Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
I. Wesentlichkeit.
Rn 3
Für die Wesentlichkeit eines Bestandteils ist maßgebend, wie sich die Abtrennung von Bestandteilen wirtschaftlich auswirkt. Auf das Schicksal der durch Trennung aufgelösten Gesamtsache kommt es nicht an, sondern nur auf die bisherigen Bestandteile nach der Trennung. Zerstörung bedeutet den substantiellen Untergang des Bestandteils, Wesensveränderung die Aufhebung oder Minderung seiner zweckbestimmenden Eigenschaften oder seines Wertes (BGHZ 20, 159, 162). Eine nur geringfügige Wertminderung infolge der Trennung ist unerheblich (Köln NJW 91, 2570). Maßgebend ist die Verkehrsanschauung (BGHZ 36, 46, 50; 61, 80), wobei sich die Sonderrechtsfähigkeit nicht nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Trennung, sondern der Verbindung bestimmt (BGHZ 61, 80, 83). Liegt diese im Zeitpunkt der Verbindung nicht vor, kann aber eine nachträgliche Neubewertung der Sonderrechtsfähigkeit in Betracht kommen (BGHZ 231, 310 = NJW 22, 614 Rz 30; Wietfeld NJW 22, 1273). Unverhältnismäßig hohe Kosten der Trennung können der Einordung als einfacher Bestandteil entgegenstehen (Staud/Stieper Rz 17). Dabei ist aber ein strenger Maßstab anzulegen (BGH NJW 12, 778, 779). Ob ein Bestandteil als wesentlich anzusehen ist oder nicht, richtet sich auch nach dem Fortschritt in der technischen Entwicklung und der Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse (BGH 18, 226, 232). Eine feste Verbindung ist anders als bei § 94 weder erforderlich noch ausschlaggebend. Auch eine lose Verbindung kann genügen, wenn die Teile nach der Verkehrsanschauung nur als eine einzige Sache angesehen werden. Bei zusammengesetzten Sachen sind nur diejenigen Bestandteile als wesentlich anzusehen, die mit dem Einbau vollständig in dem Ganzen aufgehen und bei einer natürlichen Betrachtungsweise keine eigenständige Bedeutung mehr haben (BGH 20, 154). Sind die Teile austauschbar, zB der Motor bei einem Kfz (BGHZ 18, 226), handelt es sich um einfache Bestandteile. Dies gilt nicht nur für serienmäßig hergestellte, sondern auch für speziell angefertigte Teile, sofern sie durch ein anderes Teil ersetzt werden können (BGH NJW 12, 778 [BGH 11.11.2011 - V ZR 231/10]). Zur Entwicklung hin zu einer dem Kreditsicherungsbedürfnis dienenden Sonderrechtsfähigkeit bei §§ 93, 94 II Hoffmann ZEuP 22, 913).
II. Einfache Bestandteile.
Rn 4
Einfache Bestandteile können im Umkehrschluss zu § 93 Gegenstand besonderer Rechte sein, an ihnen ist Sondereigentum und Eigentumsvorbehalt möglich (RGZ 69, 117, 120). Im Allg teilen auch einfache Bestandteile das rechtliche Schicksal der Sache (Frankf NJW 82, 654 [OLG Frankfurt am Main 07.04.1981 - 14 U 80/80]). Verfügungen über die Sache erstrecken sich regelmäßig auch auf den einfachen Bestandteil. Ob eine Pfändung einfacher Bestandteile von beweglichen Sachen vor ihrer Abtrennung zulässig ist, ist str (dafür MüKo/Stresemann Rz 32; Soergel/Marly Rz 29; dagegen Staud/Stieper Rz 44). § 808 ZPO steht dem nicht entgegen, möglicherweise aber die Schwierigkeit der dem Gerichtsvollzieher damit auferlegten Abgrenzung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Bestandteilen. Eine Pfändung von ungetrennten Grundstücksbestandteilen ist nach § 865 II 2 ZPO bis zur Beschlagnahme in der Zwangsversteigerung im Wege der Mobiliarvollstreckung möglich. § 865 II 1 ZPO stellt eine Sonderregelung für Zubehör dar und erlaubt keinen Erst-Recht-Schluss auf die Unpfändbarkeit auch der ungetrennten Bestandteile (aA BGB-RGRK/Kregel Rz 48; Staud/Stieper Rz 45).
III. Selbstständige Sache – Zubehör.
Rn 5
Maßgebend dafür, ob es sich um einen Bestandteil, eine innerhalb einer Sachgesamtheit selbstständige Sache oder um Zubehör der Hauptsache handelt, ist eine an der Verkehrsanschauung ausgerichtete wirtschaftliche Betrachtung (BGHZ 231, 310 = NJW 22, 614 Rz 30; BGH NJW 23, 3090 Rz 13). Entscheidungskriterien sind ua der wirtschaftliche Zusammenhang der Sachen, inwieweit eine Sache der anderen zu dienen bestimmt ist (§ 97) sowie die beabsichtigte Dauer der Verbindung.