Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
Gesetzestext
Sachen im Sinne des Gesetzes sind nur körperliche Gegenstände.
A. Normzweck.
Rn 1
Der Begriff der Sache ist maßgebend dafür, woran Eigentum, ein beschränkt dingliches Recht oder Besitz bestehen kann. Die Legaldefinition gilt uneingeschränkt für das 3. Buch des BGB. Außerhalb des Sachenrechts (zB §§ 119 II, 434, 598, 607) und im Handelsrecht wird der Sachbegriff zT auch auf unkörperliche Sachen erstreckt. Auch im Öffentlichen Recht ist der Begriffsinhalt eigenständig nach dem Normzweck zu bestimmen.
B. Begriffsbestimmung.
I. Körperliche Gegenstände.
Rn 2
Körperlichkeit erfordert räumliche Abgrenzung und Beherrschbarkeit des Gegenstands. Maßgebend ist die Verkehrsanschauung. Die Abgrenzung kann von Natur aus bestehen oder durch die Fassung in einem Behältnis bzw Hilfsmittel wie Grenzsteine oder die Einzeichnung in Karten, Katastern oder Plänen erfolgen. Keine Sachen sind Luft im Raum, fließendes Wasser, Grundwasser und Schnee. Auch eine Umformung wie bei einer gespurten Langlaufloipe, soll diese mangels Abgrenzung nicht zur Sache machen (zw BayObLG NJW 80, 132; MüKo/Stresemann Rz 9; offen BGH NJW-RR 89, 673 [BGH 08.12.1988 - III ZR 193/87]). Stehendes Wasser (Teiche, Seen) ist beherrschbar und daher eigentumsfähig (NK/Ring Rz 109). Ein Meeresstrand ist dann als körperliche Sache anzusehen, wenn er vor seiner naturbedingten Umwandlung eines Dünengrundstücks im Privateigentum stand (Schlesw NJW-RR 03, 1170, 1171). Sacheigenschaft ist unabhängig vom Aggregatzustand, flüssige oder gasförmige Substanzen fallen hierunter, sofern sie zB durch Rohrleitungen oder Staubecken abgegrenzt sind.
II. Nicht körperliche Gegenstände.
Rn 3
Nicht erfasst werden Energien wie Elektrizität, Wärme. Hieran ist Eigentum oder Besitz nicht begründbar. Die durch technische Anlagen gewonnene Wind- oder Sonnenenergie kann aber als sonstiger Gegenstand iSv § 453 I 1 Alt 2 Gegenstand von Rechtsgeschäften sein (BGH NJW-RR 93, 1160 [BGH 30.06.1993 - XII ZR 161/91]). Nicht unter den Sachbegriff fallen weiter Immaterialgüterrechte, wie Patent, Gebrauchsmuster, Design und Marke, das Urheberrecht, das Namensrecht, die Firma sowie die sonstigen Vermögensrechte, Forderungen, Gestaltungsrechte etc. Nicht vollständig geklärt ist die Einordnung sog. virtueller Sachen, worunter zB Items oder Avatare in virtuellen Welten, insb in Computerspielen fallen, die Gegenstände separater Rechtsgeschäfte sein können. Nach zutreffender Ansicht dürfte eine direkte oder analoge Anwendung des § 90 ausscheiden und es sich vielmehr um Immaterialgüter handeln (Lober/Weber MMR 05, 653; Völzmann FS Eisenhardt [07], 327). Das Gleiche gilt für virtuelle Grundstücke. Werden derartige Objekte über NFT (non-fungible-Token) veräußert, gewährleistet das zwar die für Sachen charakteristische Exklusivität, es fehlt aber weiterhin an der Körperlichkeit, sodass eine Einordnung als Sache oder Recht ausscheidet (Guntermann RDi 22, 200; Denga BKR 22, 288, 290). Die vermeintliche Lücke in der Einordnung derartiger Immaterialgüter wird dadurch geschlossen, dass diese als digitale Produkte iSd § 327 eingeordnet werden können.
Rn 3a
Bei vernetzten Geräten wird die immaterielle Komponente, die bestimmte Nutzungen ermöglicht, nicht vom Sachbegriff umfasst (BGH, NJW 22, 3575 [BGH 26.10.2022 - XII ZR 89/21] zur Fernabschaltung einer Autobatterie iR eines Smart Contracts).
Rn 3b
Über die Fiktion des § 2 Abs 3 eWpG gelten elektronische Wertpapiere, worunter auch Kryptowerte fallen, als Sachen iSd § 90 (Casper/Richter ZBB 22, 65). Die Reichweite dieser Fiktion ist problematisch, da sie den Zuschnitt zahlreicher Vorschiften des Sachenrechts auf körperliche Sachen, etwa im Bereich des Besitzschutzes, nicht widerspiegelt (hierzu Omlor RDi 21, 371; Lennartz DNotZ 22, 886).
III. Sach- und Rechtsgesamtheiten.
Rn 4
In einer Sachgesamtheit sind mehrere selbstständige Sachen zu einem gemeinsamen wirtschaftlichen Zweck verbunden, zB einem Warenlager (s. § 92 II). Die Sachgesamtheit ist keine Sache iSd § 90. Die einzelnen Sachen bleiben rechtlich selbstständig, nur an ihnen können dingliche Rechte begründet werden. Gleiches gilt für Sach- und Rechtsgesamtheiten wie das Unternehmen, den Kundenstamm oder ›good will‹ eines Handelsgeschäfts und reine Rechtsgesamtheiten wie das Vermögen. Die Gesamtheit selbst ist kein Verfügungsgegenstand, sondern kann nur Gegenstand schuldrechtlicher Vereinbarungen sein (HP/Fritzsche Rz 21).
IV. Problemfälle.
1. Software und Daten.
Rn 5
Computerprogramme, Daten und Informationen sind nach hM keine Sache, sondern das Ergebnis einer geistigen Schöpfung des Urhebers und damit ein Immaterialgut (Rostock BeckRS 21, 42957; Redeker NJW 92, 1739; Junker NJW 93, 824; BeckOKBGB/Fritzsche Rz 28; aA König NJW 93, 3124; Erman/J.Schmidt Rz 3). Der BGH bejaht die Sacheigenschaft jedenfalls bei Verkörperung in einem Datenträger (BGHZ 102, 135, 144, NJW 93, 2436; NJW 07, 2394; aA Müller-Hengstenberg/Kirn NJW 07, 2370) oder durch einen Ausdruck (BGH NJW 19, 47). Soweit es um die Überlassung von Computerprogrammen gegen einmaliges Entgelt geht, war das Problem durch die Schuldrechtsreform 2002 durch § 453 I gelöst. Kaufrecht fand auch bei Überspielen des Programms auf Festplatte (...