Gesetzestext
(1) Die Verpflichtung zur Duldung des Notwegs tritt nicht ein, wenn die bisherige Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Weg durch eine willkürliche Handlung des Eigentümers aufgehoben wird.
(2) 1Wird infolge der Veräußerung eines Teils des Grundstücks der veräußerte oder der zurückbehaltene Teil von der Verbindung mit dem öffentlichen Weg abgeschnitten, so hat der Eigentümer desjenigen Teils, über welchen die Verbindung bisher stattgefunden hat, den Notweg zu dulden. 2Der Veräußerung eines Teils steht die Veräußerung eines von mehreren demselben Eigentümer gehörenden Grundstücken gleich.
A. Willkürliche Aufhebung der Verbindung (Abs 1).
Rn 1
Hat der Eigentümer des Grundstücks, welchem die für die ordnungsmäßige Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt (§ 917 Rn 6 ff), die verbindungslose Situation willkürlich herbeigeführt, besteht kein Anspruch gegen den Nachbarn auf Duldung der Benutzung des Nachbargrundstücks mit einem Notweg, auch nicht nach den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses (München OLGRep 07, 750; s § 903 Rn 14 ff). Willkür liegt dann vor, wenn die Handlung, welche zu der Verbindungslosigkeit geführt hat, bei der gebotenen Rücksichtnahme auf die Interessen des Nachbarn für die ordnungsmäßige Benutzung des nunmehr verbindungslosen Grundstücks nicht notwendig war; willkürlich ist somit jede auf freier Entscheidung beruhende Maßnahme, die der ordnungsgemäßen Grundstücksbenutzung widerspricht und die gebotene Rücksichtnahme auf nachbarliche Interessen außer Acht lässt (BGH NZM 06, 820, 821). Fehlt einem bebauten Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg deshalb, weil die in der bestandskräftigen Baugenehmigung vorgesehene Zuwegung schon bei der Bebauung technisch nicht herstellbar war oder jedenfalls nicht (mehr) hergestellt werden kann, ist das Notwegrecht nicht ausgeschlossen (BGH MDR 1086, 1087).
Rn 2
Willkürlich ist es zB, wenn die bisherige Verbindung zu einem öffentlichen Weg ohne zwingende Gründe durch ein Bauwerk oder durch eine andere Anlage abgeschnitten wird, ohne dass sich der Grundstückseigentümer eine andere entspr Verbindung verschafft (BGH DB 75, 2469). Es ist ebenfalls willkürlich, wenn der Eigentümer ein bestehendes Wegerecht oder einen bereits bestehenden Notweg aufgibt (BGHZ 53, 166, 171f).
Rn 3
Willkürliches Handeln des Eigentümers wirkt auch zu Lasten seines Einzelrechtsnachfolgers; anderenfalls könnte der Eigentümer die für sein Grundstück nachteiligen Folgen seines Handelns durch Veräußerung abwenden (BGH DB 75, 2469).
Rn 4
Nicht willkürlich ist es, wenn die verbindungslose Situation durch die objektiv ordnungsmäßige Änderung der Nutzungsart des Grundstücks (RG JW 14, 529) oder durch die öffentlich-rechtlich geforderte Änderung von Grundstücksgrenzen (LG Frankfurt MDR 69, 925) eintritt.
B. Verbindungsverlust durch Veräußerung eines Grundstücksteils (Abs 2).
Rn 5
Wird die Verbindung mit dem öffentlichen Weg dadurch abgeschnitten, dass der Eigentümer einen Teil seines Grundstücks veräußert, gewährt ihm II 1 ein Notwegrecht ggü dem Erwerber des Grundstücksteils, über welchen bisher der öffentliche Weg erreicht werden konnte; dasselbe gilt nach II 2 für den Fall, dass der Eigentümer eines von mehreren ihm gehörenden Grundstücken veräußert. Das schließt einen Duldungsanspruch gegen andere Nachbarn aus (BGHZ 53, 166, 170f).
Rn 6
Nicht notwendig ist, dass der Eigentümer den veräußerten Grundstücksteil bis zur Veräußerung tatsächlich als Zugang zu seinem Restgrundstück genutzt hat; ausreichend ist vielmehr die bloße tatsächliche und rechtliche Möglichkeit des Zugangs über diesen Grundstücksteil, auch wenn der Eigentümer vor der Veräußerung ohne ein entspr dingliches oder obligatorisches Recht oder lediglich aufgrund eines obligatorischen Rechts über ein ihm nicht gehörendes Nachbargrundstück zu seinem Grundstück gelangt war (BGHZ 53, 166, 171).
Rn 7
Der Duldungsanspruch erfordert auch in diesem Fall, dass sämtliche Voraussetzungen für das Entstehen des Notwegrechts nach § 917 I erfüllt sind (dazu § 917 Rn 6 ff). Das Merkmal der Willkür iSv I (Rn 2 ff) spielt insofern eine Rolle, als sich zwar die anderen Nachbarn, nicht aber der Erwerber des Grundstücksteils, über welchen die Verbindung zu dem Restgrundstück bisher erfolgte, darauf berufen können, die Veräußerung des Grundstücksteils sei willkürlich.
Rn 8
Die Duldungspflicht nach II führt zur Rentenpflicht des Berechtigten (§ 917 Rn 29 ff).