I. Anlage.
Rn 7
Anlagen sind von Menschenhand künstlich geschaffene Werke von gewisser Selbstständigkeit und Dauer (BGH BB 65, 1125). Nicht erforderlich ist, dass die Anlagen für einen bestimmten Zweck benutzt werden. Der Anlagenbegriff erfasst in erster Linie Bauwerke wie Gebäude und Gebäudeteile, aber auch zB Gartenteiche (BGHZ 120, 239, 250), Erdaufschüttungen und eine Vielzahl beweglicher Sachen, wenn sie zur dauerhaften Lagerung aufgeschichtet wurden.
Rn 8
Nicht zu den Anlagen iSd Vorschrift gehören die natürliche Bodenbeschaffenheit wie zB ein Felshang (RGZ 134, 231, 234f), Bodenvertiefungen iSd § 909, einzelne bewegliche Sachen wie Baumaterialien (BGH DB 69, 920, 921) und alles, was nicht von Menschenhand, sondern von Naturgewalten (zB Erdbeben) geschaffen wurde.
Rn 9
Nach der ausdrücklichen Regelung in II gehören Bäume und Sträucher nicht zu den Anlagen iSd Vorschrift. Die durch sie hervorgerufenen Einwirkungen auf benachbarte Grundstücke fallen unter §§ 910, 911, 923.
II. Nachbargrundstücke.
Rn 10
Nicht nur unmittelbar an das beeinträchtigte Grundstück angrenzende Grundstücke fallen unter den Begriff ›Nachbargrundstücke‹, sondern alle Grundstücke, deren Anlagen auf andere Grundstücke einwirken können.
III. Bestand und Nutzung.
Rn 11
Die Vorschrift findet nicht nur dann Anwendung, wenn von der Benutzung der Anlage unzulässige Einwirkungen ausgehen, sondern auch, wenn die Einwirkungen ausschl auf dem Vorhandensein (Bestand) der Anlage beruhen. Das ist zB bei künstlich angelegten Gewässern hinsichtlich der von ihnen ausgehenden Feuchtigkeit der Fall.
IV. Unzulässige Einwirkungen.
Rn 12
Was unzulässige Einwirkungen iSd Vorschrift sind, ergibt sich aus den allgemeinen Vorschriften über Eigentum und Nachbarrecht. In erster Linie sind hier die §§ 903, 905, 906 zu nennen (BGHZ 113, 384, 386). Anders als bei § 906 (§ 906 Rn 7) erfasst der Begriff der Einwirkungen hier auch Grobimmissionen. Ebenso wie dort (§ 906 Rn 8) können jedoch auch hier ideelle Einwirkungen wie die Verletzung des sittlichen oder ästhetischen Empfindens nicht abgewehrt werden. Vielmehr müssen die Anlagen in sinnlich wahrnehmbarer Weise über die Grundstücksgrenze auf die benachbarten Grundstücke unmittelbar positiv einwirken können (BGHZ 113, 384, 386). Das soll nach hM die Abwehr negativer Einwirkungen (Entzug von Licht, Luft, Wind, Aussicht und Abschattung von Funkwellen) ausschließen. Diese Ansicht ist nicht uneingeschränkt haltbar (s § 903 Rn 5, § 906 Rn 8).
Rn 13
Ist landesrechtlich bestimmt, dass gewisse Beeinträchtigungen, die von einer Anlage auf dem Nachbargrundstück ausgehen, nicht abgewehrt werden können, kann das Verbietungsrecht des Nachbarn nicht aus § 907 hergeleitet werden. Denn die landesgesetzlichen Vorschriften sind als spezielle Sondernormen anzusehen, welche abschließend bestimmen, was als unzulässige Einwirkung iSd § 907 anzusehen ist (BGH NJW-RR 00, 537, 538 [BGH 12.11.1999 - V ZR 229/98]).
V. Sichere Voraussehbarkeit.
Rn 14
Die unzulässige Einwirkung ist dann mit Sicherheit vorauszusehen, wenn ihr Eintritt in einem Maß wahrscheinlich ist, welches der Sicherheit gleichsteht (RGZ 154, 254, 256). Das ist weniger als die unbedingte Gewissheit, welche hinsichtlich künftiger Ereignisse sowieso nicht zu erreichen ist. Deshalb reicht die sichere Möglichkeit aus.
Rn 15
Die sichere Voraussehbarkeit stellt auf den ordnungsgemäßen Zustand und auf die ordnungsgemäße Benutzung der Anlage ab (BGHZ 51, 396, 399). Sie fehlt deshalb grds bei ordnungsgemäß verlegten Rohrleitungen zur Durchleitung von Gas (RGZ 172, 156, 158) oder Wasser (Oldbg NJW 58, 1096). Anders ist es jedoch, wenn sicher voraussehbar ist, dass die Anlage nicht ordnungsgemäß benutzt werden wird und die unzulässigen Einwirkungen darauf zurückzuführen sind; in diesem Fall ist § 907 anwendbar (Staud/Roth Rz 30). Die beinahe schon zur Gewissheit erstarkte Voraussehbarkeit, dass jede technische Anlage irgendwann einmal versagen und dadurch eine unzulässige Einwirkung hervorrufen kann, genügt nicht, um das Tatbestandsmerkmal der sicheren Voraussehbarkeit zu bejahen.