Gesetzestext
1Das Recht des Eigentümers eines Grundstücks erstreckt sich auf den Raum über der Oberfläche und auf den Erdkörper unter der Oberfläche. 2Der Eigentümer kann jedoch Einwirkungen nicht verbieten, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, dass er an der Ausschließung kein Interesse hat.
A. Allgemeines.
Rn 1
Die Vorschrift konkretisiert die positiven und negativen Eigentümerbefugnisse nach § 903 (§ 903 Rn 2). Sie gewährt jedoch kein Eigentum an der Luft über dem Grundstück und an dem Erdreich unter dem Grundstück. Vielmehr weist 1 dem Eigentümer das Herrschaftsrecht an dem Raum über und unter seinem Grundstück zu (RGZ 132, 398). Begrenzt wird es nach 2 dadurch, dass für seine Ausübung ein konkretes Interesse des Grundstückseigentümers bestehen muss.
Rn 2
§ 905 gilt sowohl für das private als auch für das öffentliche Eigentum an Grundstücken, also am Verwaltungsvermögen öffentlich-rechtlicher Gebietskörperschaften sowie an den aufgrund öffentlich-rechtlicher Widmung im Gemeingebrauch stehenden Straßen, Wegen und Gewässern (zB Ufermauer zwischen Gewässer und Ufergrundstück, BGH WM 15, 1776). Ggü dem Gemeingebrauch an öffentlichen Grundstücken tritt das Eigentum zurück (RGZ 125, 108, 111). Reklameankündigungen, die von Häusern der Straßenanlieger aus in den Luftraum über der Straße reichen, sind von dem Straßeneigentümer als Ausfluss des Gemeingebrauchs unentgeltlich zu dulden (BGHZ 22, 395, 399).
B. Luftraum, Erdkörper.
Rn 3
Luftraum iSd Vorschrift ist die senkrechte Luftsäule, die sich über dem Grundstück innerhalb seiner Grenzen befindet. Das Herrschaftsrecht des Grundstückseigentümers daran ist allerdings – über § 905 2 hinaus – aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften vielfach eingeschränkt. So muss er, entspr der in § 1 LuftVG normierten Freiheit des Luftraums, die Benutzung des Luftraums über seinem Grundstück durch Luftfahrzeuge entschädigungslos dulden. Hinsichtlich durch den Luftraum über dem Grundstück führender Leitungen können sich Duldungspflichten aus § 76 TKG, aus § 32 PBefG und aus § 126 BauGB ergeben. Dagegen dürfen Energieversorgungsunternehmen den Luftraum über Grundstücken nicht ohne Zustimmung des Grundstückseigentümers benutzen (vgl BGHZ 66, 37, 40f).
Rn 4
Erdkörper iSd Vorschrift ist das Erdreich, das sich innerhalb der Grundstücksgrenzen unter der Erdoberfläche befindet; auch unterirdische Hohlräume gehören dazu (BGH WM 81, 129, 130). Das Grundwasser unter der Grundstücksoberfläche wird von dem Herrschaftsbereich des Grundstückseigentümers jedoch nicht erfasst (BVerfGE 58, 300, 332f [BVerfG 15.07.1981 - 1 BvL 77/78]). Dasselbe gilt für die bergfreien Bodenschätze, die in § 3 III BBergG aufgeführt sind; nur die grundeigenen Bodenschätze iSv § 3 IV BBergG stehen im Eigentum des Grundstückseigentümers, der insoweit auch das Recht zum Abbau hat (BGHZ 90, 17, 21). Im Gegensatz zu der gesetzlich nicht gestatteten Nutzung des Luftraums (vgl Rn 3) dürfen Energieversorgungsunternehmen den Erdkörper unter dem Grundstück ihrer Abnehmer für die Verlegung von Versorgungsleitungen benutzen (§ 12 NAV, § 12 NDAV, § 8 AVBWasserV, § 8 AVBFernwärmeV).
C. Verbietungsrecht.
Rn 5
Beschreibt 1 lediglich das Herrschaftsrecht des Grundstückseigentümers, ergibt sich aus der negativen Formulierung in 2 ohne weiteres dessen Verbietungsrecht. Allerdings enthält § 905 keine selbstständige Anspruchsgrundlage; die Durchsetzung des Verbietungsrechts erfolgt über §§ 823, 907 ff, 1004 I. Die Einwirkung in den Luftraum oder in den Erdkörper muss nicht zwingend von einem anderen Grundstück ausgehen.
Rn 6
Wann das Verbietungsrecht wegen fehlenden Interesses des Eigentümers ausgeschlossen ist, richtet sich nach der allg Verkehrsanschauung entspr den Umständen des jeweiligen Einzelfalls. Zu berücksichtigen ist jedes Eigentümerinteresse, das als solches erkennbar ist (RGZ 59, 116,118). Dabei ist nicht nur die gegenwärtige Grundstücksnutzung maßgeblich; einzubeziehen sind auch solche Umstände, die erst in Zukunft eine Behinderung besorgen lassen (BGHZ 125, 56, 64). Nutzt der Eigentümer den Luftraum oder den Erdkörper selbst, besteht immer ein konkretes Interesse iSd Vorschrift; das gilt auch für den Fall, dass der Eigentümer die Nutzung seines Grundstücks einem Dritten überlassen hat (BGH NJW 81, 573). Durch Versorgungsleitungen in einer Tiefe von 2–3 m wird grds die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks in einer in Ansehung des Grundstückseigentums rechtserheblichen Weise eingeschränkt (OVG Sachsen-Anhalt 4 L 204/22, juris, Rz 47f). Selbst wenn der Grundstückseigentümer eine Einwirkung längere Zeit unbeanstandet geduldet hat, schließt das sein Verbietungsrecht nicht aus; etwas anderes gilt nur dann, wenn die Duldung ihren Grund in einer Zustimmung zu der Einwirkung hat.
D. Ersatzansprüche.
Rn 7
Eine Einwirkung, die der Eigentümer nach § 905 1 verbieten kann, verpflichtet den Einwirkenden zum Schadensersatz nach § 823. Dasselbe gilt für erlaubte Einwirkungen (§ 905 2), wenn dadurch ein Schaden verursacht wird (aA Staud/Roth Rz 39). Ein verschuldensunabhängiger Ersatzanspruch ist aus dem Gesichtspunkt de...