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Über die bisherigen punktuellen Entwicklungen hinaus gibt es vielfältige Bestrebungen für ein europäisches Zivilgesetzbuch bzw für internationales Einheitsrecht. So hat das Europäische Parlament 1989 und 1994 die Organe der EU aufgefordert, mit der Vorbereitung eines einheitlichen europäischen ZGB zu beginnen. Die Kommission hat sodann einen Aktionsplan für ein europäisches Vertragsrecht vorgelegt und begonnen, einen gemeinsamen Referenzrahmen zu entwickeln (vgl Brödermann ZEuP 07, 304; Leible NJW 08, 2558; Schulte-Nölke NJW 09, 2161). Am 11.10.11 hat die Kommission einen Vorschlag für eine ›VO über ein gemeinsames Europäisches Kaufrecht‹ vorgelegt. Dadurch tritt der lange Kampf um ein gemeinsames europäisches Zivilrecht in eine neue Phase. Erstmals liegt ein Text vor, der europaweit zur einheitlichen Grundlage von Kaufverträgen gemacht werden könnte (Beale AnwBl 11, 515; Eidenmüller/Jansen/Kieninger/Wagner/Zimmermann JZ 12, 269; Hellwege AcP 211, 665; Lindemann AnwBl 11, 366; Martens AcP 211, 845; Riesenhuber JZ 11, 537; Staudenmayer NJW 11, 3491). Weitaus erfolgreicher waren bisher verschiedene nichtstaatliche Organisationen und private Arbeitsgruppen, die Vorschläge für ein Einheitsrecht erarbeiten. Hervorhebung verdienen die Lando-Gruppe, die ›Principles of European Contract Law‹ vorgelegt hat (Teil 1 95, Teil 2 00, Teil 3 03, Übersetzung in ZEuP 00, 675 und 03, 894), sowie die Arbeitsgruppe von UNIDROIT (Internationales Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts mit Sitz in Rom, 1926 als Hilfsorgan des Völkerbundes gegründet), die ›Principles of International Commercial Contracts‹ vorgelegt hat (1994, 2. Aufl 04; Text in ZEuP 97, 890). Alle diese Texte sind an sich privater Natur, sie wirken aber durch ihren Einfluss auf die nationalen Gesetzgeber mittelbar rechtsvergleichend. So haben zB die UNIDROIT Principles nachweislich bereits die Gesetzgeber in Deutschland, China, Estland, Litauen, Russland und Ungarn sowie die Kommission beeinflusst. Seit 2009 liegt nun der vollständige Entwurf eines gemeinsamen Referenzrahmens (Draft Common Frame of Reference = DCFR) vor, der das allgemeine Vertragsrecht in der Weise erfasst, dass er Definitionen, allgemeine Prinzipien und Modellregeln des Schuld- und Verbraucherrechts regelt (v Bar/Clive, Principles, Definitions and Model Rules of European Private Law, 2009; Grigoleit AcP 210, 354). Dieser DCFR ist der zZ am weitesten reichende akademische Entwurf eines europäischen Privatrechts. Er führt die Regelwerke der verschiedenen privaten Gruppen zusammen (Lando-, Acquis-, Study-Group). Die Kommission hält diesen Entwurf für einen Werkzeugkasten (tool-box) für künftige Gesetzgebung im Bereich des Vertragsrechts und versucht so, den acquis communautaire fortzuentwickeln. Nunmehr hat die Kommission das europäische Vertragsrecht 2010 zu einer ihrer Hauptprioritäten erklärt und ein einheitliches europäisches Zivilgesetzbuch als Fernziel bezeichnet (Grünbuch vom 1.7.10; zur generellen Forderung nach einem einheitlichen Privatrecht von Bar JZ 14, 473). Schließlich wurde 2010 ein neuer Aktionsplan vorgelegt, der die 170 Initiativen des Stockholm-Programms umsetzen möchte (Wagner IPrax 10, 483; Reding IPrax 10, 481). Zum Vorschlag der Kommission vom 11.10.11 s. die bereits genannte VO über ein gemeinsames europäisches Kaufrecht, die aus dem DCFR entwickelt wurde.