I. Begriff.
Rn 8
Für den Erwerb vom nicht berechtigten Veräußerer wird nach der amtl Überschrift der Norm guter Glaube des Erwerbers vorausgesetzt. Nach der sprachlichen Gestaltung der Norm selbst ist jedoch umgekehrt der Erwerb bei Bösgläubigkeit ausgeschlossen. Denn der gute Glaube wird nicht als Tatbestandsvoraussetzung formuliert, sondern es wird durch den ›Es sei denn›-Satz die Bösgläubigkeit als Ausschlusstatbestand angefügt. Diese Formulierung des Gesetzestextes hat unstr Beweislastqualität, so dass es in Wahrheit nicht auf die Gutgläubigkeit des Erwerbers ankommt, sondern bei Überzeugung des Richters vom bösen Glauben des Erwerbers der Rechtserwerb ausgeschlossen ist. Diese Beweislastsituation führt in der Praxis dazu, dass nicht selten formuliert wird, der gute Glaube des Erwerbers werde vermutet und die Bösgläubigkeit müsse bewiesen werden (BGHZ 50, 52). Diese mit dem Gesetzestext nicht übereinstimmende Formulierung ist sachlich unschädlich, wenn damit auf eine gesetzliche Vermutung iSv § 292 ZPO angespielt werden soll, die ebenfalls demjenigen die Beweislast überbürdet, der die Vermutung widerlegen will. Gegenstand des guten bzw bösen Glaubens ist ausschl das Eigentum des Veräußerers, nicht dessen Geschäftsfähigkeit oder dessen Verfügungsbefugnis (zu abw Regelungen s.u. Rn 15).
II. Böser Glaube.
Rn 9
Bösgläubigkeit bedeutet nach II, dass dem Erwerber entweder die fehlende Eigentümerstellung des Veräußerers positiv bekannt ist oder dass sie ihm infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist. Kenntnis ist das Wissen um die Rechtslage. Soweit nur eine Kenntnis der Tatsachen vorliegt, aus denen sich die fehlende Eigentümerstellung des Veräußerers erschließen lässt, liegt keine Kenntnis vor. Die Kenntnis der Umstände wird allerdings nicht selten grobe Fahrlässigkeit begründen können. Grob fahrlässige Unkenntnis des Erwerbers setzt voraus, dass dieser die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und diejenigen Umstände unbeachtet gelassen hat, die sich im gegebenen Falle jedem hätten aufdrängen müssen (BGH NJW 05, 1365 [BGH 09.02.2005 - VIII ZR 82/03]). Dabei sind objektive Kriterien anzulegen, eine allg Nachforschungspflicht des Erwerbers besteht nicht (BGH NJW 75, 735 [BGH 05.02.1975 - VIII ZR 151/73]), die konkreten Umstände des Einzelfalles und ihre Würdigung sind von ausschlaggebender Bedeutung.
III. Merkmale der Bösgläubigkeit.
Rn 10
Die Abhängigkeit der Beurteilung von Gut- und Bösgläubigkeit von den jeweiligen Einzelumständen des Falles schließt eine echte Systematisierung der Kriterien aus. Benennen lassen sich allerdings typische Merkmale, die auf grobe Fahrlässigkeit hinweisen oder diese umgekehrt noch nicht erfüllen. So kann insb die konkrete Veräußerungssituation grobe Fahrlässigkeit nahe legen (nächtlicher Kaufvertrag im Bahnhofsviertel). Zur Bösgläubigkeit führt in aller Regel auch jeder Erwerb wertvoller Gegenstände auf der Straße oder in einer Umgebung, in der mit solchen Gegenständen üblicherweise nicht gehandelt wird (Erwerb von Schmuck, Wertpapieren, Kunstgegenständen oder Antiquitäten auf der Straße). Von Bedeutung ist weiterhin die Verkehrsüblichkeit der Abwicklung des Geschäfts. Muss etwa mit dem Bestehen eines weit verbreiteten Eigentumsvorbehalts oder einer Sicherungsübereignung nahe liegender Weise gerechnet werden, so ist dem Erwerber eine Erkundigung zuzumuten (BGH JZ 70, 187; JZ 73, 27). Von Bedeutung für die Beurteilung sind weiterhin die Person und die geschäftliche Erfahrung des Erwerbers (strengere Anforderungen an einen Rechtsanwalt, einen Kaufmann oder einen Bankier). Weiterhin wichtige Kriterien sind die Vermögenssituation und das geschäftliche Verhalten des Veräußerers. Ist dem Erwerber die besonders schlechte Vermögenssituation des Veräußerers bekannt und ergeben sich weitere kritische Indizien, so kann dies für Bösgläubigkeit sprechen. Bedeutsam ist schließlich auch die konkrete Ausgestaltung des Geschäfts. So kann der geforderte Preis bei ganz ungewöhnlicher Abweichung vom üblichen Marktpreis ein Indiz für Bösgläubigkeit sein. Besonders strenge Voraussetzungen hat die Rspr im Gebrauchtwagenhandel aufgestellt. Bösgläubigkeit muss hier bejaht werden, wenn sich der Erwerber nicht den Kfz-Brief vorlegen lässt und sich nicht davon überzeugt, dass der Veräußerer eingetragen ist (BGH NJW 13, 1946 [BGH 01.03.2013 - V ZR 92/12] Rz 13; 96, 2226). Besondere Verdachtsmomente müssen sich aufdrängen, wenn eine Veräußerung zum Verschrotten vorgenommen wird oder wenn ein Erwerb über die Grenze hinweg erfolgt, wobei im ausländischen Staat ein Kfz-Brief nicht bekannt ist, ferner wenn sich der Verdacht einer Fälschung des Kfz-Briefs aufdrängt oder wenn nur eine Tageszulassung gegeben ist (Celle JZ 79, 608; KG OLGR 03, 302; BGH NJW 94, 2022 [BGH 13.04.1994 - II ZR 196/93]; Ddorf NJW-RR 97, 246 [OLG Düsseldorf 18.09.1996 - 11 U 58/95]).
IV. Personale Zurechnung.
Rn 11
Soweit der dingliche Erwerb durch Stellvertreter durchgeführt wird, ist deren guter Glaube entscheidend (§ 166 I). Die Kenntnis des Organs einer juristischen Person ist dieser selbst u...