Prof. Dr. Eckart Brödermann
Rn 33
Zahlreiche, nach Art 3 II 1 vorrangig zu beachtende Staatsverträge gebieten die Anknüpfung an das Gründungsrecht: Prominentes Beispiel ist Art XXV Abs V des Deutsch-Amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrages vom 29.10.54 (BGBl 1956 II 487, 500, Jayme/Hausmann Nr 134), das im Verhältnis zu den 50 US-amerikanischen Einzelstaaten auf die Gründungstheorie abstellt (BGHZ 153, 353, 355 f; ZIP 04, 2230, 2231; Kronke/Melis/Kuhn/Huber Teil K Rz 91, 104; Ulmer/Behrens/Hoffmann Einl B Rz 58 u Fn 192; Spahlinger/Wegen/Spahlinger Rz 232 ff; s.a. Ebenroth/Bippus NJW 88, 2137 ff): Es gilt das Gründungsrecht (s BSozG Urt v 12.1.11 – B 12 KR 17/09 R zu sozialversicherungsrechtlichen Fragen). Ebenso deutlich: Art 5 I, II des deutsch-türkischen Niederlassungsabkommens vom 12.1.27 (RGBl 1927 II 76; Hanke Das Internationale Gesellschaftsrecht im Lichte völkerrechtlicher Vereinbarungen, 10, S 216 f iVm 233 vor D.). Zum Schiedsrecht s Art V I lit a UNÜ. Es ist streitig, ob und in welchem Umfang die Gründungstheorie nach dem Inkrafttreten des CETA im Verhältnis zu Kanada zur Anwendung kommen wird (so Freitag NZG 17, 615, 618; ausgesprochen zurückhaltend Grüneberg/Thorn Anh zu Art 12 EGBGB Rz 1); hierzu ist eine sorgfältige völkerrechtlich basierte Auslegung des CETA nach Art 31 WVRK noch zu leisten. Zum Investitionsschutz s Renner/Kindt RabelsZ 86 (22), 787.
Rn 34
Für die Frage der Anerkennung der ausländischen Gesellschaften haben die Staatsverträge – häufig Investitionsschutzabkommen (s die Übersicht über ›Bilateral Investment Treaties‹ auf der Webseite www.icsid.worldbank.org/icsid; die Quellenangaben für die deutschen Verträge enthält der Fundstellennachweis B) – zwar nur deklaratorische Bedeutung (s.o. Rn 21; Ulmer/Behrens/Hoffmann Einl B Rz 140). Aus der Sicht des Internationalen Gesellschaftsrechts ist aber zu unterscheiden:
Rn 35
(1) Ca 40 Staatsverträge mit asiatischen, afrikanischen und latein-amerikanischen Staaten – ua China, Hongkong, Indien, Israel, Malaysia, Singapur – können kollisionsrechtlich konstitutive Bedeutung haben (vgl arg BGHZ 153, 353, 355; MüKoIPR/Kindler IntGesR Rz 329, 331 f; Ulmer/Behrens/Hoffmann Einl B Rz 58; diff Spahlinger/Wegen/Spahlinger Rz 259), soweit Gesellschaften Ansprüche geltend machen, die in den Anwendungsbereich des Abkommens fallen (vgl BGH ZIP 09, 2385, 2386: keine uneingeschränkte Niederlassungsfreiheit und deshalb keine uneingeschränkte Anwendung der Gründungstheorie). Innerhalb ihres Anwendungsbereiches verdrängen sie nach Art 3 Ziff 2 als lex specialis das autonome IntGesR und kombinieren dabei zT die beiden üblichen Anknüpfungspunkte (s Rn 2).
Rn 36
Der Anwendungsbereich der Abk reicht zT sehr weit: ZB definiert das deutsch-indische Abk als ›Kapitalanlagen‹ ua Eigentum an Sachen sowie sonstige Rechte wie Hypotheken und Pfandrechte, jegliche Art von Beteiligungen an Gesellschaften, Ansprüche auf Geld oder vertragliche Leistungen, die einen wirtschaftlichen Wert haben, und geistiges Eigentum (Art 1b, verkürzt).
Rn 37
(2) Die Staatsverträge definieren als ›deutsche Gesellschaften‹ zB solche, die in der BRD ihren Sitz haben und/oder nach deutschem Recht bestehen (Sitztheorie: ein Scheinsitz in Deutschland ist nicht ausreichend; eine Sitzverlegung wird gesellschaftsrechtlich als Liquidationsbeschluss gesehen, s.o. Rn 20) – so zB jeweils Art 1 Nr 4a der Investitionsschutzabkommen mit Israel (BGBl 1978 II, 209, 211; vgl Spahlinger/Wegen/Spahlinger Rz 260, aA MüKoIPR/Kindler IntGesR Rz 333); Malaysia (BGBl 1962 II, 1064, 1067) und Singapur (BGBl 1975 II, 49, 51).
Rn 38
(3) Für die Gesellschaften des Vertragspartners ist es hingegen idR ausreichend, wenn sie nach den dort geltenden Gesetzen gegründet und errichtet, und/oder evtl auch eingetragen wurden (Gründungstheorie, MüKoIPR/Kindler IntGesR Rz 331); – s jeweils Art 1 Nr 4b der genannten Verträge mit Nuancen (zB Israel: zusätzlich wird Eigentum oder Kontrolle durch eine Person mit ständigem Aufenthalt in Israel vorausgesetzt). Ähnl zB Indien (BGBl 1998 II 619, 620: Art 1a) ii). ZT wird zusätzlich ein Sitzerfordernis im Vertragsstaat gestellt, so das Abkommen mit China (BGBl 1985 II 30, 31: Art 1 Nr 2b); für Fundstellen für weitere Staaten s insbes Spahlinger/Wegen/Spahlinger Rz 259; MüKoIPR/Kindler IntGesR Rz 329, 331: nur deklaratorische Bedeutung. Zumindest wenn diese Staaten der Gründungstheorie folgen (Übersicht für 41 Staaten bei Spahlinger/Wegen/Spahlinger Rz 260; MüKoIPR/Kindler IntGesR Rz 331), ist das Statut einer solchen ausländischen Gesellschaft nach dem Gründungsrecht zu bestimmen, – unabhängig davon, wo sie ihren Verwaltungssitz hat (diff Spahlinger/Wegen/Spahlinger Rz 260: Ausnahme, wenn der Verwaltungssitz nach Deutschland gelegt wurde). Nach BGH ZIP 09, 2385, 2386 kommt das Gründungsrecht aber nur insoweit zum Zuge, als es der Realisierung der Inländergleichbehandlung und der Meistbegünstigung in dem vom bilateralen Abkommen vorgegebenen sachlichen Rahmen dient (idS auch BSozG Urt v 12.1.11 – B 12 K...