Rn 1
›Erbvertrag‹ nennt das G teils die vertragsmäßige Verfügung (§§ 2281 ff, 2293 ff), teils das Vertragswerk als solches (§§ 2274 ff, 2298, MüKo/Musielak Vor 2274 Rz 5). Der Erbvertrag hat eine Doppelnatur (Staud/Raff Einl zu §§ 2274 ff Rz 6). Er ist eine Verfügung vTw. Wenigstens ein Vertragspartner muss durch ihn als Erblasser einen Erben einsetzen oder ein Vermächtnis oder eine Aufl (Erbeinsetzungs-, Vermächtnis- bzw Auflagenvertrag) anordnen (§§ 1941 I, 2278). Er ist zugleich ein abstrakter Vertrag (BGH NJW 58, 498 [BGH 08.01.1958 - IV ZR 219/57]). Der Verfügende ist an seine vertragsmäßige Verfügung vTw dem anderen Vertragschließenden bereits zu Lebzeiten – anders als bei einseitigen Verfügungen (vgl §§ 2253 ff) – grds unwiderruflich gebunden. Der Erbvertrag als Verfügung vTw bindet erbrechtlich (Staud/Raff Einl zu §§ 2274 ff Rz 15f). Vertragsmäßige Verfügungen beeinträchtigende spätere Verfügungen vTw des Erblassers sind grds unwirksam (§ 2289 I 2), es sei denn, sie sind zulässig vorbehalten (§ 2289 Rn 6 f). Den Inhalt können die Parteien grds privatautonom vereinbaren (vgl BGH NJW 11, 1733, 1736 [BGH 06.04.2011 - IV ZR 232/09]). Schuldrechtliche Pflichten des Vertragserblassers zu Lebzeiten begründet der Erbvertrag im Gegensatz zu Rechtsgeschäften unter Lebenden nicht (BGH NJW 54, 633); solche könnten zB durch zusätzlichen Verfügungsunterlassungsvertrag begründet werden (vgl Saarbr 14.8.19 – 5 U 87/18 Rz 29). Der bedachte Zuwendungsempfänger hat vor dem Tod des Erblassers lediglich eine nicht vererbbare oder übertragbare (BGH NJW 62, 1910, 1911), nicht verpfändbare oder pfändbare (Oldbg OLGE 6, 176, 178f), nicht vormerkungsfähige (BGH NJW 54, 633; Ddorf FamRZ 03, 1230) oder durch Arrest oder eV sicherbare (str, MüKo/Musielak § 2286 Rz 6), bei Insolvenz nicht zur Insolvenzmasse des Bedachten gehörende tatsächliche Erwerbsaussicht, kein rechtlich gesichertes Anwartschaftsrecht (BGH NJW 54, 633; VGH München 21.10.13 – 15 ZB 12.2274 Rz 6). Seine Rechtsstellung ist nicht durch §§ 823 I, 823 II iVm §§ 2287, 2288 oder durch § 826 (BGH NJW 89, 2389) geschützt (MüKo/Musielak § 2286 Rz 5). Der Zuwendungsempfänger ist nicht verpflichtet, die Erbschaft oder das Vermächtnis anzunehmen. Rechtswirkungen des Erbvertrags treten erst mit dem Todesfall des Vertragserblassers ein (Kobl ZEV 97, 255).
Rn 2
Der Erbvertrag ist einseitig, wenn nur eine Vertragspartei als Erblasser vertragsmäßig vTw verfügt und die andere Partei lediglich eine korrespondierende vertragliche Erklärung abgibt und ggf einseitige Verfügungen trifft oder sich unter Lebenden verpflichtet. Er ist zweiseitig (oder ›gemeinschaftlich‹), wenn beide Parteien als Erblasser vertragsmäßige Verfügungen vTw treffen (§ 2278 I). Hier hat die Nichtigkeit einer der Verfügungen regelmäßig die Unwirksamkeit des ganzen Vertrags zur Folge (§ 2298 I). Bedenken sich die Vertragspartner jeweils mit vertragsmäßigen Verfügungen, ist er gegenseitig (oder ›reziprok‹). In einem mehrseitigen Erbvertrag treffen mehr als zwei Personen vertragsmäßige Verfügungen (RGZ 67, 65; BeckOGK/Röhl § 2274 Rz 19). Im Zweifel bindet sich hier jeder vertragsmäßig Verfügende ggü allen anderen Vertragschließenden. Der Vertrag kann dann nur von allen Vertragschließenden gemeinsam aufgehoben werden (§ 2290 I 2). Missverständlich wird vom entgeltlichen Erbvertrag gesprochen, wenn beim Abschluss eines Erbvertrags mit ihm (ggf in einer Urkunde) verbunden der andere Vertragspartner durch Rechtsgeschäft unter Lebenden für die vom Vertragserblasser vorgenommene Verfügung eine Gegenleistung (zB Versorgungsleistungen; vgl auch § 2295) verspricht. Wegen der abstrakten Rechtsnatur des Erbvertrags steht diese Verpflichtung mit der vertragsmäßigen Verfügung des Erblassers nicht in einem synallagmatischen Verhältnis iSd §§ 320 ff (BGH NJW 11, 224 [BGH 05.10.2010 - IV ZR 30/10]; Frankf 8.9.20 – 20 W 116/19 Rz 104). Es kann auch nicht schuldrechtlich vereinbart werden (vgl § 2302; BayObLG NJW-RR 98, 729, 730 [BayObLG 28.01.1998 - 1 Z BR 162/97; 1 Z BR 176/97]). Anderes gilt, wenn der Erblasser zusätzlich eine Verpflichtung (zB Unterlassungspflicht) ggü dem Beachten übernommen hat, die zu dessen Pflicht (zB Pflegeleistungen) im Gegenseitigkeitsverhältnis steht. Dann kann er vom gegenseitigen Vertrag unter Lebenden nach § 323 und zugleich nach § 2295 vom Erbvertrag zurücktreten (BGH aaO; 26.2.13 – IV ZR 207/12 Rz 2; abl Mayer DNotZ 12, 89). Bei bezweckter lebzeitiger Bindung des Erblassers (ggf mit voller Wirkung erst beim Tode eines der Vertragspartner), für die die Entgeltlichkeit der Zuwendung ein Indiz ist, liegt schon kein Erbvertrag vor (BGH NJW 98, 2136, 2138 [BGH 20.03.1998 - V ZR 25/97]: zum Versprechen einer Eigentumsübertragung im Todesfall nebst Verfügungsunterlassungsvereinbarung, die durch einen aufschiebend bedingten, durch Vormerkung gesicherten Übereignungsanspruch abgesichert war). Möglich ist auch die Verknüpfung mit einer Bedingung (§ 158, BayObLG Rpfleger 77, 208; Hamm DNotZ 77, 751, 754; KG FamR...