Rn 4
Ein Anspruch aus §§ 951, 812 I 1 Alt 2 besteht, wenn der Erwerb rechtsgrundlos war. Die gesetzlichen Erwerbstatbestände selbst konstituieren keinen Rechtsgrund. Dieser kann aber in einem zwischen Verlierendem und Gewinnendem bestehenden Leistungsverhältnis zu finden sein.
1. Zweipersonenverhältnisse.
Rn 5
Hat der Verlierende dem Gewinnenden die verlorene Sache nicht geleistet, so ist der Ausgleichsanspruch nach § 951 eine Kondiktion in sonstiger Weise nach § 812 I 1 Alt 2. Die Rechtsgrundlosigkeit dieses Erwerbs ergibt sich aus dessen Widerspruch zur gesetzlichen Eigentumsordnung, der eben nicht allein durch §§ 946 ff beseitigt wird. Beruht im Zweipersonenverhältnis der Rechtserwerb des neuen Eigentümers auf einer Leistung des Verlierenden, stellt also die Verbindungshandlung die Erfüllung einer schuldrechtlichen Verpflichtung dar, so ist der Erwerb des Gewinnenden mit Rechtsgrund iSv § 812 erfolgt, ein Ausgleichsanspruch nach § 951 entsteht nicht. Teilweise wird die Unanwendbarkeit des § 951 in diesem Fall auch damit begründet, dass die Vorschrift nur auf den Tatbestand der Eingriffskondiktion verweise. War das schuldrechtliche Geschäft unwirksam, findet nach dieser Ansicht eine Kondiktion (unmittelbar) nach § 812 I 1 Alt 1 statt (MüKo/Füller Rz 9). Zum Sonderfall der Errichtung eines Gebäudes in der Erwartung des späteren Erwerbs des Grundstücks BGHZ 44, 321; BGH NJW 01, 3118 (iE § 812 Rn 47 f).
2. Mehrpersonenverhältnisse.
Rn 6
In Mehrpersonenverhältnissen muss es für die Zulässigkeit einer Direktkondiktion nach §§ 951, 812 I 1 2. Alt darauf ankommen, ob eine Leistungskette vom Veräußerer zum Erwerber reicht (BGHZ 56, 228). Ist dies zu bejahen, scheidet die Durchgriffskondiktion aus, s § 812 Rn 82. Dies gilt auch dann, wenn die schuldrechtlichen Vertragsverhältnisse (alle) unwirksam sind (MüKo/Füller Rz 16 mwN).
Rn 7
Hat der Verlierende das Eigentum dagegen auf andere Weise als durch Leistung verloren, so unterliegt der gewinnende Eigentümer der Eingriffskondiktion, zB bei Einbau von gestohlenem Material. Die Rechtfertigung für die Eingriffskondiktion findet sich darin, dass der gewinnende Eigentümer ohne den Einbau des Materials dem Herausgabeanspruch des verlierenden Eigentümers ausgesetzt gewesen wäre, da ein gutgläubiger Erwerb wegen § 935 nicht möglich gewesen wäre (BGHZ 55, 176). Entsprechendes muss bei Bösgläubigkeit des Gewinnenden gelten (offengelassen von BGH NJW-RR 91, 343 [BGH 09.07.1990 - II ZR 10/90]). Der Verlierende kann allerdings auch den Einbau durch den Dieb (analog § 185) genehmigen, da der Einbau verfügungsgleiche Wirkung hat, und dann gegen den Dieb aus § 816 I vorgehen. Die Genehmigung kann auch nach Untergang der Sache noch erteilt werden (BGHZ 55, 176, 178; 56, 131, 133). Richtigerweise sind diese Ergebnisse durch die Übertragung der Wertungen des rechtsgeschäftlichen Erwerbs (§ 935) auf den Ausgleichsanspruch nach § 951 zu gewinnen (MüKo/Füller Rz 15): Wo wegen § 935 eine Vindikation zulässig gewesen wäre, darf der Vindikationsersatzanspruch nicht am Dogma der Subsidiarität der Eingriffskondiktion scheitern.