Gesetzestext
(1) Wer eine verlorene Sache findet und an sich nimmt, hat dem Verlierer oder dem Eigentümer oder einem sonstigen Empfangsberechtigten unverzüglich Anzeige zu machen.
(2) 1Kennt der Finder die Empfangsberechtigten nicht oder ist ihm ihr Aufenthalt unbekannt, so hat er den Fund und die Umstände, welche für die Ermittlung der Empfangsberechtigten erheblich sein können, unverzüglich der zuständigen Behörde anzuzeigen. 2Ist die Sache nicht mehr als zehn Euro wert, so bedarf es der Anzeige nicht.
A. Systematik.
Rn 1
Das Gesetz hat als letzten Abschn des 3. Titels über den Erwerb und Verlust von Eigentum an beweglichen Sachen (§§ 929–984) den Fund geregelt (§§ 965–984). Dabei bringt die Einordnung zum Ausdruck, dass auch der Fund zu einem gesetzlichen Eigentumserwerb führen kann (vgl §§ 973, 974, 976). Allerdings enthält der Fund neben dem gesetzlichen Eigentumserwerb eine Fülle von Rechten und Pflichten des Verlierers und des Finders, die deren gesetzlich bestehendes Schuldverhältnis näher ausgestalten. Insb legt das Gesetz dem Finder Pflichten im Interesse des Verlierers auf, die denen aus einer Geschäftsbesorgung ohne Auftrag entsprechen. Daher sind neben den §§ 965 ff die Vorschriften der §§ 677 ff ergänzend heranzuziehen. Schwerpunktmäßig betrifft das Fundrecht also nicht die dingliche Rechtslage, sondern gestaltet das gesetzliche Geschäftsbesorgungsverhältnis zwischen Finder und Berechtigtem aus. Insoweit ist es systematisch eher dem Schuldrecht zuzuordnen. IE hat der Finder die Anzeigepflicht (§ 965) und die Verwahrungspflicht (§ 966) als Hauptpflichten. Die Rechte des Finders sind va der Anspruch auf Aufwendungsersatz (§ 970) und auf Finderlohn (§ 971) sowie evtl das Zurückbehaltungsrecht (§ 972) und die Möglichkeit des Eigentumserwerbs (§ 973). Das Gesetz trennt von den allg Fundregeln (§§ 965–977) die Sonderregeln über den Verkehrsfund (§§ 978–983) sowie den Schatzfund (§ 984) ab.
B. Wesen des Fundes.
Rn 2
Gegenstand des Fundes ist eine verlorene, dh besitzlose, aber nicht herrenlos gewordene bewegliche Sache. Besitzverlust tritt ein, wenn der unmittelbare Besitzer die tatsächliche Gewalt über die Sache aufgegeben oder auf andere Weise dauerhaft verloren hat. Nicht besitzlos (und infolgedessen auch nicht verloren) sind liegengelassene oder versteckte Sachen, wenn ihre Lage im Grundsatz bekannt und die jederzeitige Wiedererlangung möglich ist (Oldenburg JZ 21, 580 [BGH 14.10.2020 - 5 StR 229/19] Rz 19; aA Finkenauer JZ 21, 566, 570). Besitzlos wird die Sache auch nicht durch Diebstahl oder anderen Besitzverlust, der mit der Begründung neuen Besitzes einhergeht; dies ist in Privat- oder Geschäftsräumen regelmäßig der Fall (vgl BGHZ 110, 186). Kein Verlust iSd Fundrechts liegt ferner im Fall der freiwilligen Eigentumsaufgabe durch den Eigentümer vor, denn der Fund setzt das Bestehen von Eigentumsrechten voraus (Sonderfall in § 984 Rn 2). Verloren sind hingegen Sachen, die der Besitzdiener oder der Besitzmittler ohne Willen des Eigentümers wegwirft. Auch die Besitzaufgabe durch den Dieb führt dazu, dass die Sache als verloren gelten muss (Hamm NJW 79, 725 [OLG Hamm 05.10.1978 - 5 U 75/78]). Das Fundrecht gilt auch für Strandgut.
C. Begriff des Finders.
Rn 3
Finder ist, wer eine verlorene Sache nach ihrer Entdeckung (durch den Finder oder durch einen Dritten) in Besitz nimmt (BGHZ 8, 130). Entscheidend ist also (entgegen dem Gesetzeswortlaut) die Besitzergreifung, nicht die reine Wahrnehmung iS einer Entdeckung. Das Finden ist also Besitzergreifung und damit ein Realakt. Es setzt keine Geschäftsfähigkeit, jedoch einen natürlichen Besitzbegründungswillen voraus. Ein Besitzdiener findet für den Besitzherrn (BGHZ 8, 130), soweit er im Rahmen seines Pflichtenkreises handelt. Zum Begriff des Verlierers bzw Empfangsberechtigten s.u. Rn 4.
D. Anzeigepflicht.
Rn 4
Die Norm begründet in I eine Pflicht zur unverzüglichen (§ 121 I 1) Anzeige des Fundes an einen Empfangsberechtigten und bei Unkenntnis oder Unerreichbarkeit des Empfangsberechtigten in II hilfsweise ggü der zuständigen Behörde; nur diese letztere Anzeige kann bei einem Kleinfund unterbleiben. Empfangsberechtigter im Hinblick auf die verlorene Sache ist jeder, dem auf Grund von Rechtsnormen außerhalb des Fundrechts ein Herausgabeanspruch gegen den Finder zusteht, entgegen dem missverständlichen Wortlauf von I 1 nicht in jedem Fall der Verlierer (Soergel/Henssler Rz 15). Das Gesetz nennt vielmehr Verlierer (iS des bisherigen unmittelbaren Besitzers), Eigentümer und sonstigen Empfangsberechtigten nebeneinander und macht dadurch deutlich, dass es sich um drei verschiedene Personen handeln kann. Im Falle des Verschweigens vgl § 973 II 2.