Prof. Dr. Eckart Brödermann
Rn 45
In der Insolvenz des Hauptschuldners ist der Bürge nicht Beteiligter des Insolvenzplans. Daher bestehen die Rechte des Gläubigers gegen den Bürgen bei einer Herabsetzung der Hauptschuld durch den Insolvenzplan (§ 254 II 1 InsO) und bei einer Restschuldbefreiung des Hauptschuldners (§ 301 II 1 InsO) unabhängig vom Schicksal der Hauptforderung fort (Einschränkungen des Akzessorietätsprinzips, BGH NJW 03, 59, 60; Lettl WM 00, 1316, 1318; zur Auswirkung auf die Einrede der Vorausklage s § 773 Rn 15 f). Sie werden allenfalls reduziert durch die insolvenzrechtliche Verwertung von Sicherungsgut (s § 776 Rn 6, 9). Befriedigt der Bürge den Gläubiger, so hat er idR einen Rückgriffsanspruch sowohl aus § 670 als auch aus § 774 I 1 (einschl der Nebenrechte, s § 774 Rn 1, die ggf als Absonderung nach §§ 49 ff InsO geltend gemacht werden können, BGH NJW-RR 08, 1007, 1008 [BGH 13.03.2008 - IX ZR 14/07] zu § 51 Nr 1 InsO). Dabei dürfen die Forderung des Gläubigers und der Rückgriffsanspruch des Bürgen die Masse insgesamt nur einmal belasten (vgl auch LAG Kiel 26.6.19 – 1 Sa 386/18: keine Umgehung durch Zurückbehaltung von Vergütung iHv Mindestlohnansprüchen ggü (Nach-)Unternehmern). Es ist zu unterscheiden (für die Besonderheiten bei Gesellschafterbürgschaften s Rn 22 ff):
a) Volle Erfüllung der Bürgschaftsschuld.
Rn 46
Befriedigt der Bürge den Gläubiger voll, so geht die Hauptforderung nach § 774 I 1 auf den Bürgen über. Nur er nimmt am Insolvenzverfahren teil. Hat der Gläubiger die Forderung bereits im Verfahren angemeldet, muss er sie zurücknehmen, während der Bürge sie neu anmelden kann; in der Praxis wird der Fall wie die Abtretung einer Forderung nach Insolvenzeröffnung durch Umschreibung behandelt. Entspr gilt, wenn der Teilbürge (s § 765 Rn 107) seine Bürgschaftsschuld in vollem Umfang erfüllt und dadurch die Wirkung von § 774 I 1 eintritt. Dann muss der Gläubiger, der seine Forderung bereits zur Tabelle angemeldet hat, seine Forderungsanmeldung um den Betrag ermäßigen, den er vom Bürgen empfangen hat; gleichzeitig kann der Bürge seinen Rückgriffsanspruch anmelden (vgl BGHZ 92, 374, 379 aE).
b) Teilerfüllung der Bürgschaftsschuld.
Rn 47
Erfüllt der Bürge seine Bürgschaftsschuld nur teilweise, so ist zu unterscheiden: Wurde der Forderungsübergang wirksam vertraglich verzögert (s § 774 Rn 4), nimmt der Bürge am Insolvenzverfahren nicht teil. Sonst kommt es auf den Erfüllungszeitpunkt an: Erfolgt die Teilerfüllung vor Insolvenzeröffnung, partizipiert der Bürge in Höhe der auf ihn übergegangenen Teilforderung am Insolvenzverfahren, während der Gläubiger nach § 43 InsO nur die ihm verbleibende Restforderung anmelden kann (vgl noch zu § 68 KO: BGHZ 92, 374, 379f). Aus § 774 I 2 folgt jedoch, dass der Gläubiger außerhalb des Insolvenzverfahrens vom Bürgen den Betrag herausverlangen kann, um den seine Verfahrensquote höher ausgefallen wäre, wenn der Bürge sich mit seiner Teilforderung nicht am Verfahren beteiligt hätte (RGRK/Mormann § 774 Rz 4 II; so auch in RGZ 83, 401, 406 erwogen; s.a. Gottwald/Eickmann/Wimmer InsRHdb § 63 Rz 31 u Uhlenbruck/Knof § 43 Rz 4).
Rn 48
Bei Teilerfüllung der Bürgschaftsschuld nach Insolvenzeröffnung bleibt der Gläubiger nach § 43 InsO für den gesamten angemeldeten Betrag bis zu seiner vollen Befriedigung Insolvenzgläubiger (es sei denn, er ist Ausfallbürge: § 765 Rn 72); § 767 I 3 schützt den Bürgen vor Verwertungsvereinbarungen zwischen einem absonderungsberechtigten Gläubiger und dem Insolvenzverwalter (s § 767 Rn 13). Der Bürge ist von der Geltendmachung des Anspruches im Insolvenzverfahren ausgeschlossen (§ 44 InsO). Er kann seine auf ihn nach § 774 I übergegangene Forderung nur anmelden, wenn der Gläubiger seine Forderung nicht geltend macht.