Rn 33
An Stelle des durch die Duldungspflicht ausgeschlossenen Abwehranspruchs erhält der beeinträchtigte Grundstückseigentümer gegen den Benutzer des beeinträchtigenden Grundstücks einen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch in Geld, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt. Die Vorschrift dient dem Interessenausgleich unter Nachbarn und beruht auf dem Gedanken von Treu und Glauben (§ 242) im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis (BGHZ 157, 188, 193). Dieser Interessenausgleich ist nicht notwendig in dem Verhältnis zwischen Wohnungseigentümern untereinander, wenn es um die Vorteile und Risiken des gemeinschaftlichen Eigentums geht; dessen ordnungsgemäße Nutzung und Erhaltung liegt nämlich im Interesse aller Eigentümer, weshalb bei der Beeinträchtigung des Sondereigentums durch einen Mangel am Gemeinschaftseigentum dem Sondereigentümer kein Ausgleichsanspruch – auch nicht in entspr Anwendung von II 2 (Rn 41 ff) – besteht (BGHZ 185, 371, 376f). Der Ausgleichsanspruch kommt nur in Betracht, wenn nicht eine andere gesetzliche Bestimmung den konkreten Fall abschließend regelt (BGHZ 161, 323, 329). Auch neben den in einem Planfeststellungsverfahren eröffneten Rechtsbehelfen (§§ 74 II, 75 II VwVfG) scheidet ein Ausgleichsanspruch nach II 2 grds aus (BGH NJW 10, 1141 [BGH 30.10.2009 - V ZR 17/09]).
a) Ortsüblichkeit der Benutzung des beeinträchtigten Grundstücks.
Rn 34
Im Gegensatz zu den Voraussetzungen der Duldungspflicht nach II 1 kommt es hier nicht auf die ortsübliche Benutzung des Grundstücks, von welchem die Einwirkungen ausgehen, sondern auf die des beeinträchtigten Grundstücks an. Die Voraussetzungen, unter denen die Ortsüblichkeit zu bejahen ist, sind hier jedoch dieselben wie dort (s Rn 23 ff). Zusätzlich ist allerdings anzumerken, dass eine besonders immissionsanfällige Grundstücksnutzung die Ortsüblichkeit nicht ohne weiteres ausschließt (vgl BGHZ 90, 255), sondern nur dann, wenn diese Nutzung in der Umgebung einzigartig und deshalb nicht ortsüblich ist (BGHZ 117, 110, 114). Zur Abwehr von unzumutbaren Beeinträchtigungen sind dem betroffenen Grundstückseigentümer je nach den die Ortsüblichkeit bestimmenden Umständen selbst aufwändige Maßnahmen zuzumuten; das geht jedoch nicht so weit, dass Abwehrmaßnahmen in einem solchen Ausmaß verlangt werden können, dass jede schädigende Einwirkung verhindert wird (BGHZ 66, 70, 78).
b) Unzumutbare Beeinträchtigungen.
Rn 35
Ausgleichspflichtig ist nur eine über das zumutbare Maß hinausgehende Beeinträchtigung. Ob diese Voraussetzung vorliegt, bestimmt sich nicht nach der konkreten Grundstücksnutzung. Vielmehr ist auf einen verständigen durchschnittlichen Benutzer dieses Grundstücks in seiner konkreten Beschaffenheit, Ausgestaltung und Zweckbestimmung abzustellen. Damit gilt hier derselbe Maßstab wie für die Beurteilung der Unwesentlichkeit iSv I 1 (BGH VersR 07, 657; s Rn 12 ff). Weiter sind die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, so dass es eine Rolle spielen kann, ob etwaige Besonderheiten zu der Sphäre des Einwirkenden oder zu der des Beeinträchtigten gehören (BGHZ 49, 148, 153). Die Unzumutbarkeit ist nicht erst dann zu bejahen, wenn dem Beeinträchtigten die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz droht oder wenn er in seinem wirtschaftlichen Fortkommen schwer beeinträchtigt wird (BGHZ 49, 148, 154). Für die Unzumutbarkeit der Beeinträchtigung kann es auch darauf ankommen, ob die beeinträchtigte Grundstücksnutzung in Kenntnis des Vorhandenseins einer Immissionsquelle aufgenommen wurde (BGH NJW 77, 894). Bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit spielen Gesichtspunkte wie der, dass derjenige Grundstückseigentümer, der die mit dem ›Wohnen im Grünen‹ verbundenen Annehmlichkeiten in Anspruch nimmt, bis zu einem gewissen Grad auch die damit verbundenen Nachteile, soweit sie auf natürlichen Gegebenheiten beruhen, in Kauf nehmen müsse, oder das gewachsene Umweltbewusstsein der Bevölkerung jedenfalls dann keine Rolle, wenn die Einwirkungen auf der nicht ordnungsgemäßen Benutzung des emittierenden Grundstücks beruhen (BGHZ 157, 33, 46f).
c) Anspruchshöhe.
Rn 36
Der Ausgleichsanspruch gewährt dem Beeinträchtigten eine angemessene Entschädigung in Geld, deren Höhe sich nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung bemisst (BGH NJW 09, 762, 765 [BGH 19.09.2008 - V ZR 28/08]); sie kann im Einzelfall die Höhe des vollen Schadensersatzes erreichen, wenn die zu duldende Einwirkung (Rn 16–32) zu einer Substanzschädigung geführt hat (BGHZ 142, 66, 70). Ein Schmerzensgeld gewährt der Anspruch nicht (BGH NJW 10, 3160). Von einem Schadensersatzanspruch unterscheidet sich der Ausgleichsanspruch darin, dass der Ausgleich die durch die zu duldende Einwirkung eingetretene Vermögenseinbuße beseitigen soll, während der Schadensersatz auf die Wiederherstellung des Zustands gerichtet ist, der bestünde, wenn die Einwirkung nicht zu der unzumutbaren Beeinträchtigung geführt hätte (BGHZ 147, 45, 53). Ausgeglichen wird nur der unzumutbare Teil der Beeinträchtigung (Rn 35), weil der Beeinträchtigte d...