erwirbt Eigentum (RGZ 129, 164 f; aA MüKo/Lettmaier Rz 30), wobei er jedoch uU aus § 826 zur Rückübereignung verpflichtet ist (RGZ 69, 280f). Bei der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen schützt § 892 den Vollstreckungsgläubiger nicht, so dass er keine Zwangs- oder Arresthypothek erwirbt, die an einem schuldnerfremden Grundstück eingetragen wird (BGH WM 63, 219 f; Staud/Gursky Rz 85), weil nicht rechtsgeschäftlich entstandene Ansprüche bezüglich des konkreten Grundstücksrechts vollstreckt werden. Werden dagegen Ansprüche auf rechtsgeschäftliche Begründung oder Übertragung eines bestimmten Grundstücksrechts vollstreckt, schützt § 892 den Vollstreckungsgläubiger (vgl §§ 894, 895, 898 ZPO). Das gilt auch für die zwangsweise Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek (Wilhelm NJW 75, 2322 ff [BGH 20.03.1975 - III ZR 215/71]).
II. Verkehrsgeschäft.
Rn 9
§ 892 gilt nur für ein Verkehrsgeschäft (RGZ 136, 150). Auf Veräußerer- und Erwerberseite müssen unterschiedliche Rechtssubjekte stehen, die auch wirtschaftlich verschieden sein müssen, so dass auch wirtschaftlich eine Rechtsübertragung stattfindet. Ohne Verkehrsgeschäft ist der Erwerber nicht schutzwürdig, weil er die tatsächlichen Rechtsverhältnisse selber kennen müsste (RGZ 117, 265f). Die Unentgeltlichkeit steht einem Verkehrsgeschäft nicht entgegen, führt aber zu der Herausgabehaftung nach § 816 I 2. Kein Verkehrsgeschäft liegt bei der Übertragung von Rechten auf einen uneigennützigen Treuhänder (Ostendorf NJW 74, 217 ff, str) oder bei Verfügungsgeschäften zwischen juristischen Personen und allen ihren Mitgliedern vor (RGZ 143, 206 f; vgl Soergel/Stürner Rz 21). Bei Verfügungen zwischen der juristischen Person und nur einzelnen ihrer Mitglieder ist § 892 grds anwendbar, selbst wenn das Mitglied mit großer Mehrheit (zB ¾) an der juristischen Person beteiligt ist (RG JW 30, 3740; JW 29, 1387 f; MüKo/Lettmaier Rz 38). Kein Verkehrsgeschäft liegt ferner in der Änderung des Rechtsverhältnisses, in dem mehreren Personen ein Recht zusteht (zB Bruchteilsgemeinschaft in Gesamthandsgemeinschaft), sofern vorher und nachher dieselben oder weniger (RGZ 129, 119 ff) Personen beteiligt sind (MüKo/Lettmaier Rz 37). Demgemäß ist auch die Auseinandersetzung von Gesamthandsvermögen wie zB die Auseinandersetzung einer Gütergemeinschaft unter Eheleuten (BGH ZNotP 07, 339f) oder die Erbauseinandersetzung unter Miterben (BayObLG JW 28, 522) kein Verkehrsgeschäft. Erwirbt jedoch ein Bruchteilseigentümer einen weiteren Bruchteil, liegt ein Verkehrsgeschäft vor und es gilt § 892 (BGH ZNotP 07, 339 f; Grüneberg/Herrler Rz 8; aA Soergel/Stürner Rz 24). Ferner liegt grds ein Verkehrsgeschäft vor, wenn auf der Erwerberseite mehr Personen als auf der Veräußererseite beteiligt sind (RGZ 117, 267). Kein Verkehrsgeschäft ist der Erwerb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge (BayObLG NJW-RR 86, 882 [BayObLG 17.04.1986 - BReg 2 Z 79/85]; RGZ 136, 150; str) oder die Verfügung des Bucheigentümers zu seinen Gunsten. Dies gilt auch, wenn sich der Veräußerer dingliche Rechte vorbehält oder zu seinen Gunsten bestellt werden (zB Restkaufpreishypothek; KG JFG 5, 432; Soergel/Stürner Rz 23).
III. Voreintragung.
Rn 10
Der Verfügende muss zum Zeitpunkt der Eintragung des Rechtserwerbs im Grundbuch voreingetragen sein. § 892 gilt nicht, wenn nach Beantragung der Eintragung das Grundbuch dahin gehend berichtigt wird, dass der Verfügende nicht mehr als Rechts...