Prof. Dr. Klaus Peter Berger
Rn 3
Gegenseitige Verträge sind unter den Typenverträgen des BGB Kauf, Tausch, Teilzeit Wohnrechteverträge, Miete, Pacht, Dienst- und Werkvertrag mit Reisevertrag, weiter die Geschäftsbesorgungsverträge nach § 675 I sowie Zahlungsdiensteverträge nach 675f ff, bei Entgeltlichkeit auch Darlehen und Verwahrung (weitere Einzelfälle bei Grüneberg/Grüneberg Rz 9).
Rn 4
Notwendig nicht gegenseitig sind dagegen die Schenkung, die Leihe und der (echte) Auftrag, auch der Mäklervertrag in seiner Ausgestaltung durch die §§ 652 ff: Danach ist der Mäkler nicht zum Tätigwerden verpflichtet; er erlangt seinen Lohnanspruch aber erst durch die Herbeiführung des Vermittlungserfolges. Doch ist hier eine andere vertragliche Gestaltung möglich und nicht selten; dann kann der Mäklervertrag gegenseitiger Vertrag sein (vgl § 652 Rn 7).
Rn 5
Außerhalb der Typenverträge des BGB sind gegenseitig die Typenverträge des HGB (Kommission, Spedition, Lager- und Frachtvertrag), weiter der Verlagsvertrag und nach richtiger Ansicht auch der Versicherungsvertrag (vgl MüKo/Emmerich Rz 21). Auch die nicht gesetzlich vertypten ›modernen‹ Vertragsarten wie Leasing, Factoring, Franchising, Sponsoring sind in aller Regel gegenseitig, ebenso der Vertrag über ein zu entgeltendes Wettbewerbsverbot.
Rn 6
Die Bürgschaft kennt in ihrer gesetzlichen Ausgestaltung durch § 765 kein Entgelt; sie verpflichtet den Bürgen nur einseitig. Die Vereinbarung eines Entgelts zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger kommt wohl auch kaum vor. Dagegen wird ihr häufig ein entgeltlicher Vertrag zwischen dem Bürgen und dem Schuldner zugrunde liegen, doch ist die Bürgschaft selbst dadurch nicht ein gegenseitiger Vertrag. Das steht indessen ihrer möglichen Einordnung als Verbrauchervertrag nicht grds entgegen, s § 312 Rn 7.
Rn 7
Beim Vergleich (§ 779) ist zweifelhaft, ob schon das nötige ›gegenseitige Nachgeben‹ zum Vorliegen eines gegenseitigen Vertrages führt (vgl Bork Der Vergleich 88, 170 ff mN). Jedenfalls ist Gegenseitigkeit anzunehmen, wenn jede Partei ihre Leistung gerade wegen der Leistung der anderen verspricht (BGHZ 116, 319, 330 mN für einen Sanierungsvergleich).
Rn 8
Am heftigsten umstr ist der Charakter als gegenseitiger Vertrag bei der Gesellschaft, § 705 BGH NJW 51, 308 bejaht dies. Ausgleichend wird formuliert, auch Gesellschaftsverträge seien grds gegenseitige Verträge; von Fall zu Fall könnten aber bei der Anwendung der §§ 320 bis 326 mit Rücksicht auf die Eigenart von Gesellschaftsverträgen Modifikationen erforderlich sein (so MüKo/Emmerich § 320 Rz 26; s.a. Prütting/Weller, Handels- und Gesellschaftsrecht, 10. Aufl 20, Rz 148 ff). Das lässt aber den Umfang dieser Modifikationen im Dunkeln. So kommt MüKo/Emmerich § 320 Rz 26 für § 320 bei mehr als zweigliedrigen Gesellschaften nur in Ausnahmefällen zur Anwendbarkeit. Dagegen unterscheidet K. Schmidt (GesR § 20 III 2, 3, 5) für die Einforderung der Beiträge zwischen organisierten und nicht organisierten Gesellschaften: Nur bei den Letzteren soll § 320 passen. Für andere Fragen soll zwischen dem Beitragsverhältnis (zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft) und dem Verbandsverhältnis (dem Gesellschaftsverhältnis im Ganzen) unterschieden werden. Die Frage wird dadurch weiter kompliziert, dass die Rspr seit BGHZ 142, 315 eine Teilrechtsfähigkeit für GbR anerkennt. Danach werden Rechtsbeziehungen der Gesellschafter zueinander stark abgeschwächt; es dominiert das Verhältnis Gesellschafter – Gesellschaft, was zu noch stärkeren Modifikationen bei der Anwendbarkeit der §§ 320 ff führen würde. Die Frage nach der Gegenseitigkeit des Gesellschaftsvertrages kann in der Tat kaum im Ganzen beantwortet werden, sondern stets nur für einzelne Problemlagen (so unbequem das auch sein mag).