Gesetzestext
(1) 1Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. 2Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt.
(2) 1Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. 2Die Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung.
A. Allgemeines.
Rn 1
Die Vorschrift beschränkt die negativen Befugnisse des Eigentümers (§ 903 Rn 2) des Grundstücks, über welches der Notweg führt, indem sie ihn zur Duldung der Benutzung seines Grundstücks durch den Nachbarn verpflichtet, dessen Grundstück keine Verbindung mit einem öffentlichen Weg hat. Nur wenn die Zugangslosigkeit nicht anders behoben werden kann, kommt ein Notwegrecht in Betracht (BGH WuM 21, 630, 632 [BGH 16.04.2021 - V ZR 85/20]). Als Ausgleich erhält der Duldungspflichtige eine Entschädigung in Form einer Geldrente (II). Ein Notwegrecht kann sich weder aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis (§ 903 Rn 14 ff) noch aus dem Schikaneverbot (§ 226), sondern nur unter den Voraussetzungen des Abs 1 ergeben (BGH MDR 22, 953, 954).
Rn 2
Maßgeblicher Gesichtspunkt für die Regelung ist das überwiegende Interesse an einer sinnvollen Nutzung des verbindungslosen Grundstücks. Allerdings geht der Schutz des Eigentümers des verbindungslosen Grundstücks nicht so weit, dass ihm ein eigenmächtiges Benutzungsrecht iSv § 858 I eingeräumt wird. Vielmehr gewährt die Vorschrift lediglich einen Anspruch auf Duldung der Benutzung des Nachbargrundstücks, der ggf gerichtlich durchgesetzt werden muss.
Rn 3
§ 917 gilt nicht nur für einen Weg über das Nachbargrundstück; Inhalt des Rechts kann auch die Befugnis sein, Ver- und Entsorgungsleitungen über das Nachbargrundstück, ggf durch Gebäude, zu führen (BGH MDR 18, 789f). In diesem Fall spricht man von einem Notleitungsrecht. Eines Rückgriffs auf § 917 bedarf es allerdings nur, soweit kein Landesrecht eingreift (BGHZ 177, 165, 167 ff), wonach die Benutzung fremder Grundstücke an weniger enge Voraussetzungen geknüpft ist (Näheres bei Staud/Roth Rz 7). Kein Notleistungsrecht haben die Träger der Strom-, Wasser- und Telekommunikationsversorgung für Leitungen und Anlagen, durch die sie ihre Kunden an ihre Verteilungsnetze anschließen, weil sie aufgrund besonderer Vorschriften (§ 8 AVBWasserV, § 12 NAV, § 76 TKG) zur Inanspruchnahme von fremden Grundstücken berechtigt sind (BGH WM 12, 1926, 1927).
B. Berechtigter und Verpflichteter.
Rn 4
Der Anspruch auf Duldung der Benutzung des Nachbargrundstücks steht dem Eigentümer des verbindungslosen Grundstücks zu. Mehrere Miteigentümer können ihn – abw von § 1011 – nur gemeinsam geltend machen, weil anderenfalls ein einziger Miteigentümer die Verpflichtung der anderen Miteigentümer zur Zahlung der Notwegrente (II) begründen könnte (BGH NZM 06, 820). Das ist jedoch unzulässig. Neben dem Eigentümer steht der Duldungsanspruch auch dem Erbbauberechtigten zu, nicht aber anderen dinglich oder obligatorisch Berechtigten wie Nießbrauchern, Dienstbarkeitsberechtigten, Mietern und Pächtern (BGH NJW-RR 06, 1160, 1161 [BGH 05.05.2006 - V ZR 139/05]); sie sind allerdings berechtigt, den dem Grundstückseigentümer zustehenden Notweg zu benutzen (BGH NJW 63, 1917, 1918 [BGH 10.07.1963 - V ZR 32/62]).
Rn 5
Duldungspflichtig ist der Eigentümer des Grundstücks, welches zwischen dem verbindungslosen Grundstück und dem öffentlichen Weg liegt. Handelt es sich um mehrere Grundstücke, muss jeder ihrer Eigentümer die Benutzung seines Grundstücks dulden (BGH NZM 16, 640, 643 [BGH 22.04.2016 - V ZR 189/15]). Kommen mehrere Grundstücke für die Benutzung in Betracht, ist duldungspflichtig derjenige Eigentümer, den der Notweg am geringsten belastet (MüKo/Brückner Rz 34). Erbbau- und Dienstbarkeitsberechtigte an dem Grundstück, über welches der Notweg verläuft, können nicht allein auf Duldung in Anspruch genommen werden, sondern nur zusammen mit dem Grundstückseigentümer (II iVm § 916). Von anderen dinglich und von obligatorisch Berechtigten kann die Duldung der Benutzung des Grundstücks nicht verlangt werden; sie müssen jedoch ein bestehendes Notwegrecht respektieren.
C. Tatbestand des Abs 1.
I. Fehlende Verbindung mit einem öffentlichen Weg.
Rn 6
Die Verbindung fehlt, wenn die tatsächliche oder die rechtliche Zugangsmöglichkeit zu einem öffentlichen Weg nicht gegeben ist. Kann die Verbindung aufgrund der Festsetzungen eines Bebauungsplans nicht geschaffen werden, muss der Eigentümer des verbindungslosen Grundstücks eine Befreiung davon notfalls im Klageweg anstreben (BGH WuM 21, 630, 632f [BGH 16.04.2021 - V ZR 85/20]). Besteht ein Wegerecht, reicht das aus, um die fehlende Verbindung zu verneinen.
Rn 7
Die Verbindung fehlt zum einen dann, wenn das Grundstück überhaupt keine Verbindung mit einem öffentlichen Weg hat, weil andere Grundstücke dazwischen liegen. Sie fehlt zum anderen auch dann, we...