Gesetzestext
(1) 1Wer eine Sache im Eigenbesitz hat, erwirbt das Eigentum an den Erzeugnissen und sonstigen zu den Früchten der Sache gehörenden Bestandteilen, unbeschadet der Vorschriften der §§ 956, 957, mit der Trennung. 2Der Erwerb ist ausgeschlossen, wenn der Eigenbesitzer nicht zum Eigenbesitz oder ein anderer vermöge eines Rechts an der Sache zum Fruchtbezug berechtigt ist und der Eigenbesitzer bei dem Erwerb des Eigenbesitzes nicht in gutem Glauben ist oder vor der Trennung den Rechtsmangel erfährt.
(2) Dem Eigenbesitzer steht derjenige gleich, welcher die Sache zum Zwecke der Ausübung eines Nutzungsrechts an ihr besitzt.
(3) Auf den Eigenbesitz und den ihm gleichgestellten Besitz findet die Vorschrift des § 940 Abs. 2 entsprechende Anwendung.
A. Normzweck.
Rn 1
§ 955 ergänzt die §§ 953, 954 um einen Fall des redlichen Erwerbs. Hauptanwendungsfeld des § 955 sind also die Trennung durch den vermeintlichen Eigentümer oder den vermeintlich dinglich Berechtigten von Erzeugnissen und von Bestandteilen (soweit sie zu den Früchten der Sache gehören). Zu Grunde kann dem liegen, dass eine gewollte Übereignung fehlgeschlagen ist oder dass die Bestellung eines Nutzungsrechts fehlgeschlagen ist, ohne dass es dem Erwerber bekannt oder grob fahrlässig unbekannt ist. § 955 gilt für Erzeugnisse und abw von §§ 953, 954, 956, 957 nur für solche Bestandteile, die eine bestimmungsgemäße Ausbeute der Hauptsache darstellen.
B. Personeller Anwendungsbereich.
Rn 2
Zu dem von § 955 geschützten Personenkreis zählen der gutgläubige Eigenbesitzer und der gutgläubige Nutzungsbesitzer. Nutzungsbesitzer ist derjenige, welcher die Sache zwar als Fremdbesitzer, aber auf Grund eines vermeintlich bestehenden dinglichen Nutzungsrechts besitzt. Soweit mittelbarer Eigenbesitz und unmittelbarer Nutzungsbesitz zusammentreffen, ist allein II anzuwenden (Staud/Gursky § 955 Rz 13). Erforderlich ist, dass der Besitz im Zeitpunkt der Trennung noch besteht, wobei allein der Besitz der Hauptsache und nicht der Besitz der schon getrennten Früchte maßgeblich ist (MüKo/Oechsler § 955 Rz 5). Zu beachten ist allerdings III, welcher auf die Vorschrift des § 940 II verweist (unfreiwilliger Besitzverlust des Eigen- oder Nutzungsbesitzers und Zurückerlangung des Besitzes binnen Jahresfrist oder auf Grund einer binnen Jahresfrist erhobenen Klage führt dazu, dass der Besitzverlust als nicht erfolgt gilt). Allerdings gilt III dann nicht, wenn ein zwischenzeitlicher Besitzer nach den §§ 929 ff oder den §§ 953 ff Eigentum erworben hat.
C. Guter Glaube.
Rn 3
Hinsichtlich der subjektiven Erwerbsvoraussetzungen gilt, dass ein Eigentumserwerb ausscheidet, soweit der Eigen- oder Nutzungsbesitzer im Zeitpunkt des Besitzerwerbs der Hauptsache nicht gutgläubig iS von § 932 II ist, dh ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass kein Eigentum oder Nutzungsrecht besteht.
D. Abhandenkommen.
Rn 4
Wenn die Hauptsache abhandengekommen ist, steht § 935 einem Erwerb an Bestandteilen entgegen, da diese zur Substanz der Sache gehören, welche dem Eigentümer verbleiben sollen (Soergel/Henssler Rz 5). Einen Fruchterwerb schließt § 935 dagegen nicht aus (Staud/Gursky § 955 Rz 9).
E. Belastungen.
Rn 5
Bei Erwerb nach I gelten wie im Falle von § 953 Belastungen, die an der Hauptsache bestehen, an den Erzeugnissen und Bestandteilen fort. Beim Erwerb nach II gelten die Ausführungen zu § 954 entsprechend (s.o. § 954 Rn 4).