I. Inhaber des Herausgabeanspruchs bei Miteigentümerstellung sowie im Fall des § 986 I 2.
Rn 9
Bei Miteigentum (mehrere Eigentümer haben nur gemeinsam das Vollrecht) kann der Einzelne nur Mitbesitzeinräumung gem § 985 von den Miteigentümern oder dem Besitzer verlangen. Herausgabe kann deshalb nach § 1011 auch nur von allen Miteigentümern verlangt werden (Prozessstandschaft). Lediglich soweit die anderen Miteigentümer den Mitbesitz nicht mit übernehmen wollen oder aus tatsächlichen Gründen nicht können, kann Alleinbesitz entstehen. Schließlich bleibt der (Mit-) Eigentümer auch bei Herausgabepflicht des unmittelbaren Besitzers an den mittelbaren Besitzer gem § 986 I 2 Inhaber des Herausgabeanspruchs.
II. Besonderheiten der Herausgabe beim mittelbaren Besitzer.
Rn 10
Gem § 986 I 2 kann der Eigentümer auch vom mittelbaren Besitzer Herausgabe verlangen, obwohl dieser die herausverlangte Sache begriffsnotwendig nicht ›in Händen hält‹. Da der Anspruch somit nur auf Einräumung des mittelbaren Besitzes durch Abtretung des Herausgabeanspruchs zu richten ist, § 870, und eine solche Abtretung nach § 894 ZPO mit Eintritt der Rechtskraft eines entspr Urteils als erfolgt gilt, könnte es zu einem nicht vollstreckbaren Titel kommen: Der mittelbare Besitzer verlangt vorher vom unmittelbaren Besitzer die Sache heraus, so dass die Abtretung ins Leere gehen würde und der Eigentümer nochmals mit berichtigtem Antrag Klage einreichen müsste, um dann nach § 883 ZPO vollstrecken zu können. Diesen Umweg erspart die hM dem Eigentümer.
Rn 11
Eine andere Möglichkeit für den Eigentümer ist es, sofort auch gegen den mittelbaren Besitzer auf Herausgabe zu klagen. Dabei wird von einem solchen Antrag sowohl das Verlangen nach Herausgabe der Sache durch Verschaffung des unmittelbaren Besitzes als auch die Einräumung mittelbaren Besitzes umfasst. Liegt zum Zeitpunkt der Vollstreckung (wieder) unmittelbarer Besitz vor, vollstreckt der Gerichtsvollzieher das Urt auf Herausgabe durch einfache Wegnahme und Übergabe der Sache an den Eigentümer gem § 883 ZPO. Besteht jedoch mittelbarer Besitz, zB durch einen Mietvertrag oder einen Leihvertrag, so erfolgt aus dem Titel eine Pfändung des Herausgabeanspruchs des mittelbaren Besitzers gegen den unmittelbaren Besitzer (zB Mieter oder Entleiher) und eine Überweisung des gepfändeten Anspruchs an den Eigentümer zur Einziehung gem § 886 ZPO. Aufgrund der Tatsache, dass keine Willenserklärung vorliegt, die durch den Titel zu ersetzen ist, ist § 894 ZPO bei einem Herausgabeurteil nicht anwendbar.
III. Herausgabezustand, Ort, Kosten, Sachgesamtheit.
Rn 12
1. Herausgabezustand der Sache ist stets der Ist-Zustand zum Herausgabezeitpunkt. Veränderungen, insb Verschlechterungen ggü dem ›Ur-Zustand‹, können über den rein dinglichen Herausgabeanspruch nicht berücksichtigt werden.
Rn 13
2. Herausgabeort ist bei beweglichen Sachen der Ort, an dem sich die Sache letztmals vor dem Eintritt der Vindikationslage befand. Beim gutgläubigen bzw unverklagten Besitzer ist dies der aktuelle Ort. Beim bösgläubigen bzw verklagten Besitzer hingegen die Örtlichkeit, wo sich die Sache zum Zeitpunkt des Eintritts der Bösgläubigkeit bzw Rechtshängigkeit befand, sowie der Ort der Besitzerlangung bei deliktischem Besitz gem § 992. Diese Fixierung des Herausgabeortes ergibt sich aus einer Verbindung der Bestimmungen über den Leistungsort gem § 269, der grds am Wohn- bzw Gewerbebetriebsort liegt und damit eine Holschuld begründen würde. Jedoch ist der Ort, an dem sich die herauszugebende Sache befindet, nicht zwingend einer der in § 269 aufgeführten Orte. Bei Redlichkeit werden § 697 und § 811 entspr angewendet.
Rn 14
Es ist auf die tatsächliche Örtlichkeit abzustellen, an der sich die Sache befindet, die zur Vermeidung einer Wechselmöglichkeit je nach der Qualität des Besitzes mit dem Eintritt der Bösgläubigkeit bzw Rechtshängigkeit zu fixieren ist. Beim deliktischen Besitzer ist immer der ursprüngliche Ort der Sache auch der Herausgabeort gem §§ 992, 823 ff, 249 I. Denn zum ursprünglichen, wiederherzustellenden Zustand zählt auch die Rückführung der Sache an den ursprünglichen Ort. Da § 242 auch auf dingliche Ansprüche anwendbar ist, kann im Einzelfall der Eigentümer auch vom redlichen Besitzer die Verpackung und Versendung transportabler Sachen verlangen. Dies allerdings nur gegen Kostenerstattung und Gefahrtragung durch den Eigentümer (MüKo/Baldus § 985 Rz 103).
Rn 15
3. Herausgabekosten können sowohl beim Besitzer – etwa durch den Transport der Sache zum Herausgabeort (BGH NJW 88, 3264 [BGH 26.05.1988 - IX ZR 276/87]) – als auch beim Eigentümer für die Abholung anfallen. Soweit der Eigentümer Kosten im Zusammenhang mit der Herausgabe verauslagt, die den Besitzer treffen, steht ihm (BGH NJW 81, 752 [BGH 12.01.1981 - VIII ZR 184/79]) ein Erstattungsanspruch nach §§ 684, 812, nicht aber nach §§ 989 ff zu. In der Praxis muss die Prüfung der Kostentragung unter Einbezug des § 242 erfolgen.
Rn 16
4. Eine aus mehreren Sachen bestehende, übergeordnete Sache, zB eine Bibliothek oder ein Geschäft mit Warenlager (Sachgesamtheit), ist nicht vindizierbar. In solchen Fällen muss jede Sache individualisiert herausverlangt werden bzw iR objektiver Klagehäufung