Rn 21
Beim Verkauf unter EV handelt es sich wegen der aufschiebenden Bedingung der dinglichen Einigung und der Stundung des Kaufpreises um einen gestreckten Rechtserwerb. In diesem Falle vollzieht sich der dingliche Erwerb in mehreren Etappen, so dass sich die Frage ergibt, wie die Rechtsstellung des Käufers in der Schwebelage zu beurteilen ist (der Verkäufer bleibt bis zum Eintritt der Bedingung Eigentümer). Entscheidend hierfür ist, dass der Erwerber gem § 161 I gegen Zwischenverfügungen des Veräußerers und Eigentümers geschützt ist. Dieser Schutz ist trotz § 161 III wegen § 936 III auch im Falle von Zwischenverfügungen an einen Redlichen gegeben, § 161 Rn 9. Daneben gelten für den Versuch treuwidriger Vereitelung des Bedingungseintritts die §§ 162 I, 242, 378. Die verschiedenen Schutzmomente führen beim Käufer als Besitzer der Sache zu einer Rechtsposition, die durch einseitige Erklärung des Veräußerers nicht mehr zerstört werden kann. Es hat sich daher die Auffassung durchgesetzt, diese unzerstörbare Position des Käufers als Anwartschaftsrecht zu bezeichnen. Seinem Wesen nach ist dieses Anwartschaftsrecht kein eigenständiges dingliches Recht, sondern eine Vorstufe zum Erwerb des endgültigen Eigentums (Vollrechts) für den Käufer, also ein wesensgleiches Minus zur Eigentümerstellung. Daher sind auf das Anwartschaftsrecht die Normen über das Eigentum an beweglichen Sachen analog anzuwenden.
Rn 22
IE kann der Eigentümer und Verkäufer dem Käufer ein Anwartschaftsrecht an einer beweglichen Sache nach §§ 929, 158 I übertragen. Ein Anwartschaftsberechtigter und Käufer kann sein Anwartschaftsrecht durch Einigung und Übergabe der Sache analog § 929 übertragen. Im Falle des Bedingungseintritts erwirbt der Dritterwerber das Eigentum direkt (kein Durchgangserwerb). Vom Scheineigentümer kann ein Anwartschaftsrecht analog § 932 nach den allg Regeln der §§ 929, 158 I erworben werden, wobei es für den Zeitpunkt der Gutgläubigkeit auf den Zeitpunkt ankommt, in dem die bedingte Einigung und Übergabe vollzogen werden. Außerordentlich streitig ist die Frage, ob ein Anwartschaftsrecht gutgläubig durch Übertragung von einem Scheinanwartschaftsberechtigten erworben werden kann. Dies ist (wenn überhaupt) nur möglich, soweit ein schuldrechtliches Band besteht, so dass durch Zahlung der Eintritt einer aufschiebenden Bedingung ermöglicht wird. In diesem Falle ist auch ein gutgläubiger Erwerb des Anwartschaftsrechts zuzulassen s.a. § 449 Rn 17.
Rn 23
Die rechtsgeschäftliche Verpfändung des Anwartschaftsrechts ist zulässig und vollzieht sich nach den §§ 1204, 1205 analog. Auch eine Pfändung iRd Zwangsvollstreckung ist durch sog Doppelpfändung möglich (s.u. Rn 33).
Rn 24
Der Schutz des Anwartschaftsrechts ist heute in vielfältiger Weise gewährleistet. Der Schutz gegen Zwischenverfügungen des Verkäufers vollzieht sich nach § 161 I, III mit § 936 III und § 986 II. Die Vereitelung des Bedingungseintritts lässt sich durch die §§ 162 I, 242, 378 abwehren. Ggü Herausgabeansprüchen des Verkäufers ist der Anwartschaftsberechtigte durch den Kaufvertrag geschützt. Bei Herausgabeansprüchen Dritter kann § 986 II eingreifen, darüber hinaus besteht nach hM ein dingliches Recht zum Besitz (aA BGHZ 10, 69, wobei dort über § 242 geholfen wird). Weiterhin stehen dem Vorbehaltskäufer und Anwartschaftsberechtigten ggü jedermann die Ansprüche auf Herausgabe nach § 985 sowie die Abwehr von Störungen nach § 1004 zur Seite. Im Bereich des deliktischen Schutzes ist das Anwartschaftsrecht als sonstiges absolutes Recht nach § 823 I anerkannt. Zum Schutzumfang in der Zwangsvollstreckung und der Insolvenz s.u. Rn 33, Rn 34.
Rn 25
Auch ohne die Heranziehung des Anwartschaftsrechts ergibt sich für den Käufer auf Grund des Kaufvertrags ein Recht zum Besitz und zur Nutzung der Kaufsache. Damit entsteht zwischen Verkäufer und Käufer ein Besitzmittlungsverhältnis nach § 868. Der Verkäufer bleibt als Eigentümer zugleich mittelbarer Eigenbesitzer, während der Käufer unmittelbarer Fremdbesitzer ist. Damit stehen dem Käufer alle Besitz- und Besitzschutzansprüche der §§ 854 ff (§§ 861, 862, 867) zur Seite.