I. Begriff.
Rn 1
Die Vorschrift enthält keine Definition des Eigentums, sondern beschreibt den wesentlichen Inhalt der dem Eigentümer zustehenden Rechte. Das Eigentum iSd BGB ist ein dingliches und damit absolutes Recht, welches ggü jedermann wirkt. Es ist das Vollrecht an einer Sache, das umfassendste Herrschaftsrecht, welches die Rechtsordnung kennt. Eine Teilberechtigung an einer Sache (Nutzungs- oder Gebrauchsrecht) ist in der Form des Eigentums nicht möglich; sie lässt sich nur durch die Einräumung beschränkter dinglicher Rechte von dem Eigentumsrecht abspalten.
II. Inhalt.
Rn 2
Der wesentliche Inhalt des Eigentumsrechts geht in zwei Richtungen. Zum einen kann der Eigentümer mit seiner Sache nach Belieben verfahren (positive Eigentümerbefugnis). Das gilt sowohl für tatsächliche als auch für rechtliche Handlungen. Er kann die Sache nutzen, benutzen, beschädigen, vernichten und verbrauchen; er kann auch über sie verfügen, indem er sein Recht verändert, belastet, überträgt oder aufhebt, zB ein Grundstück real teilt (BGH NJW-RR 13, 588 [BGH 13.12.2012 - V ZB 49/12]). Zur Nutzungsbefugnis gehören auch die Rechte des Grundstückseigentümers auf Teilnahme an dem Gemeingebrauch an der sein Grundstück erschließenden Straße (BGH NJW-RR 11, 1476, 1477 [BGH 01.07.2011 - V ZR 154/10]) sowie auf Umgestaltung und Nutzungsänderung eines Gebäudes (BGH WRP 19, 756, 761 [BGH 21.02.2019 - I ZR 98/17]). Zum anderen kann der Eigentümer andere Personen von jeder Einwirkung auf die Sache ausschließen (negative Eigentümerbefugnis). Dies ist der bedeutendere Teil der Vorschrift. Der Umfang des Ausschließungsrechts bestimmt sich nach dem positiven Inhalt des Eigentums; deshalb kann der Eigentümer grds jede beliebige Einwirkung abwehren. Er kann zB entscheiden, wer zu welchen Bedingungen sein Grundstück betreten und wer die wirtschaftlichen Vorteile aus dem Betreten ziehen darf (BGH NJW 15, 2037; MDR 20, 917 Hausrecht). Auch die Anmaßung fremden Eigentums ist eine Eigentumsbeeinträchtigung (BGH WM 23, 1705, 1707), ebenso die Benutzung einer Gebäudefassade als Projektionsfläche (BVerfG NJW 24, 1028f). Kann der Eigentümer seinen Anspruch auf Beseitigung einer Einwirkung (§ 1004 I 1) wegen Verjährung nicht mehr durchsetzen, muss er gleichwohl die Störung nicht hinnehmen, sondern darf die Eigentumsbeeinträchtigung durch Beseitigung des störenden Zustands beenden (BGH WM 19, 668, 669); etwas Anderes gilt nur, wenn der Eigentümer die Beeinträchtigung dulden muss (BGH NJW-RR 14, 1043f [BGH 16.05.2014 - V ZR 181/13]). Damit gewährt das Eigentum seinem Inhaber eine umfassende Rechtsmacht sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht.
Rn 3
Befinden sich Sachen verschiedener Eigentümer in räumlicher Nähe, kann die positive Wirkung der Vorschrift für den einen Eigentümer (mit der Sache nach Belieben zu verfahren) mit der negativen Wirkung für den anderen Eigentümer (andere von jeder Einwirkung auszuschließen) kollidieren. Es liegt auf der Hand, dass diese Konstellation in erster Linie bei der Benutzung benachbarter (nicht notwendig aneinander grenzender, RGZ 154, 161; BGH NJW 03, 1392 [BGH 31.01.2003 - V ZR 143/02]) Grundstücke auftritt. Das erfordert die inhaltliche Begrenzung der beiden Eigentümerrechte durch ein auf die nachbarlichen Verhältnisse abgestimmtes Gebot zur gegenseitigen Rücksichtnahme. Dem tragen die §§ 905 ff Rechnung. Danach reicht das uneingeschränkte Recht des Eigentümers zur Benutzung seines Grundstücks nur so weit, wie das keine grenzüberschreitenden Einwirkungen auf benachbarte Grundstücke zur Folge hat. Ist die Benutzung dagegen mit einer Grenzüberschreitung verbunden, tritt das Benutzungsrecht des einen Eigentümers ggü dem Ausschließungsrecht des anderen Eigentümers zurück.
Rn 4
Auch der umgekehrte Fall ist denkbar, dass nämlich das Ausschließungsrecht des einen Eigentümers ggü dem Benutzungsrecht des anderen Eigentümers beschränkt ist. Dadurch wird das Eigentum an dem betroffenen Grundstück inhaltlich begrenzt. Das ist dann der Fall, wenn sich die Benutzung eines Grundstücks zwar innerhalb seiner Grenzen hält, sie aber zu negativen oder ideellen Einwirkungen auf ein benachbartes Grundstück führt. Unter negativen Einwirkungen versteht man das Abhalten natürlicher Zuführungen und Vorteile auf ein Grundstück sowie das Verhindern von natürlichen Ableitungen von einem Grundstück infolge der – nicht grenzüberschreitenden – Benutzung eines benachbarten Grundstücks; sie gelten nach hM nicht als Eigentumsbeeinträchtigung und können deshalb nicht nach § 1004 I abgewehrt werden. Dazu gehören die Entziehung von Licht, Luft (BGH MDR 15, 1175, 1176), Wind (Frankf NJW-RR 00, 1542), die Einschränkung des Ausblicks (BGH NJW 03, 1313, 1314), die Verhinderung des Luftabflusses von einem Grundstück (BGHZ 113, 384), die Abschattung von Funkwellen (BGHZ 88, 344), die Entziehung von Grundwasser durch die Förderung von Grundwasser auf einem benachbarten Grundstück (BayObLGZ 65, 7) und die Beeinträchtigung der Uneinsehbarkeit eines Grundstücks (Köln NJW-RR ...