Gesetzestext
(1) Leitet der Besitzer das Recht zum Besitz von einem mittelbaren Besitzer ab, so findet die Vorschrift des § 990 in Ansehung der Nutzungen nur Anwendung, wenn die Voraussetzungen des § 990 auch bei dem mittelbaren Besitzer vorliegen oder diesem gegenüber die Rechtshängigkeit eingetreten ist.
(2) War der Besitzer bei dem Erwerb des Besitzes in gutem Glauben, so hat er gleichwohl von dem Erwerb an den im § 989 bezeichneten Schaden dem Eigentümer gegenüber insoweit zu vertreten, als er dem mittelbaren Besitzer verantwortlich ist.
A. Regelungsinhalt.
Rn 1
Nach seiner amtlichen Überschrift regelt § 991 die Haftung des Besitzmittlers, mithin des gem § 854 unmittelbaren Besitzers, der – auch im mehrstufigen Besitzverhältnis, § 871 – für einen mittelbaren Besitzer (§ 868) den Besitz mittelt (zB Untermieter – Mieter – Zwischenvermieter – Vermieter). Unter I werden die Voraussetzungen für Ansprüche des Eigentümers auf Herausgabe von (auch möglichen, aber nicht) gezogenen Nutzungen gem §§ 990, 987 bestimmt. In II hingegen werden die Anforderungen für einen Schadensersatzanspruch – im Unterschied zu § 993 I Hs 2, der beim redlichen Besitzer derartige Ansprüche ausschließt – des Eigentümers gegen den gutgläubigen unmittelbaren Besitzer iR eines Besitzmittlungsverhältnisses geregelt: Der Besitzmittler haftet ggü dem mittelbaren Besitzer für die Verschlechterung, den Untergang oder einen anderen, die Herausgabe ausschließenden Grund. Dabei soll der Eigentümer nicht schlechter als der mittelbare Besitzer gestellt werden. Beim Vorliegen eines Besitzmittlungsverhältnisses schützt damit I den redlichen Besitzmittler und II den Eigentümer.
B. Anwendungsvoraussetzungen, Abs 1.
Rn 2
Nutzungen gem § 987 kann der Eigentümer vom Besitzmittler nach dem Wortlaut des § 991 I (›auch‹) nur dann herausverlangen, wenn sowohl bei diesem als auch beim mittelbaren Besitzer die Voraussetzungen des § 990 bejaht werden können. Grds muss der Besitzmittler beim Erwerb des unmittelbaren Besitzes hinsichtlich der Besitzberechtigung des mittelbaren Besitzers gutgläubig sein und zum anderen Gutgläubigkeit des mittelbaren Besitzers bzgl seines Besitzrechts ggü dem Eigentümer bzw Rechtshängigkeit einer gegen diesen gerichteten Herausgabeklage vorliegen. Sollte eine dieser beiden Voraussetzungen fehlen, so ist § 990 in Ansehung der Nutzungen ggü dem Besitzmittler nicht anzuwenden.
C. Anwendungsvoraussetzungen, Abs 2.
Rn 3
Ist der Besitzmittler gutgläubig in den Besitz der Sache gelangt, ohne dass ein Recht zum Besitz begründet werden konnte (Vindikationslage), so haftet er – im Unterschied zu § 993 I Hs 2 – dennoch insoweit auf Schadensersatz, wie er ggü dem mittelbaren Besitzer für einen Schaden nach § 989 einzustehen hätte. Der § 991 II fordert Gutgläubigkeit beim Erwerb des Besitzes einerseits und eine unmittelbare Haftung im Verhältnis zwischen dem Besitzmittler und dem mittelbaren Besitzer andererseits. Nur diese ist Maßstab für die Feststellung des Haftungsumfangs, so dass zB vereinbarte Haftungsgrenzen (zB Beschränkung auf grobe Fahrlässigkeit oder Erweiterung auch für Zufall) zu beachten sind.
D. Praxisauswirkungen.
Rn 4
§ 991 kann zwei getrennte Ansprüche begründen: Soweit die Voraussetzungen des § 990 sowohl ggü dem Besitzmittler als auch dem mittelbaren Besitzer vorliegen, kann der Eigentümer Herausgabe der Nutzungen bzw Wertersatz gem §§ 991 I, 987 von jedem der Besitzer verlangen. Dies insgesamt jedoch nur einmal und ohne Begründung eines Gesamtschuldverhältnisses. IRd II kann durch den Verweis auf § 989 Verzögerungsschaden nicht verlangt werden. Leistet der Besitzmittler, da er den mittelbaren Besitzer für den Eigentümer hält, Schadensersatz gem § 989 an diesen, so wird er insoweit ggü dem Eigentümer von einer (nochmaligen) Verpflichtung zur Leistung frei, §§ 851, 893. Sofern weitere direkte Ansprüche aus §§ 987 ff des Eigentümers gegen den Besitzmittler gegeben sind, bestehen diese unabhängig von § 991, soweit sie nicht durch diese Bestimmung modifiziert werden. Auch gewährt II dem Besitzmittler keine Besserstellung ggü dem mittelbaren Besitzer: Dieser kann aus dem Besitzmittlungsverhältnis unbeschränkt Ansprüche gegen den Besitzmittler durchsetzen.
E. Prozessuale Besonderheiten.
Rn 5
Der Eigentümer muss iRd I sowohl die Vindikationslage, als auch das Besitzmittlungsverhältnis sowie die doppelte Bösgläubigkeit darlegen und beweisen. Für einen Anspruch aus II erstreckt sich die Pflicht auch auf die Schadensursächlichkeit und Haftung des Besitzmittlers ggü dem mittelbaren Besitzer. Ansprüche (§ 991) verjähren in drei Jahren, §§ 195, 199. Allerdings sind im Besitzmittlungsverhältnis ggf. kürzere Verjährungsfristen, zB im Mietrecht (sechs Monate gem § 548 II), zu beachten.