Prof. Dr. Eckart Brödermann
I. Rechtsvergleichung.
Rn 68
Für Europa ist zu unterscheiden: In den romanischen Rechtsordnungen basieren die Regelungen zur Bürgschaft auf der fideiussio des römischen Rechts. Daher sind die Grundsätze im Wesentlichen die Gleichen, so insb: (1.) die Haftung mit dem ganzen Vermögen (zB Niederlande: Burgerlijk Wetboek 7:854), (2.) die Möglichkeit der Sicherung jeder schuldrechtlichen Verbindlichkeit (zB: Portugal: Art 627 C civ); (3.) die Akzessorietät (zB: Österreich: § 1346 I ABGB; Frankreich: Art 2289 C civ 2017, Belgien, Luxemburg: arg Art 2012, 2013, 2036 C civ; Finnland: Sec 3 II G 361/1999 für bestimmte private Bürgschaften; Italien: Art 1936, 1939 C civ; Niederlande: Burgerlijk Wetboek 7:851; Portugal: Art 627 II C civ; Spanien: Art 1822, 1824 C civ; Ungarn: Polgári Törvénykönyv 6:417 I), (4.) die Subsidiarität (zB: Österreich: § 1346 ABGB; Belgien, Frankreich, Luxemburg: Art 2011, 2021 ff; Portugal: Art 638 C civ).
Rn 69
IE bestehen erhebliche Unterschiede: So wird der Grundsatz der Akzessorietät zT strenger gehandhabt und weniger Gestaltungsfreiheit für die Bürgschaft eingeräumt. In Frankreich zB ist eine Bürgschaft auf erstes Anfordern unzulässig (Eusterhus 181f). Auch die Formvorschriften unterscheiden sich: Überwiegend wird die Schriftform vorgesehen (zB Belgien, Frankreich, Luxemburg je Art 1376 C civ; Österreich § 1346 II ABGB; Niederlande: Burgerlijk Wetboek 7:859; Ungarn: Polgári Törvénykönyv 6:416 III). Dagegen besteht ein Formerfordernis in Skandinavien und außerhalb des Verbraucherschutzrechtes auch in den Niederlanden nicht. Ggü Verbrauchern gelten zT zusätzliche Formvorschriften und Informationspflichten (zB Frankreich Art L 314–15, 331–1, 341–2 f Code de la Consommation; Belgien: Art 34 Loi relative au crédit à la consommation). Wenn bei Eingehung der Bürgschaft der Umfang der gesicherten Forderung gegen den Hauptschuldner noch nicht feststeht, muss in Italien und in den Niederlanden für die Bürgschaft eines Verbrauchers ein Höchstbetrag festgelegt werden (Niederlanden: Burgerlijk Wetboek 7:858 I, 862 lit. a; Italien: Art 1938 C civ).
Rn 70
In England weist die auf das common law zurückführende surety – zT guarantee (mehrdeutiger Begriff) – im Vergleich zur Bürgschaft in den romanischen Rechtsordnungen einige signifikante Unterschiede auf. Insb ist die surety grds nicht subsidiär (Chitty/Whittacker Rz 44–66). Gleichwohl weist das englische Recht der surety zT ähnliche Grundsätze auf: die Haftung mit dem ganzen Vermögen (arg Moschi v Lep Air Services Ltd [1973] AC 393, 402), die Möglichkeit der Sicherung jeder schuldrechtlichen Verbindlichkeit (aaO 393, 400f), die Akzessorietät (Harburg India Rubber Comb Co v Martin [1902] 1 KB 778, 784 f [CA]), das Schriftformerfordernis (Statute of Frauds 1677 sec. 4; nach Manchester, Urt v 7.4.06, Anm Vogl EWiR 06, 575 kann Email ausreichen). Auch bestehen zT ähnliche Verbraucherschutzvorschriften (Consumer Credit Act 1974 sec. 105 ff).
Rn 71
In den Rechtsordnungen außerhalb Europas ist die Bürgschaft unterschiedlich ausgestaltet. Oft lässt sich der Inhalt des Rechts in seinen großen Zügen durch die Verwandtschaft der Rechtsordnung mit einer europäischen Rechtsordnung erschließen. Bsp USA: Dort hat das Bürgschaftsrecht keine bundeseinheitliche Regelung gefunden. Den einzelstaatlichen Regelungen ist indes die Ähnlichkeit mit dem englischen Recht gemein (zB California Civil Code sec. 2787). Im russischen Recht ist die Bürgschaft nicht subsidiär (Art 361 Zivilgesetzbuch der Russischen Föderation; Karimullin 14). Ohne eine Regelung über eine kalendermäßige Erfüllungsfrist gilt eine einjährige Ausschlussfrist (aaO Art 367 Ziff 4 2, Karimullin 15). Wegen der unterschiedlichen Ausgestaltung der persönlichen Sicherheit der Bürgschaft ist eine Detailprüfung unumgänglich, bevor eine nach fremden Recht gestaltete Bürgschaft akzeptiert oder die Rechtswahl offengelassen werden kann.
II. Rechtsangleichung und Rechtsvereinheitlichung.
Rn 72
Der im Februar 2009 von einem wissenschaftlichen Team für die EU veröffentlichte Entwurf für den Gemeinsamen Referenzrahmen (Draft Common Frame of Reference, s http://ec.europa.eu/justice/policies/civil/docs/dcfr_outline_edition_en.pdf) regelt die Bürgschaft in Abschnitt G, Kapitel I, II u IV (dazu Schürnbrand, WM 09, 873 ff; Klingel, Die Principes of European Law on Personal Security als neutrales Recht für internationale Bürgschaftsverträge, Diss 2009). Ähnl wie in Frankreich und Belgien (s.o. Rn 69) sieht der Entwurf Sondervorschriften für Verbraucherbürgschaften vor: Informationspflichten vor (4:103) und nach (4:106) Vertragsabschluss, Formerfordernis (4:104), Kündigungsrecht (4:107).