Rn 13
Der Eingriff in das Sacheigentum ist rechtmäßig, wenn er zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr notwendig war. Der Eigentümer der Sache muss die Einwirkung dulden; er darf sie nicht abwehren. Deshalb stehen ihm die Selbsthilferechte nach §§ 227, 859 nicht zu. Auch Schadensersatzansprüche des Eigentümers gegen den Einwirkenden nach § 823 sind mangels Rechtswidrigkeit der Einwirkung ausgeschlossen. Eigentums- und Besitzstörungsansprüche nach §§ 862 I, 1004 I bestehen nicht, weil der Eigentümer die Einwirkung dulden muss (§§ 1004 II, 863 iVm 859).
Rn 14
Neben dem Eigentümer sind auch diejenigen Personen zur Duldung der Einwirkung verpflichtet, denen ein dingliches oder obligatorisches Recht an der Sache zusteht (BGHZ 36, 217, 221).
Rn 15
Ansprüche des Einwirkenden gegen den Eigentümer nach §§ 228, 823 kommen in Betracht, wenn dieser die Einwirkung trotz seiner Duldungspflicht abwehrt.
Rn 16
Nach hM gewährt § 904 1 dem Einwirkenden einen klagbaren Anspruch gegen den Eigentümer auf Duldung der Einwirkung (Staud/Althammer Rz 32 mwN). Die praktischen Folgen dieser Klagemöglichkeit sind allerdings gering. Wenn zur Gefahrenabwehr – wie meistens – ein sofortiges Handeln notwendig ist, reicht die Zeit für die Beschaffung eines vollstreckbaren Titels (Urt oder einstw Verfügung) nicht aus. Dauert die Gefahr jedoch länger an und muss jederzeit mit einem Schadenseintritt gerechnet werden (Rn 6), kann die Zeit für die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe ausreichen.
Rn 17
Nach § 904 2 steht dem Sacheigentümer ein – verschuldensunabhängiger – Schadensersatzanspruch zu. Daneben sind auch der Besitzer der Sache (BGH NJW-RR 02, 1576 [BGH 12.07.2002 - V ZR 441/00]) sowie alle dinglich Berechtigten anspruchsberechtigt, soweit sie zur Duldung der Einwirkung verpflichtet sind. Kein Anspruch besteht allerdings dann, wenn derselbe Schaden auch ohne die Einwirkung entstanden wäre (RGZ 156, 187, 191).
Rn 18
Zu ersetzen sind sowohl unmittelbare als auch mittelbare Schäden; Voraussetzung der Ersatzpflicht ist lediglich eine adäquate Schadensverursachung (BGHZ 36, 217, 221).
Rn 19
Fraglich ist, gegen wen sich der Schadensersatzanspruch bei fehlender Identität zwischen dem Einwirkenden und dem Begünstigten richtet. Diejenigen, die sich für das Prinzip der Eingriffshaftung aussprechen, also den Einwirkenden in Anspruch nehmen (BGHZ 6, 102, 105; BayObLGZ 02, 35, 44; Nürnbg OLGR 99, 324; Erman/R. Wilhelmi Rz 10), geben ihm einen Rückgriffsanspruch nach §§ 677, 683 bzw nach §§ 812 ff gegen den Begünstigten. Dieser soll also letztendlich den Schaden tragen müssen. Deshalb sehen andere ihn als Anspruchsgegner an (Staud/Althammer Rz 38). Dem ist entgegenzuhalten, dass diese Auffassung dem in der Vorschrift verkörperten Aufopferungsgedanken widerspricht. An die Stelle des ausgeschlossenen Abwehrrechts des Sacheigentümers tritt der Schadensersatzanspruch (vgl Rn 2). Das Abwehrrecht richtet sich jedoch nicht gegen den Begünstigten, sondern gegen den Einwirkenden. Deshalb ist er der Gegner des Schadensersatzanspruchs aus § 904 2; eine direkte Haftung des Begünstigten besteht nicht (MüKo/Brückner Rz 19).
Rn 20
Die Haftung des Einwirkenden ist verschuldensunabhängig. Ist er für den von ihm verursachten Schaden wegen Krankheit, Rausches oder Minderjährigkeit nicht verantwortlich (§§ 827, 828), haftet er nur nach Maßgabe des § 829 (MüKo/Brückner Rz 20; Staud/Althammer Rz 39).
Rn 21
Mitverschulden des Eigentümers an dem Schadenseintritt ist nach § 254 zu berücksichtigen. Deshalb ist der Schadensersatzanspruch der Höhe nach zu mindern bzw entfällt er vollständig, wenn der Eigentümer die zu der Einwirkung führende Gefahrenlage mit oder allein verursacht hat.