Prof. Dr. Markus Gehrlein
a) Bestimmbarkeit.
Rn 52
Die Sicherungsabrede muss die gesicherten Forderungen u die zu übereignenden Sachen bzw Anwartschaftsrechte bestimmbar bezeichnen u bei einer Übereignung nach § 930 ein Besitzkonstitut enthalten. Die Bestimmbarkeit ist bei Erfassung aller bestehenden u künftigen, auch bedingten Forderungen aus einer Geschäftsverbindung gewahrt (BGHZ 130, 19, 21f).
b) Reichweite.
Rn 53
Ob die Sicherungsrede auch Ersatzforderungen wie etwa Schadensersatz-, Bereicherungs-, Rückgewähr- u Vorfälligkeitsansprüche erfasst, ist Auslegungsfrage. Bei einer weiten Sicherungszweckvereinbarung ist dies zu bejahen (Hambg DZWIR 03, 79; Hamm WM 05, 1265). Gleiches gilt, soweit ein Bürge für die Ersatzforderung haften würde (MüKo/Oechsler Anh §§ 929–936 Rz 27), zB bei Widerruf eines Darlehensvertrages für den Anspruch der Bank auf Rückzahlung der ausgezahlten Darlehensvaluta (LG Göttingen ZVI 12, 247, 248). Die Sicherungsabrede erstreckt sich im Zweifel auch auf Zubehör. Der Gegenbeweis obliegt dem Sicherungsgeber (BGH NJW 07, 216 [BGH 26.09.2006 - XI ZR 156/05] Rz 16).
c) Freigabepflicht.
Rn 54
Der Sicherungsabrede ist angesichts des fiduziarischen Charakters von Sicherungseigentum bzw sicherungshalber abgetretener Forderungen eine ermessensunabhängige Freigabepflicht des Sicherungsgebers bei nachträglicher Übersicherung zu entnehmen (Köln ZIP 10, 1137, 1139). Eine ausdrückliche Regelung dieser Pflicht ist auch bei formularmäßig bestellten revolvierenden Globalsicherungen, etwa Übereignungen von Warenlagern oder Globalzessionen oder verlängertem u erweitertem Eigentumsvorbehalt, keine Wirksamkeitsvoraussetzung (BGHZ 137, 212, 219 (GrSZ); 138, 367, 371; 189, 1, Rz 30; WM 15, 1384 Rz 13). Das gilt auch bei Abtretung von Arbeitseinkommen (BGH WM 05, 1168, 1169). Bei Vereinbarung einer gg § 307 verstoßenden Freigaberegelung gelten folgende Grundsätze:
Rn 55
Eine nachträgliche Übersicherung kann durch Verminderung der gesicherten Forderung oder durch eine Erhöhung des Wertes des Sicherungsguts eintreten. Sie besteht vorbehaltlich einer wirksamen anders lautenden Regelung, wenn der Wert des Sicherungsgutes bzw der sicherungshalber abgetretenen Forderungen die gesicherten Hauptforderungen zuzüglich gesicherter Zinsansprüche u 10 % Verwertungs- u Verwaltungspauschale übersteigt (BGHZ 137, 212, 224). Die Deckungsgrenze beträgt also 110 % der gesicherten Forderungen. Bei einer gesicherten, nicht ausgeschöpften Kreditlinie kommt es auf das Kreditlimit zuzüglich 10 % an (BGH NJW 87, 847, 848 [LG München I 04.03.1986 - 6 O 22072/84]; Köln BB 97, 697, 698).
Rn 56
Der realisierbare Wert des Sicherungsguts bestimmt sich nach dem Marktpreis im Zeitpunkt der Beurteilung des Freigabeanspruchs. Bei Waren ohne einen solchen ist auf den Einkaufspreis bzw den geschätzten Herstellungspreis abzustellen (BGHZ 137, 212, 234; s.a. BGH NJW 95, 2348, 2349), bei sicherungshalber abgetretenen Forderungen auf den Nennwert (BGHZ 137, 212, 234). Ein Freigabeanspruch besteht bei mehreren oder teilbaren Sicherungsgütern regelmäßig dann, wenn der so ermittelte Wert des Sicherungsguts die Deckungsgrenze um 50 % übersteigt. Dabei handelt es sich um eine Orientierungshilfe. Wer geltend macht, die Freigabegrenze von 150 % sei im Streitfall unangemessen, muss dies darlegen u beweisen (BGHZ 137, 212, 235f).
Rn 57
Die Auswahl, welche von mehreren Sicherheiten freigegeben wird, trifft nach § 262u dem Rechtsgedanken des § 1230 1 der Sicherungsnehmer (BGHZ 137, 212, 219). Bei unteilbaren Einzelgegenständen kommt ein Austauschanspruch des Sicherungsgebers aus § 242 in Betracht.
d) Rückgewährpflicht.
Rn 58
Nach endg Wegfall des Sicherungszwecks, insb Erlöschen der gesicherten Forderung, ist das Sicherungsgut, wenn – wie üblich – keine auflösende Bedingung vereinbart ist, an den Sicherungsgeber (Rn 38) zurück zu übertragen (BGHZ 191, 277 Rz 12; 202, 150 Rz 7, 11; 209, 1 Rz 8; NJW 96, 1213, 1215; 97, 3434, 3436; WM 12, 2144, Rz 15; NJW 13, 2894 Rz 7 für Sicherungsgrundschulden). Dies geschieht oft stillschweigend (BGH NJW 86, 977 [BGH 21.11.1985 - VII ZR 305/84]), bei Sicherungseigentum idR nach § 929 2. Die Verpflichtung trifft den Sicherungsnehmer, auch wenn er das Sicherungsgut weiter übereignet hat (BGH WM 97, 13, 16 [BGH 25.09.1996 - VIII ZR 76/95]). Der Rückgewähranspruch, der Zug-um-Zug gg Zahlung der gesicherten Forderung (BGHZ 202, 150 Rz 30; NJW 82, 2768, 2769 [BGH 13.05.1982 - III ZR 164/80]; 91, 1821 für Sicherungsgrundschulden) besteht, geht nicht ohne weiteres auf den Erwerber des Sicherungsguts über, sondern kann und muss ggf gesondert abgetreten werden (BGH WM 17, 2299 Rz 17; 12, 2144 Rz 15). Eine nach der Sicherungsabrede zulässige Neuvalutierung kann der Zessionar nicht verhindern (BGHZ 191, 277 Rz 14; NJW 13, 2894 Rz 14). Bei tw Erlöschen der gesicherten Forderung hat eine Teilfreigabe zu erfolgen (BGHZ 191, 277 Rz 16; NJW 13, 2894 Rz 12; Kessler NJW 12, 577, 578). Verletzt der Sicherungsnehmer seine Rückgewährpflicht, macht er sich ggü dem jeweiligen Inhaber des Rückgewähranspruchs schadensersatzpflichtig (§ 280 I; BGH NJW 13, 2...