Rn 1
Der Umfang jeden Unterhaltsanspruchs hängt maßgeblich von der Ermittlung des Einkommens der am Unterhaltsrechtsverhältnis Beteiligten ab. Das BGB enthält keine Regelung, was bei einer Unterhaltsberechnung als Einkommen zu berücksichtigen ist (eingehend Kleffmann in: Scholz/Kleffmann, Praxishandbuch Familienrecht, Teil G Rz 1 ff).
Rn 2
Die Einkommensermittlung erfolgt für Berechtigte und Verpflichtete grds nach gleichen Regeln. Sowohl für den Berechtigten als auch für den Pflichtigen gilt, dass grds alle erzielten und erzielbaren Einkünfte, gleich welcher Art sie sind und aus welchem Anlass sie erzielt werden, maßgeblich sind (weiter Einkommensbegriff, BGH FamRZ 09, 762). Auf eine genaue Einkommensermittlung kann nur ausnahmsweise verzichtet werden. Dies gilt etwa beim Ehegattenunterhalt, wenn das Einkommen des Verpflichteten so hoch ist, dass der Unterhalt nicht quotal, sondern konkret zu berechnen ist (BGH FamRZ 07, 117; vgl Ziff 15.3 der Leitlinien). Beim Ehegattenunterhalt ist auf der Stufe der Bedarfsbemessung zwischen den die ehelichen Lebensverhältnisse prägenden Einkünften und solchen Einkünften, welche die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt haben, zu unterscheiden (BGH FamRZ 09, 411).
Beim Kindesunterhalt kann auf die Einkommensermittlung verzichtet werden, wenn nur der Bedarf des Berechtigten festzustellen ist (BGH FamRZ 11, 1603) oder geringfügige Differenzen bei den Einnahmen und/oder Ausgaben keinen Einfluss auf die Eingruppierung nach der Düsseldorfer Tabelle haben. IÜ sind beim Kindesunterhalt grds alle Nettoeinkünfte des Verpflichteten und alle Nettoeinkünfte des Kindes maßgeblich (BGH FamRZ 82, 250).
Das unterhaltsrelevante Einkommen umfasst alle zufließenden Güter in Geld oder Geldwert ohne Rücksicht auf ihre Herkunft und auf ihren Verwendungszweck (BGH FamRZ 06, 99). Der unterhaltsrechtliche Einkommensbegriff ist weiter als der steuerrechtliche (BGH FamRZ 09, 762). Das Steuerrecht privilegiert einzelne Einkunftsarten und anerkennt auch bestimmte Aufwendungen als einkommensmindernd, denen keine tatsächliche Vermögenseinbuße ggü stehen muss.
Eine öffentlich-rechtliche oder private Zweckbestimmung der dem Pflichtigen oder Bedürftigen tatsächlich zufließenden Mittel ist für die unterhaltsrechtliche Einkommensermittlung nicht ohne weiteres maßgeblich (BGH FamRZ 97, 806; vgl auch Rn 28).
Zum unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkommen zählen zunächst alle sieben Einkunftsarten nach § 2 EStG.
Übersicht der Einkünfte nach § 2 EStG:
- Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§§ 13–14a EStG)
- Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 15–17b EStG)
- Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (§ 19 EStG)
- Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG)
- Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG)
- Sonstige Einkünfte iSd § 22 EStG
Einkünfte aufgrund sozialstaatlicher Zuwendungen sind unterhaltsrechtlich relevant, wenn ihnen Lohnersatzfunktion zukommt. Schließlich sind unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen Beträge, die nicht vereinnahmt werden, aber zumutbar eingezogen werden könnten (fiktive Einkünfte, BGH FamRZ 00, 1358).
Rn 3
Bedürftigkeit einerseits und Leistungsfähigkeit andererseits müssen in zeitlicher Kongruenz (BVerfG FamRZ 05, 1051; BGH FamRZ 16, 199) stehen. Eine zu einem späteren Zeitpunkt gesteigerte Leistungsfähigkeit erhöht nicht den Unterhaltsanspruch für die Vergangenheit. Als Folge des Zuflussprinzips ist auch dann nicht nachträglich Unterhalt zu leisten, wenn der Pflichtige Zahlungen rückwirkend für einen vergangenen Zeitraum erhält (BGH FamRZ 85, 155; Stg FuR 15, 119: keine Fortschreibung einer einmalig gezahlten Jubiläumsprämie für Folgejahre).
Eine verlässliche Prognose des in Zukunft erzielten Einkommens kann regelmäßig nur aufgrund in der Vergangenheit erzielter Einkünfte erfolgen (BGH FamRZ 05, 101). Das Unterhaltsrecht stellt auf einen repräsentativen Einkommenszeitraum ab. Bei der Ermittlung der Einkünfte nichtselbstständig Beschäftigter sind grds die Einkünfte der letzten zwölf Monate oder des letzten Kalenderjahres maßgeblich (BGH FamRZ 10, 1050; 08, 1739). In Einzelfällen (etwa stark schwankende Einkünfte) kann auch hier jedoch ein Jahreszeitraum noch nicht repräsentativ sein (Ddorf FamRZ 90, 68: Zwei-Jahres-Zeitraum). Bei sich dauerhaft abzeichnenden Einkommensänderungen können die früheren Bezüge nicht ohne weiteres fortgeschrieben werden (Münch FamRZ 84, 173). Bei Selbstständigen ist grds auf einen Drei-Jahres-Zeitraum abzustellen (BGH FuR 16, 717). Auch dies schließt jedoch nicht aus, dass im Einzelfall eine längere (BGH FamRZ 04, 1177; 85, 357: Sechs-Jahres-Zeitraum) oder kürzere (Hamm FamRZ 97, 310) Zeitspanne zugrunde gelegt wird (FAKomm-FamR/Kleffmann vor § 1361 Rz 8). Bei anderen Einkünften mit ähnlicher Schwankungsbreite (Einkünfte aus VuV, KAP etc) kommt gleichfalls der Durchschnitt der Einkünfte aus den letzten, regelmäßig drei, Jahren in Betracht (BGH FamRZ 84, 39 für Einkünfte aus Kapitalvermögen).
Für die Berechnung von Unterhaltsrückständen ist das Einkommen für den Zeitraum...