I. Lastenfreier Eigentumserwerb (Abs 1 S 1, Abs 2).
Rn 7
Durch die Verarbeitung erwirbt der Hersteller (Rn 9) originäres Eigentum an der von ihm hergestellten Sache, wenn nicht I 1 Hs 2 vorliegt. Dass einer der verarbeiteten Stoffe abhandengekommen war oder ein (nur schuldrechtlich wirkendes) Verarbeitungsverbot bestand, ist unbeachtlich (Köln NJW 97, 2187 [OLG Köln 23.08.1996 - 11 U 39/96]; BGH NJW 89, 3213 [BGH 15.06.1989 - IX ZR 167/88]). Die Möglichkeit, auch an eigenen Sachen nach § 950 Eigentum zu erwerben, ist relevant, wenn man berücksichtigt, dass das neue Eigentum gem II lastenfreies Eigentum ist. An den zur Verarbeitung verwendeten Stoffen etwa bestehende dingliche Rechte, insb Anwartschaftsrechte, gehen also infolge der Verarbeitung unter. Der sein Eigentum oder sein dingliches Recht Verlierende kann ggf Ausgleich nach § 951 verlangen.
II. Hersteller.
Rn 8
Nach der Rspr ist als Hersteller grds derjenige anzusehen, in dessen Namen und wirtschaftlichem Interesse die Herstellung erfolgt; maßgebend ist die Verkehrsauffassung eines mit den Verhältnissen vertrauten objektiven Betrachters (BGHZ 112, 243 mwN). Es kommt somit nicht entscheidend darauf an, wer den Verarbeitungsvorgang tatsächlich vornimmt (Celle ZIP 09, 1386), sondern wer ihn steuert und wer das Produktions- und Absatz- und Verwendungsrisiko trägt (Staud/Wiegand Rz 34). Daher sind Arbeitnehmer, die im Rahmen ihrer abhängigen Beschäftigung die Verarbeitung ausführen, nicht Hersteller. Aber: Hersteller des fertigen Gesellenstücks ist der Geselle, LAG Köln MDR 02, 1016; LAG München NZA-RR 03, 187. Beim Werkvertrag ist der Besteller Hersteller (BGHZ 14, 114; OLG Celle ZIP 09, 1386); beim Werklieferungsvertrag ist dagegen der Unternehmer Hersteller, sonst ergäbe die Übereignungspflicht aus §§ 651 1, 433 I keinen Sinn.
III. Verarbeitungsklauseln.
Rn 9
Str ist, ob bei der grds objektiven Beurteilung der Herstellerfrage die Vereinbarungen der Parteien zu berücksichtigen sind. Die hM und insb die Rspr erkennen solche Vereinbarungen über die Herstellereigenschaft in sog Hersteller- oder Verarbeitungsklauseln an, die Verlängerungsformen des EV darstellen (s § 449 Rn 27). Diese Ansicht hält am zwingenden Charakter der Rechtsfolgen des § 950 fest, hält aber privatautonome Vereinbarungen, die die Tatbestandsebene betreffen, bei der Ermittlung der Herstellereigenschaft für bedeutsam, da sie bei der Beurteilung von einem objektiven Horizont aus zu berücksichtigen seien (BGHZ 20, 159, 163). Im Ergebnis wird dadurch freilich auch die Rechtsfolge für die Parteien verfügbar gemacht, so dass der durch eine Herstellerklausel Begünstigte durch die Verarbeitung originäres Eigentum erwirbt. Es findet kein Durchgangserwerb desjenigen statt, der den Verarbeitungsvorgang tatsächlich vornimmt. Im Ergebnis kommt die Auffassung der Rspr daher zu demselben Ergebnis wie die in der Literatur vertretene Ansicht von der Abdingbarkeit der Regelung (Baur/Stürner § 53 B III 3). Als Begründung wird va angeführt, dass § 950 den Interessenskonflikt zwischen Eigentümer und Hersteller löst. Einer gesetzlichen Lösung bedürfe es aber nur, wenn keine privatautonome Vereinbarung der Parteien bestehe. Da keine vorrangigen Verkehrsschutzinteressen betroffen sind (zumal der Stofflieferant mittelbaren Besitz hat), sei die rechtsgeschäftliche Abrede zu respektieren (aA HP/Kindl Rz 10 mwN: für Umdeutung in antizipierte Sicherungsübereignung). Wird die neue Sache aus Stoffen verschiedener Vorbehaltseigentümer hergestellt, so erwerben sie grds Miteigentum. Zur Vermeidung einer Übersicherung ist die Klausel so zu fassen, dass sich der Eigentumserwerb nur auf einen dem Sicherungsinteresse entsprechenden Miteigentumsanteil bezieht.
Rn 10
Der Eigentumserwerb des Stofflieferanten, der sich aus der Anerkennung der Verarbeitungsklausel ergibt, darf aber nicht dazu führen, dass Anwartschaftsrechte des tatsächlich verarbeitenden Käufers, die am Stoff bestanden, endgültig nach § 950 II erlöschen. Denn der Ausgleichsanspruch nach § 951 ist anders als das Anwartschaftsrecht nur eine schuldrechtliche Rechtsposition. Zum Schutz des Käufers, der aufgrund eines durch Herstellerklausel verlängerten EV ein Anwartschaftsrecht erworben hat, ist daher der Herstellerklausel ggf im Wege ergänzender Vertragsauslegung eine antizipierte Wiederbegründung dieses Anwartschaftsrechts durch bedingte Übereignung der neu hergestellten Sache zu entnehmen (Soergel/Henssler Rz 18), so dass der Vorbehaltsverkäufer/Stofflieferant nur für eine juristische Sekunde unbelastetes Eigentum erhält.