Gesetzestext
(1) Wer eine herrenlose bewegliche Sache in Eigenbesitz nimmt, erwirbt das Eigentum an der Sache.
(2) Das Eigentum wird nicht erworben, wenn die Aneignung gesetzlich verboten ist oder wenn durch die Besitzergreifung das Aneignungsrecht eines anderen verletzt wird.
A. Regelungszusammenhang.
Rn 1
Eigentum kann kraft Gesetzes an herrenlosen Sachen erworben werden (I). Dazu muss eine bewegliche Sache entweder niemals im Eigentum einer Person gestanden haben (zB wilde Tiere iSv § 960) oder die Sache muss vom Eigentümer aufgegeben und damit herrenlos geworden sein (§ 959). Neben der normalen Besitzaufgabe iSv § 959 kommen auch weitere Formen der Herrenlosigkeit in Betracht (vgl §§ 960 II, III, 961). Der Irrtum, dass eine Sache nicht herrenlos sei, deren Besitz sich der Erwerber angeeignet hatte, lässt den Eigentumserwerb unberührt (Königsberg OLGR 39, 227). § 958 I gilt nur für bewegliche Sachen, bei Grundstücken ist § 928 II zu beachten.
B. Norminhalt von I.
Rn 2
Durch die Begründung von Eigenbesitz (§ 872) wird das Eigentum kraft Gesetzes erworben. Diese Inbesitznahme wird vom Gesetz als Aneignung bezeichnet. Rechte Dritter bleiben unberührt (vgl aber § 945). Der Erwerber des Eigentums kann sich bei der Begründung der unmittelbaren Sachherrschaft eines Werkzeugs (Besitzdiener oder Besitzmittler) bedienen. Die Aneignung hat keinen rechtsgeschäftlichen Charakter, sie ist vielmehr ein Realakt (s.u. § 959 Rn 2). Die Regelungen der Geschäftsfähigkeit (§ 104 ff) finden keine Anwendung. Daher können auch Geschäftsunfähige und Minderjährige Eigentum nach § 958 erwerben. Aneignung kommt sowohl bei der Begründung von unmittelbarem wie von mittelbarem Eigenbesitz in Betracht. Soweit ein Besitzer den Besitz ohne einen Aneignungswillen an der herrenlosen Sache erlangt, bleibt die Herrenlosigkeit bestehen. Eigentum kann dann allerdings durch die blanke Bildung eines Aneignungswillens erlangt werden (Erman/Ebbing Rz 3).
C. Ausnahme nach Abs 2.
Rn 3
Ein Eigentumserwerb findet nach II dann nicht statt, wenn ein Aneignungsrecht eines anderen besteht. Aneignungsrechte Dritter verhindern einen Eigentumserwerb. Ein Aneignungsrecht besteht zB beim Jagd- oder Fischereiberechtigten. Das vom Wilderer eingefangene Wild bleibt herrenlos. Ein gutgläubiger Erwerb eines Dritten vom Wilderer ist aber möglich, da das Wild dem Aneignungsberechtigten nicht iSv § 935 abhandengekommen ist. Das Aneignungsrecht ist ein ›sonstiges Recht‹ iSv § 823 I. Der Aneignungsberechtigte kann also iRe Schadensersatzanspruches, der gem §§ 823 I, 249 1 auf Naturalrestitution gerichtet ist, die Herausgabe des Wildes verlangen. Kann der Wilderer das Wild nicht mehr herausgeben, haftet er auf Geldersatz (§§ 823 I, 251). Ferner sind Ansprüche aus angemaßter Eigengeschäftsführung (§§ 687 II, 681 2, 667) bzw aus Bereicherungsrecht (§ 812) denkbar. Aneignungsverbote hindern einen Eigentumserwerb. Solche bestehen zB in § 42 BNatSchG. Polizeirechtliche Sicherheitsvorschriften sind nur dann Aneignungsverbote, wenn eine Ermächtigung vorhanden ist (aA RGSt 48, 124).