Rn 40
Die Auslegung einer Norm bedeutet, den Sinngehalt des jeweiligen Rechtssatzes richtig zu erfassen. Dabei helfen allg und anerkannte Auslegungsgrundsätze. Seit Savigny ist es üblich, die vier klassischen Auslegungsgrundsätze der grammatischen, historischen, systematischen und der teleologischen Auslegung zu trennen. Ausgangspunkt einer Auslegung ist stets der Wortlaut, der Wortsinn und der Satzbau einer Norm (grammatische Auslegung). Dabei helfen Legaldefinitionen sowie ein häufig vorhandener spezieller juristischer Sprachgebrauch, aber auch der allg übliche Sprachgebrauch, auf den die Rspr teilw zurückgreift (vgl BGH NJW 82, 1278 mit Zitat aus dem Duden). Von Bedeutung ist weiterhin die historische Auslegung, insb die Entstehungsgeschichte der Norm und die dabei niedergelegten Gesetzesmaterialien. Diese Auslegung ist allerdings niemals alleiniger Maßstab, da nach ganz hM im Konfliktfalle der objektivierte Wille des Gesetzgebers gilt, also eine objektive Normauslegung vorzuziehen ist. Ein wichtiger und selbstverständlicher Auslegungsgrundsatz ist der Systemzusammenhang, der dem Rechtsanwender vielerlei Hinweise geben kann. Das beginnt bei amtlichen Überschriften, bei gleichen Begriffen an verschiedenen Stellen, bei Schlussfolgerungen aus der Stellung innerhalb eines Gesetzbuchs, eines Rechtsgebiets oder umliegender Normen. Ferner können Schlussfolgerungen a minore ad Maius sowie ein Umkehrschluss oder die Feststellung, dass bei anderer Auslegung eine benachbarte Norm überflüssig würde, typische systematische Folgerungen erlauben. Von zentraler praktischer Bedeutung bei der Auslegung ist die teleologische Auslegung, die also nach Sinn und Zweck einer Norm fragt. Dabei geht es stets um den Gesetzeszweck, nicht um die Interessen der beteiligten Personen. IRd Auslegung nach dem Gesetzeszweck sind auch allg Rechtsprinzipien zu berücksichtigen, ebenso kann eine Folgenabschätzung berücksichtigt werden.
Rn 41
Zusätzlich zu den genannten vier klassischen Auslegungsmodalitäten ist auch die verfassungskonforme Auslegung zu berücksichtigen, die sich aus der Überordnung der Verfassung über das formelle Gesetzesrecht ergibt (s.o. Rn 39). Weiterhin ist die europarechtskonforme bzw richtlinienkonforme Auslegung zu beachten (s.o. Rn 35). Schließlich wird manchmal auch von der sog berichtigenden Auslegung gesprochen. Dabei handelt es sich nicht mehr um Auslegung im klassischen Sinn, sondern bereits um einen Schritt in Richtung auf die Rechtsfortbildung. So wird nicht selten der Wortlaut einer Norm durch teleologische Reduktion oder teleologische Extension eingeengt oder ausgeweitet.