Rn 1
Die grds unentziehbare und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers an dessen Nachlass wird durch die Erbrechtsgarantie des Art 14 I iVm Art 6 GG gewährleistet (BVerfG NJW 19, 1434 [BVerfG 26.11.2018 - 1 BvR 1511/14] Rz 13; NJW 05, 1561, 1562 f; 2691 [BVerfG 11.05.2005 - 1 BvR 62/00]; s.a. BGH NJW 87, 122; 90, 911 [BGH 06.12.1989 - IVa ZR 249/88]). Die durch Art 14 GG geschützte Mindestbeteiligung ist tragendes Strukturelement des Pflichtteilsrechts, wobei dieses zugleich im engen Sinnzusammenhang mit dem durch Art 6 I GG gewährleisteten Schutz des Verhältnisses zwischen dem Erblasser und seinen Kindern steht (BVerfG NJW 05, 1561, 1563). Die Anwendung ausländischen Erbrechts ohne bedarfsunabhängigen Pflichtteilsanspruch verstößt bei hinreichendem Inlandsbezug gegen den deutschen ordre public (BGH NJW 22, 2547 [BGH 29.06.2022 - IV ZR 110/21] Rz 14). Das Pflichtteilsrecht dient auch dazu, den ideellen und wirtschaftlichen Zusammenhang von Vermögen und Familie bedarfsunabhängig über den Tod des Vermögensinhabers hinaus zu ermöglichen (BVerfG aaO, 1564). Wegen familienrechtlicher Verbundenheit auch ggü den Eltern und dem Ehegatten des Erblassers besteht ein sog ›Verwandtenerbrecht‹, dh Recht (nächster) Angehörige als Erben, kraft Erbfolge zu erwerben (BVerfGE 93, 165, 174 [BVerfG 22.06.1995 - 2 BvR 552/91]; NJW 95, 2977 [BVerfG 14.12.1994 - 1 BvR 720/90]; 99, 1853 [BVerfG 19.01.1999 - 1 BvR 2161/94]; 01, 141 [BVerfG 30.08.2000 - 1 BvR 2464/97]; 05, 1561, 1563 [BVerfG 19.04.2005 - 1 BvR 1644/00]; abl Dreier/Wieland Art 14 Rz 67: das Familieneigentum sei dem BGB fremd). Auch das gesetzliche Pflichtteilsrecht des Lebenspartners (§§ 1 I, 10 I, II, VI LPartG) ist mit dem GG vereinbar. Die Verpflichtung der Lebenspartner zu gegenseitiger umfassender Sorge rechtfertigt es ebenso wie bei Ehegatten, dem Lebenspartner mit dem Pflichtteilsrecht auch über den Tod hinaus eine ökonomische Basis aus dem Vermögen des verstorbenen Lebenspartners zu sichern (BVerfGE 105, 313, 355 f; s.a. § 2303 Rn 15).
Rn 2
Die Testierfreiheit des Erblassers unterliegt grds diesen durch die Abstammung (§ 1589) bzw Annahme (§§ 1754, 1770) oder Partnerschaft begründeten familienrechtlichen Bindungen. Die Testierfreiheit als bestimmendes Element der Erbrechtsgarantie und Kernbereich des Erbrechts (BVerfGE 67, 329, 341; NJW 99, 1853; BGHZ 111, 36, 39; 118, 361, 365) umfasst die Befugnis des Erblassers, zu Lebzeiten durch Verfügung vTw nach seinem Willen einen von der gesetzlichen Erbfolge abw Vermögensübergang anzuordnen, insb gesetzliche Erben von der Nachlassbeteiligung auszuschließen und wertmäßig auf den gesetzlichen Pflichtteil festzusetzen (BVerfGE 58, 377, 398; NJW 04, 2008, 2010; 05, 1561, 1563 [BVerfG 19.04.2005 - 1 BvR 1644/00]). Sie wird durch die Erbrechtsgarantie (Art 14 GG) gewährleistet (BVerfG NJW 11, 366, 367 [BVerfG 30.10.2010 - 1 BvR 3196/09]).
Rn 3
Den verfassungsrechtlichen Anforderungen, den Interessenkonflikt zwischen den rechtlich gleichgeordneten Rechtssubjekten zu lösen, genügt das Pflichtteilsrecht in seiner in § 2303 I getroffenen Ausgestaltung (BVerfG NJW 05, 1561, 1564 [BVerfG 19.04.2005 - 1 BvR 1644/00]; s.a. BVerfG NJW 95, 2977; 01, 141, 142). Bei verfassungskonformer Auslegung dürfte auch die übrige Ausgestaltung des Ausgleichs zwischen Testierfreiheit und Verwandtenerbrecht eine verfassungsmäßige Ausübung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers (dazu BVerfGE 67, 329, 340f [BVerfG 16.10.1984 - 1 BvR 513/78]) sein (vgl BVerfG NJW 95, 2977 [BVerfG 14.12.1994 - 1 BvR 720/90]; 01, 141, 142 [BVerfG 30.08.2000 - 1 BvR 2464/97]), insb die Höhe des Pflichtteilsrechts. Zum 1.1.10 ist eine Reform des Pflichtteilsrechts (BGBl 09 I, 3142–3144 v 29.9.09) in Kraft getreten, durch die insb die vormaligen §§ 2306 I, 2315 f, 2325 III, 2331a I, 2333 bis 2336 (s dazu je 4. Aufl) verändert sowie die Verjährung erbrechtlicher Ansprüche zT an die Regelverjährung (§ 195) angepasst wurden; zum Übergangsrecht s Art 229 § 17 I 1, 2 EGBGB. Zudem ist das Erbschaftsteuer- und Bewertungsrecht mehrfach geändert worden, nachdem das BVerfG (NJW 07, 573, 574 ff [BVerfG 07.11.2006 - 1 BvL 10/02]) das Erbschaftssteuerrecht zT für unvereinbar mit Art 3 I GG erklärte.