Gesetzestext
Werden zwei Grundstücke durch einen Zwischenraum, Rain, Winkel, einen Graben, eine Mauer, Hecke, Planke oder eine andere Einrichtung, die zum Vorteil beider Grundstücke dient, voneinander geschieden, so wird vermutet, dass die Eigentümer der Grundstücke zur Benutzung der Einrichtung gemeinschaftlich berechtigt seien, sofern nicht äußere Merkmale darauf hinweisen, dass die Einrichtung einem der Nachbarn allein gehört.
A. Allgemeines.
Rn 1
Die Vorschrift schafft eine gesetzliche Vermutung für das Recht von Grundstücksnachbarn zur gemeinschaftlichen Benutzung von Grenzanlagen; damit sollen in erster Linie Nachbarstreitigkeiten vermieden werden, weil der Ursprung der Anlagen oft weit zurückreicht und angesichts der Lage zwischen den Grundstücken und dem unsicheren Grenzverlauf die rechtlichen Verhältnisse schwierig zu ermitteln sind und deshalb leicht str werden können (BGHZ 143, 1, 3f).
B. Tatbestand.
I. Grenzanlagen.
Rn 2
Eine Grenzanlage iSd Vorschrift ist eine natürliche oder von Menschenhand geschaffene Anlage, die von der zwischen aneinander angrenzenden Grundstücken verlaufenden Grenzlinie durchschnitten wird und dem Vorteil sämtlicher betroffener Grundstücke dient.
Rn 3
Das Gesetz nennt nur beispielhaft einige Arten von Grenzanlagen. Daneben kommen alle denkbaren baulichen (zB Weg, BGHZ 154, 139, 145) oder natürlichen Anlagen (zB Hecke, BGHZ 143, 1) in Betracht. Keine Grenzanlagen sind auf oder über die Grenze gebaute Teile eines Gebäudes (s aber Rn 10 ff).
II. Vorteil für die betroffenen Grundstücke.
Rn 4
Alle Arten von Vorteilen kommen in Betracht wie zB ein Lärm- und Sichtschutz (BGHZ 143, 1, 5). Bei der Beurteilung der Vorteilhaftigkeit, die für sämtliche von der Anlage betroffenen Grundstücke gegeben sein muss, ist ein objektiver Maßstab anzulegen; der Vorteil muss äußerlich erkennbar sein. Fällt er später auch nur für eines der betroffenen Grundstücke weg, handelt es sich nicht mehr um eine Grenzanlage iSd Vorschrift. Die Anlage kann, muss aber nicht eine grenzscheidende Wirkung haben (BGHZ 154, 139, 141 ff).
III. Einverständnis des Nachbarn.
Rn 5
Die Anwendung der Vorschrift setzt weiter voraus, dass der Nachbar der Grenzüberschreitung (Rn 2) ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat. Dieses – nicht im Gesetzeswortlaut enthaltene – Erfordernis ist deshalb notwendig, weil es nicht dem Belieben eines Grundstückseigentümers überlassen bleiben kann, ohne oder gegen den Willen seines Nachbarn eine Grenzanlage zu schaffen, dafür dessen Grund und Boden in Anspruch zu nehmen und ihn auch noch mit Unterhaltungskosten zu belasten (BGHZ 143, 1, 5).
Rn 6
In der Mitbenutzung durch den Nachbarn ist sein Einverständnis jedenfalls dann zu sehen, wenn ihm bekannt ist oder wenn er wenigstens damit rechnet, dass sich die Anlage auf der Grenze befindet. Unter dieser Voraussetzung kann auch die bloße Duldung der Benutzung durch den anderen Grundstückseigentümer als Einverständnis gewertet werden.
IV. Grenzscheidung.
Rn 7
Die Anlage muss von der gemeinsamen Grenze der benachbarten Grundstücke durchschnitten werden; nicht erforderlich ist, dass die Grenze genau in der Mitte der Anlage verläuft und in ihrer gesamten Länge auf der Grenze steht (BGHZ 143, 1, 3). Die Grenzanlage kann nachträglich entstehen, wenn ein Grundstück so geteilt wird, dass eine Giebelmauer, an die von beiden Seiten angebaut ist, auf der neuen Grundstücksgrenze steht (BGH ZNotP 21, 342 Rz 22). Schneidet sie die Grenze nicht, fehlt es an einer Grenzanlage iSd Vorschrift. Das ist der Fall bei der sog Grenzwand, deren Außenkante auf der Grundstücksgrenze verläuft, ohne diese zu überschreiten; sie gehört gem § 94 I allein dem jeweiligen Grundstückseigentümer, auch wenn der Nachbar unter Benutzung der Grenzwand auf seinem Grundstück ein Gebäude errichtet (BGH WM 16, 1751, 1752). Will der Eigentümer seine ganz oder teilw frei liegende Grenzwand dämmen, muss der Nachbar das dulden, auch wenn die Dämmung in sein Grundstück hineinragt; Veränderungen an seinem Gebäude, die durch die Dämmung notwendig werden, muss er nicht dulden (BGH ZfIR 19, 813).
C. Rechtsfolgen.
Rn 8
Die Vorschrift begründet die Vermutung, dass beide Grundstückseigentümer gemeinschaftlich zur Nutzung der Grenzanlage berechtigt sind. Die Art und Weise sowie der Umfang der Benutzung ergeben sich aus § 922. Die Vermutung kann durch äußere Merkmale widerlegt werden, welche auf das Alleineigentum eines der beiden Grundstückseigentümer hinweisen. Das kommt nur bei einem ungewissen Grenzverlauf in Betracht. Steht dieser dagegen fest, kann die Vermutung ohne weiteres durch den Beweis des Alleineigentums widerlegt werden. Sind Benutzungsrechte dinglich gesichert, sind die §§ 921 ff nicht anwendbar (BGH NJW-RR 20, 897 [BGH 07.02.2020 - V ZR 128/19]).
Rn 9
§ 921 trifft keine Aussage über die Eigentumsverhältnisse an der Grenzanlage; sie bestimmen sich nach den allg Vorschriften. Danach ist jeder Nachbar Eigentümer des sich auf seinem Grundstück befindenden Teils der Anlage, wenn es sich um bloße Grenzflächen handelt. Dasselbe gilt nach §§ 94 I, 946 für solche Anlagen, welche mit dem Grundstück fest verbunden sind; sie werden vertikal auf der Grundstücksgrenze get...