1. Die Zeit von 1900 bis 1945.
Rn 7
Während das BGB im Kaiserreich nahezu unverändert blieb, ergaben sich im Zuge des verlorenen 1. Weltkriegs und in der Zeit der Weimarer Republik eine Reihe von Änderungen (insgesamt 15 Novellierungen). Auch die Zeit des Nationalsozialismus führte rein äußerlich nicht zu grundlegenden Veränderungen des BGB. Geplant war, das Gesamtsystem des Bürgerlichen Rechts zu beseitigen und durch ein Volksgesetzbuch zu ersetzen, das jedoch nie in Kraft getreten ist. Die massiven Veränderungen des Bürgerlichen Rechts in der nationalsozialistischen Zeit vollzogen sich weitgehend im ideologischen Rechtsdenken und in der Rspr (vgl Rüthers Die unbegrenzte Auslegung, Zum Wandel der Privatrechtsordnung im Nationalsozialismus, 1968). Daneben ist die nationalsozialistische Sondergesetzgebung zu erwähnen (EheG, TestG, VerschG, BlutschutzG, ReichsbürgerG).
2. Die Zeit von 1945 bis 2001.
Rn 8
Nach 1945 wurden zunächst durch Kontrollratsgesetze alle nationalsozialistischen Rechtsregeln beseitigt. Unter der Herrschaft des Grundgesetzes wurde ab 1949 das BGB in seiner Fassung vor 1933 wiederum zur Grundlage des Privatrechts. In der Folgezeit wurde das BGB vielfach novelliert (135 Novellen zwischen 1949 und 2000). Hervorzuheben sind das GleichberG 1957, das FamRÄndG 1961, die vielfältigen Mietrechtsgesetze, das NichtehelichenG von 1969, das 1. EhereformG von 1976, das AdoptionsG von 1976, das G zur Neuregelung der elterlichen Sorge von 1979, das BetreuungsG von 1990, die Änderungen des Namensrechts, das KindschaftsreformG 1997 sowie als vorläufiger Höhepunkt der Änderungen das SchuldrechtsmodernisierungsG 2001 (s.u. Rn 9).
3. Die Zeit von 2002 bis heute.
Rn 9
Die stärksten Eingriffe in das Gesamtsystem des BGB seit seinem Inkrafttreten hat das G zur Modernisierung des Schuldrechts v 26.11.01 (BGBl I 3138) gebracht, das zum 1.1.02 in Kraft getreten ist und zu einer Neubekanntmachung des BGB v 2.1.02 geführt hat (BGBl I 02, 42, ber. 2902 und BGBl I 03, 738). Diese Novellierung war zwar durch drei Richtlinien der EU veranlasst (s.u. § 13 Rn 2 u Vor § 241 Rn 9) ging aber weit darüber hinaus (›große Lösung‹) und wollte insgesamt als eine grundlegende Überarbeitung des gesamten Schuldrechts (sowie des Verjährungsrechts) verstanden wissen werden. Dabei war es das erklärte Ziel des Gesetzgebers, zu einem einfacher handhabbaren und übersichtlicheren Recht zu gelangen (BTDrs 14/6040, S 98; Däubler-Gmelin NJW 01, 2281). Ob dies gelungen ist, darf füglich bezweifelt werden. Jedenfalls hat das deutsche Bürgerliche Recht durch diese Reform einen Europäisierungsschub erhalten, der es zu einer stetigen gesetzlichen Baustelle macht (vgl Dauner-Lieb AnwBl 04, 597, 601 und JZ 04, 1431). Seit Anfang 2002 hat das BGB dementsprechend bis Sommer 2005 bereits 19 weitere Veränderungen erfahren, darunter auch mehrfach Reparaturmaßnahmen zur Schuldrechtsreform. Bis 2016 kamen wichtige Änderungen im Vereinsrecht, im Verjährungsrecht, bei Fernabsatzverträgen, im Recht des Zahlungsverkehrs, im Mietrecht, im Wohnimmobilienkreditrecht, durch das PatientenrechteG, im Familien- und Erbrecht sowie durch das FamFG hinzu. Im Jahre 2017 hat der Gesetzgeber das BGB dreizehnmal geändert, darunter zehnmal zwischen dem 17.7. und dem 20.7.; im Einzelnen durch eine Novellierung des Reiserechts (BGBl I 2394), durch ein neues Bauvertragsrecht (BGBl I 969), durch eine Neufassung des Zahlungsdiensterechts (BGBl I 2446) und durch die Einführung der Ehe für alle (BGBl I 2787). In den Jahren 2018, 2019 und 2020 waren nur kleinere Veränderungen zu beobachten. Dagegen hat der Gesetzgeber im Jahre 2021 das BGB 20-mal(!) geändert, v.a. durch das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts v 4.5.21 (BGBl I 882) – tritt erst zum 1.1.23 in Kraft–, durch das Gesetz über den Verkauf von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags v 25.6.21 (BGBl I 2133), durch das Gesetz zur Umsetzung der RL über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen zu Verbraucherverträgen über digitale Produkte v 25.6.21 (BGBl I 2123), durch das Gesetz zum neuen Stiftungsrecht v 16.7.21 (BGBl I 2947) – tritt erst zum 1.7.23 in Kraft –, durch das Gesetz über faire Verbraucherverträge v 10.8.21 (BGBl I 3433) mWz 1.3.22 und durch das Gesetz über Verträge im elektronischen Rechtsverkehr sowie Online-Marktplätze v 10.8.21 (BGBl I 3483) mWz 28.5.22. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber am 10.8.21 das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) verabschiedet (BGBl I 3436), das allerdings erst zum 1.4.24 in Kraft getreten ist. Die Neuregelungen im Kauf- und Verbraucherrecht werden in der Literatur tw schon als neue Schuldrechtsreform (nach der Reform 2001) bezeichnet. In den Jahren 2022 und 2023 waren wiederum nur kleinere Änderungen zu verzeichnen.
4. Fazit.
Rn 10
Insgesamt kann rückblickend auf die 120-jährige Geschichte des BGB gesagt werden, dass der Allgemeine Teil, das Sachenrecht und (mit meist familienrechtlich bedingten Abstrichen) auch das Erbrecht in ihren Grundstruktur...