Gesetzestext
(1) 1Gestattet der Eigentümer einem anderen, sich Erzeugnisse oder sonstige Bestandteile der Sache anzueignen, so erwirbt dieser das Eigentum an ihnen, wenn der Besitz der Sache ihm überlassen ist, mit der Trennung, anderenfalls mit der Besitzergreifung.
2Ist der Eigentümer zu der Gestattung verpflichtet, so kann er sie nicht widerrufen, solange sich der andere in dem ihm überlassenen Besitz der Sache befindet.
(2) Das Gleiche gilt, wenn die Gestattung nicht von dem Eigentümer, sondern von einem anderen ausgeht, dem Erzeugnisse oder sonstige Bestandteile einer Sache nach der Trennung gehören.
A. Normzweck.
Rn 1
Während § 953 den Erwerb des Eigentümers und § 954 den Erwerb des dinglich Berechtigten an getrennten Erzeugnissen und Bestandteilen regelt, ergänzt § 956 den Regelungsbereich zugunsten desjenigen, dem die Aneignung durch den Eigentümer schuldrechtlich gestattet worden ist, wenn er in diesem Zeitpunkt Besitzer der Hauptsache ist, ansonsten mit der Besitzergreifung.
B. Personenkreis und subjektive Voraussetzungen.
Rn 2
Sowohl der Eigentümer der Hauptsache (I) wie auch die nach den Vorschriften der §§ 954–957 Erwerbsberechtigten sind gestattungsberechtigt. Auf Seiten des Gestattungsempfängers ist guter Glaube nicht erforderlich, wenn die Gestattung auf den §§ 955 oder 957 beruht, denn in diesen Fällen handelt es sich um einen Erwerb vom Berechtigten. Soweit die Gestattung durch einen Berechtigten nach §§ 954, 956 erfolgt, ist ein gesetzliches (zB § 540) oder vertragliches Weitergestattungsverbot gem § 137 grds unschädlich, vorbehaltlich § 957 jedoch der zulässige Widerruf der ihm selbst erteilten Gestattung (RGZ 108, 269). Fehlt es dem Gestattenden dagegen am guten Glauben und mithin der Gestattungsbefugnis, ist der Erwerb durch den Adressaten nur iRd § 957 möglich (Prütting Rz 483; HP/Kindl § 956 Rz 5).
Rn 3
Praxisrelevante Fallgruppen der Gestattung sind insb Pachtverträge mit dem Eigentümer oder Erwerbsgestattungen durch Kaufverträge bzw familienrechtliche Überlassungsverträge sowie Gestattungen über die Ausbeutung von Bodenbestandteilen (Soergel/Henssler § 956 Rz 3).
C. Dogmatische Ausgestaltung.
I. Verfügung.
Rn 4
Die Erwerbsgestattung ist ein Verfügungsgeschäft und als solches abstrakt, somit zu unterscheiden von dem zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäft. Maßgeblich für den Umfang des Eigentumserwerbs ist der jeweilige Inhalt der Gestattung, wobei die Gestattung auch bedingt sein kann (Grüneberg/Herrler § 956 Rz 2; Erman/Ebbing § 956 Rz 13).
II. Dogmatische Einordnung.
Rn 5
Nach der Auffassung der sog Übertragungstheorie ist die Gestattung Einigungserklärung iS von § 929 1 und der Erwerb vollzieht sich wie bei der Übereignung künftiger Sachen nach §§ 929 ff (RGZ 78, 35; Grüneberg/Herrler § 956 Rz 2). Nach herrschender Auffassung jedoch (Erwerbs-/Aneignungstheorie; vgl Prütting Rz 484; HP/Kindl § 956 Rz 2; Erman/Ebbing § 956 Rz 3; Staud/Gursky § 956 Rz 8) wird durch die Gestattung im ersten Fall (Besitz der fruchttragenden Sache) eine Anwartschaft auf das Eigentum an den Früchten geschaffen, welche durch die Trennung zu vollem Eigentum wird, indem das letzte noch ausstehende Tatbestandsmoment des Eigentumserwerbs eintritt. Im zweiten handelt es sich um ein Aneignungsrecht, das durch die Besitzergreifung ausgeübt wird (Prütting Rz 484). Weiterhin ist fraglich, ob die Gestattung als einseitiges Rechtsgeschäft oder als Vertrag anzusehen ist. Da die Gestattung eine Übertragung des Eigentums ersetzt, wird man sich für den Vertrag entscheiden müssen.
III. Eigentumserwerb.
Rn 6
Erlangt der Berechtigte den Besitz an der Hauptsache mit dem Willen des Gestattenden, tritt der Eigentumserwerb mit der Trennung ein. Der mittelbare Besitz der Hauptsache ist nicht ausreichend, soweit der Gestattende weiterhin unmittelbarer Besitzer der Hauptsache ist (BGHZ 27, 363; Jauernig § 956 Rz 4). Wenn der Gestattungsempfänger dagegen nicht ihm Besitz der fruchttragenden Sache war, erwirbt er das Eigentum an den Trennstücken gem I 1 Alt 2 erst mit Besitzergreifung an den diesen.
IV. Zeitpunkt der Gestattungsberechtigung.
Rn 7
Für die Gestattungsberechtigung bildet der Eigentumsübergang den maßgebenden Zeitpunkt, der Gestattende muss somit noch zu dem für den Eigentumserwerb an den Erzeugnissen und sonstigen Bestandteilen maßgeblichen Zeitpunkt der Trennung oder Besitzergreifung zur Gestattung berechtigt sein (RGZ 78, 35; BGHZ 27, 360). Bei vorherigem Erlöschen ist ferner ein Erwerb nach § 957 möglich (RGZ 108, 269).
D. Widerruf.
Rn 8
I 2 legt die Unwiderruflichkeit der Gestattung für die Fälle fest, in denen zum einen eine Gestattungspflicht besteht und weiterhin der Empfänger der Gestattung Besitzer der Hauptsache ist. Wirkungen entfaltet der Widerruf nur insoweit, als das Eigentum an den Bestandteilen nunmehr nicht mehr auf Grund der Gestattung erworben werden kann (Soergel/Henssler § 956 Rz 7).
Rn 9
Kommt es zu einem Verlust der Rechtszuständigkeit des Gestattenden noch vor dem Zeitpunkt des Eigentumserwerbs des Gestattungsempfängers, ist die Gestattung auch ggü dem Rechtsnachfolger wirksam, falls dieser die Verfügung des Vormannes genehmigt (RGZ 78, 35, 37; Staud/Gursky § 956 Rz 24). Gebunden ist ferner der Erbe des Gestattenden nach ...