Prof. Dr. Martin Schöpflin
I. Begriff und Wesen.
Rn 10
Da das Gesetz den -VoRp kennt (§ 54), setzt die Vereinseigenschaft keine juristische Persönlichkeit voraus. Der Verein ist eine Vereinigung, die einen Gesamtnamen führt, einen bestimmten Zweck verfolgt, eine größere Mitgliederzahl aufweist und auf eine Dauer angelegt ist, die Raum lässt für die notwendige körperschaftliche Organisation, die darin besteht, dass die Vereinigung unabhängig vom Mitgliederwechsel ist und dass sie die Organe des Vorstands und der Mitgliederversammlung hat (s Reichert/Dauernheim Kap 1 Rz 13 ff; BeckOK/Schöpflin § 21 Rz 25 ff). Anhand dieser Kriterien erfolgt im Einzelfall auch die Abgrenzung zur GbR (§ 54 Rn 5 f). Der Verein ist die Grundform aller privatrechtlichen Körperschaften, deshalb kann auch für andere Körperschaften auf vereinsrechtliche Vorschriften zurückgegriffen werden, insbes auf § 31.
II. Verfassungsrecht.
Rn 11
Art 9 I GG gewährleistet die Vereinsfreiheit, während nach Art 9 II GG Vereine verboten sind, deren Zweck oder Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderläuft oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder die Völkerverständigung richten (s Reichert/Schiffbauer Kap 10 Rz 1, 37 ff). Diesen Grundsatz gestaltet das VereinsG vom 5.8.64 (BGBl I, 593) näher aus. Dieses polizeirechtliche G zur Gefahrenabwehr regelt im Wesentlichen das Vereinsverbot mit seinen Rechtsfolgen und gilt auch für privatrechtliche Vereinigungen, die keine Vereine sind (s Reichert/Schiffbauer Kap 11 Rz 1 ff; Kap 9 Rz 21). Verboten sind auch Ersatzorganisationen (dazu BVerwG ZStV 23, 138). Auch die Vereinsautonomie als das Recht des Vereins, seine innere Ordnung in freier Selbstbestimmung zu regeln, folgt aus Art 9 I GG.
III. Anwendungsbereich.
Rn 12
Die §§ 21–53 gelten für alle Vereine mit Rechtspersönlichkeit und zT auch für VoRp (s § 54 Rn 8–11, dort auch zur Reform). Da der Verein die Grundform der privatrechtlichen Körperschaften ist, sind die vereinsrechtlichen Vorschriften zur Füllung etwaiger Lücken bei folgenden Vereinigungsformen anzuwenden: AG, eG, GmbH, KGaA, VVaG. Das gilt insbes für §§ 29, 30, 31 u 35.
Rn 13
Für die politischen Parteien gilt in erster Linie das ParteienG vom 24.7.67. Dieses enthält aufgrund der verfassungsrechtlichen Sonderstellung der Parteien besondere Regeln, die aber durch die §§ 21 ff ergänzt werden. Religionsgesellschaften nach Art 140 GG, 137 WRV können in der Form des religiösen Vereins organisiert werden. Aufgrund ihrer verfassungsrechtlich garantierten Stellung haben die religiösen Vereine eine von § 25 unabhängige Autonomie, die es der Satzung zB ermöglicht, Satzungsänderungen von der Zustimmung des Presbyteriums der Kirchengemeinde abhängig zu machen (Ddorf NZG 09, 1227), kirchliche Funktionsträger zu geborenen Mitgliedern zu erklären (Hamm NJW-RR 95, 119 [OLG Hamm 21.06.1994 - 15 W 16/94]) oder die Bestellung des Vorstandes sowie sonstiger Leitungsorgane so zu regeln, dass die Mitglieder daran nicht beteiligt werden (BayOLGZ 87, 161). Der Verein kann sich in eine Hierarchie eingliedern, in der er Fremdeinfluss unterliegt (BVerfG NJW 91, 2623, 2625f).
IV. Großvereine und Vereinsverband.
Rn 14
Großvereine (Gesamtvereine, näher Reichert/Osnabrügge/Pusch, Kap. 7 Rz 6 ff; Segna NZG 02, 1048) entwickeln sich, indem sich der Verein zu einem Zentralverein mit Untergliederungen wie zB Ortsvereinen ausbildet. Diese Untergliederungen können selbstständig (dh sie sind selbst Vereine) oder unselbstständig (ohne eine Satzung und ohne eigene Vereinsorgane) sein. Bei unselbstständigen Untergliederungen gibt es nur eine Mitgliedschaft im Zentralverein (BGHZ 89, 153, 155f), während bei selbstständigen Untergliederungen, die eV oder VoRp sein können, die Mitgliedschaft in der Untergliederung und im Zentralverein besteht. Der selbstständige Zweigverein (Untergliederung) muss die Vereinseigenschaften (s Rn 10) und – um eintragungsfähig zu sein – ein gewisses Selbstverwaltungsrecht besitzen (Karlsr FGPrax 12, 210), allerdings kann die Satzung des Zweigvereins die des Gesamtvereins sein (BGHZ 90, 331, 333). Die Nutzung von Eigentum des Gesamtvereins durch eine Untergliederung ändert nichts am Eigentum des Gesamtvereins und begründet auch kein Treuhandverhältnis. Ein Insichprozess zwischen der Untergliederung und dem Gesamtverein scheidet idR aus, vielmehr können sich gegen Beschlüsse der Mitgliederversammlung des Gesamtvereins nur dessen Organe oder Mitglieder, nicht Untergliederungen als solche wenden (BGH NJW 08, 69, 72 [BGH 02.07.2007 - II ZR 111/05], 74f).
Rn 15
Vereinsverbände sind Zusammenschlüsse von selbstständigen Vereinen, zB der Deutsche Olympische Sportbund. Regeln sowohl die Satzung des Vereinsverbandes als auch des angeschlossenen Vereins Entsprechendes, begründet die Mitgliedschaft im Basisverein zugleich die Mitgliedschaft im Vereinsverband (BGHZ 105, 306, 311 f, Doppelmitgliedschaft). Für die Mitgliedschaft der Basisvereine im Vereinsverband gelten die allg Regeln, zB über den Auskunftsanspruch nach §§ 27 III, 666 (BGH NJW-RR 03, 830 [BGH 11.11.2002 - II ZR 125/02]).
V. Cannabis-Anbauvereinigungen.
Rn 16
Diese lässt das G zum Umgang mit Konsum-Cannabis (KCanG v 27....