I. Verfassungsrechtliche Vorgaben.
Rn 19
Die Schadensersatzhaftung bedarf der Begründung, weil sie die allg Handlungsfreiheit nach Art 2 I GG berührt. Andererseits kann durch eine unerlaubte Handlung in Grundrechte des Geschädigten (zB das Recht auf körperliche Unversehrtheit, Art 2 II GG, oder das Eigentum, Art 14 GG) eingegriffen werden. Auch wenn Einzelheiten der Bindungswirkung der Grundrechte im Privatrecht str sind (dazu insb Staud/J Hager Vorbem zu §§ 823 ff Rz 68 ff), lässt sich festhalten, dass die Haftungsregeln eine Balance zwischen den Grundrechten von Schädiger und Geschädigtem zu wahren haben, was bei §§ 823 ff grds der Fall ist. Daher sind die Grundrechte insb bei der Auslegung im Einzelfall zu berücksichtigen (s.a. BeckOGK/Spindler § 823 Rz 15).
II. Verhältnis zum Strafrecht.
Rn 20
Wegen der gemeinsamen Ursprünge von zivilem Deliktsrecht und Strafrecht (s nur MüKo/Wagner Vor § 823 Rz 2) ist die Differenzierung zwischen beiden mitunter problematisch (s.o. Rn 5). Praktisch kommt eine Verbindung iRd Adhäsionsverfahrens gem §§ 403 ff StPO sowie über § 823 II (§ 823 Rn 240) in Betracht. Bei getrennten Verfahren sind die Feststellungen in einem Strafurteil für das Zivilverfahren nicht bindend, können aber die Darlegungs- und Beweisanforderungen modifizieren (BGH BeckRS 21, 27905).
III. Verhältnis zu anderen zivilrechtlichen Regelungen.
Rn 21
Ausgangspunkt für das Verhältnis zu vertraglichen und vertragsähnlichen Ansprüchen (§ 311 II, III) ist der Grundsatz der Anspruchskonkurrenz, dh Delikts- und Vertragsansprüche sind unabhängig voneinander (hM, grundl BGHZ 9, 310; weiterhin zB BGHZ 162, 86, 93 f; 218, 22 Rz 30; NJW 21, 1883 Rz 10, alle mwN; Staud/J Hager Vorbem zu §§ 823 ff Rz 38 ff mwN auch zur aA). Das ist von Bedeutung wegen der Unterschiede beider Haftungsregime, insb wegen der zusätzlichen Voraussetzungen der Vertragshaftung (zB Nacherfüllungsrecht bei der Mängelgewährleistung) sowie wegen der Unterschiede bei Gehilfenhaftung, Haftungserleichterungen, Beweislast, Verjährung und Umfang des Schadensersatzes. Teilweise sind Modifikationen der freien Anspruchskonkurrenz erforderlich (bereits RGZ 88, 433, 436), insb ist ein Vorrang des Vertragsrechts dort anzuerkennen, wo seine Regelungen sonst sinnentleert würden (BGHZ 46, 313, 316 f; BGH NJW-RR 08, 1359 Rz 12 ff). Zu einzelnen Vertragstypen BeckOGK/Spindler § 823 Rz 40 ff.
Rn 22
Auch zum Bereicherungsrecht besteht grds Anspruchskonkurrenz; Schadenskompensation und Bereicherungsabschöpfung stehen unabhängig nebeneinander. Über §§ 819 I, 818 IV, 292, 989 werden jedoch Bereicherungsansprüche durch deliktsrechtliche Wertungen beeinflusst. Überschneidungen sind insb bei der Verletzung von Persönlichkeits- bzw Immaterialgüterrechten durch unbefugte Nutzung denkbar; hier können sich Ansprüche aus unerlaubter Handlung und Eingriffskondiktion wechselseitig beeinflussen (Staud/J Hager Vorbem zu §§ 823 ff Rz 34 mN).
Rn 23
Ansprüche aus Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§§ 987 ff) sind grds vorrangig ggü §§ 823 ff, § 993 I letzter Hs.
Rn 24
Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche (die kein Verschulden voraussetzen) stehen grds neben Deliktsansprüchen auf Schadensersatz. Partielle Überschneidungen sind insb bei quasinegatorischen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen denkbar (s.o. Rn 15).
Rn 25
Eine Gläubigeranfechtung nach § 3 AnfG bzw §§ 129 ff InsO steht neben §§ 823 ff. Die Anfechtung aufgrund dieser Vorschriften verwirklicht grds nicht den Tatbestand einer unerlaubten Handlung (RGZ 74, 224, 226; BGH NJW 96, 2231, 2232), im Einzelfall können aber zusätzlich Ansprüche aus § 823 II, zB iVm § 288 StGB, oder § 826 in Betracht kommen (RGZ 74, 224, 226 ff; BGHZ 130, 314, 330 ff; NJW 96, 2231, 2232).
IV. Sonderdeliktsrecht.
Rn 26
Neben §§ 823 ff existieren zahlreiche deliktsrechtliche Spezialregelungen im BGB und in anderen Gesetzen. Sie konkurrieren idR mit §§ 823 ff. Bei Ansprüchen aus Gefährdungshaftung, zB §§ 7 StVG, 33 LuftVG, 1 ff HPflG, 84 AMG, 25 f AtG, 114 ff BBergG, 32 GenTG, 1 UmweltHG, 89 WHG, 1 ProdHaftG (bei den beiden letzten ist str, ob es sich tatsächlich um Gefährdungshaftung handelt, s.a. Vor ProdHaftG Rn 4), ist die Anspruchskonkurrenz va wegen der häufig festgesetzten Haftungshöchstbeträge wichtig. Sofern der Haftungsumfang nicht spezialgesetzlich geregelt ist, kommt evtl eine ergänzende Anwendung der §§ 842–846 in Betracht (zB bei § 89 WHG, BeckOGK/Spindler § 823 Rz 33). Bei lauterkeitsrechtlichen Schadensersatzansprüchen gem § 9 UWG ist zu prüfen, ob sie – insb wegen der tw abweichenden Verjährung nach § 11 UWG – eine abschließende Sonderregelung darstellen, die §§ 823 ff vorgeht (s nur BGH GRUR 74, 99, 100; BGHZ 130, 288, 290 mwN; für eine Differenzierung bei der Verjährung – Abstellung auf den Schwerpunkt des Verstoßes – BGHZ 188, 326 Rz 55 ff; s.a. I ZR 213/08 Rz 47; ausf Sack FS Ullmann 825 ff mN zum Meinungsstand); dies sollte nun auch bei § 9 II UWG geprüft werden. Bei Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung von Immaterialgüterrechten, zB §§ 97 II UrhG, 42 II DesignG, 139 II PatG, 24 II GebrMG, 14 VI, 15 V, 128 II MarkenG, gilt Entsprechendes; zum Rechtsschutzbedürfnis beim Unterl...