Prof. Dr. Michael Stürner
1. Schadensersatzansprüche.
Rn 12
Der Dritte hat aus der zu seinen Gunsten bestehenden Schutzwirkung Schadensersatzansprüche gegen den Schuldner. Dabei muss er sich nach dem Rechtsgedanken der §§ 334, 846 ein Mitverschulden des Gläubigers anrechnen lassen (BGHZ 127, 378, 385 mN als Grundsatz, nicht als ›unverrückbares Prinzip‹). Ausnahmen soll es insb aus der ›Natur des Deckungsverhältnisses‹ geben. So soll der Käufer auf ein sachverständiges Wertgutachten trotz der Arglist des Verkäufers vertrauen dürfen (BGH aaO 385f): Der Sachverständige hätte in seinem Gutachten deutlich machen müssen, dass er sich auf nicht selbst überprüfte Angaben des Verkäufers stützt. Mehrere Schädiger, die wegen eines gleichgelagerten Schadens aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Anspruch genommen werden können, haften als Gesamtschuldner (BGH WM 18, 378 Rz 30).
2. Verjährung.
Rn 13
Soweit Dritte in den Schutzbereich eines Vertrages einbezogen werden, müssen sie auch eine ggü dem Gläubiger geltende abgekürzte Verjährung gegen sich gelten lassen (BGHZ 61, 227, 233f).
3. Erweiterungen.
Rn 14
Die Drittschutzwirkung eines Vertrages ist va in zwei Richtungen erweitert worden. (1.) Schon die Anbahnung von Vertragsverhandlungen kann eine Schutzwirkung für Dritte entfalten, die durch diese Anbahnung in den Gefahrenbereich des Vertrages geraten. So hat BGHZ 66, 51 einer minderjährigen Tochter Ansprüche gewährt, die ohne eigene Kaufabsicht ihre Mutter in einen Selbstbedienungsladen begleitet und dort einen Unfall erlitten hatte.
Rn 15
(2.) Vereinzelt ist die Ersatzpflicht auf Nichterfüllungsschäden erstreckt worden: Im Fall von BGH JZ 66, 141 [BGH 06.07.1965 - VI ZR 47/64] war durch die schuldhafte Untätigkeit eines vom Erblasser beauftragten Rechtsanwalts die Errichtung eines Testaments unterblieben (und dann durch den Tod des Erblassers unmöglich geworden): Der BGH hat demjenigen, der durch das Testament Erbe werden sollte, einen Ersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt gewährt. Hier kann der Anspruch aus dem Anwaltsvertrag durch Auslegung abgeleitet werden (BGH aaO; ebenso von Caemmerer FS Wieacker [78], 311, 321 ff; vgl auch BGH JZ 85, 951, 952 m Anm H. Honsell).
4. Einzelne Fallgruppen (Auswahl).
Rn 16
Der Anwaltsvertrag kann Schutzwirkung für Dritte entfalten, wenn diese von dem Gegenstand der Beratung oder des Verfahrens erkennbar betroffen sind und wenn sie dem Mandanten nahe stehen, insb von ihm begünstigt werden sollen. Das betrifft etwa die Kinder, die durch Enterbung des Ehegatten Vorteile haben sollen. Verlangt wird hier aber, dass die zu schützende Personengruppe objektiv abgrenzbar ist (BGH NJW 95, 51, 52 [BGH 13.07.1994 - IV ZR 294/93]). Ebenso werden etwa die als Erben Vorgesehenen durch die Pflicht zur Prüfung eines Testamentsentwurfs geschützt (BGH NJW 95, 2551, 2552). Zur Frage, ob der Anwaltsvertrag Schutzwirkung zugunsten des Rechtsschutzversicherers entfaltet van Bühren VersR 14, 148, 150; zur Einbeziehung einer GmbH-Geschäftsführerin Köln GmbHR 21, 1214.
Rn 17
Der Arztvertrag schützt das zu behandelnde Kind (BGHZ 89, 263, 266; zur Rechtslage bei PID Olzen/Kubiak JZ 13, 495); hier kann sogar ein Vertrag auf Leistung an das Kind iSv § 328 bejaht werden. Geschützt werden aber auch die Eltern des zu behandelnden Kindes in den durch dessen Schaden gezogenen Grenzen (BGHZ 106, 153, 161). Ebenso geschützt wird auch der Ehegatte bei einem Vertrag über eine Sterilisation (BGHZ 76, 259, 261). Weiter kommt zudem ein Schutz des nichtehelichen Vaters in Betracht, wenn die Empfängnisverhütung auch der Familienplanung dienen sollte (BGH NJW 07, 989, 991 [BGH 14.11.2006 - VI ZR 48/06]; vgl Mörsdorf-Schulte NJW 06, 3105; dies NJW 07, 964; zweifelhaft). Nicht geschützt werden hingegen Beihilfestelle und kostentragende Krankenkassen als Dritte (Köln MDR 21, 363 [OLG Köln 16.12.2020 - 5 U 39/20]).
Rn 18
Der Bankvertrag schützt bei einer unrichtigen Auskunft auch den Dritten, für den die Auskunft bestimmt war, die für ihn die Grundlage wesentlicher Vermögensdispositionen bilden sollte (BGH LM § 676 Nr 42). Dagegen schützen im bargeldlosen Zahlungsverkehr die Verträge zwischen den beteiligten Banken Dritte nicht (BGH NJW 08, 2245 gegen ältere Rspr). Ob sich bei einer Verletzung des Bankgeheimnisses auch die Muttergesellschaft im Schutzbereich eines Bankvertrages der Tochter befindet, ist zweifelhaft (dafür: München ZIP 03, 19, 24; dagegen: Canaris ZIP 04, 1781 und BGH ZIP 06, 317, 322).
Rn 19
Der Darlehensvertrag zwischen einer Bank und einer GmbH hat keine Schutzwirkung für einen GmbH-Gesellschafter: Zumindest bei bloßen Sach- und Vermögensschäden genüge eine bloß mittelbare Betroffenheit keinesfalls (Celle WM 07, 740).
Rn 20
Mietverträge über Wohnräume schützen auch die zur Hausgemeinschaft des Mieters gehörenden Personen, insb Angehörige und Hauspersonal (BGHZ 61, 227, 233). Geschützt werden auch die dritten Eigentümer von Sachen, die sich berechtigterweise in den Mieträumen befinden (BGHZ 49, 350, 354 f für Geschäftsräume). Dagegen hat der Mieter keine Schutzpflicht ggü Mitmietern (BGH NJW 69, 41).
Rn 21
Prüfverträge etwa im Z...